Zivilisten auf das Schlachtfeld
Eine deutsche Firma sucht Statisten für US-Kriegsübungen auf einem bayerischen Militärareal
Von Michael Schulze von Glaßer *
Die US-Army hat das »Civillians on the Battlefield«-Programm neu ausgeschrieben. Für Mai werden aktuell hunderte Zivilisten gesucht, die als Statisten bei US-Militärübungen dienen sollen.
Jeweils drei Wochen lang sollen zivile Statisten auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels in Bayern arabisches Dorfleben simulieren, etwa in den Rollen von Viehzüchtern, Ladenbesitzern oder auch als Bürgermeister. Sie sollen die Ausbildung von US-Einheiten effektiver machen.
Bis zu zehn künstlich angelegte Dörfer mit bis zu 30 Häusern für den Einsatz von jeweils 30 bis 100 Statisten gibt es auf dem Areal zwischen Regensburg und Nürnberg. Die Probanden bekommen einen kleinen Computer auf den Rücken geschnallt, bei den Übungen wird mit Platzpatronen und Infrarot-Lasern geschossen - bei einem Treffer ertönt ein Geräusch, und die Statisten müssen sich tot stellen.
Die Zivilisten »werden benötigt, um eine möglichst realitätsnahe Umgebung für die Übungen der NATO/ISAF Truppen zu ermöglichen«, heißt es auf der Website einer Castingfirma. Gesucht werden besonders Menschen, die Arabisch, Pashtu oder Dari beherrschen. Letzteres wird unter anderem in Afghanistan und Pakistan gesprochen. Menschen mit guten Englischkenntnissen zur Kommunikation mit den US-Soldaten werden ebenfalls bevorzugt gecastet. Übernachtet wird in Baracken oder Zelten. Handys, Computer und sonstige technische Geräte sind verboten.
Mit der Gewinnung der Statisten beauftragt die US-Army zivile Unternehmen. Aktuell sucht das Unternehmen Optronic aus dem baden-württembergischen Königsbronn neue Statisten für die Kriegsszenarien.
Casting in Hotels
Am vergangenen Wochenende fanden in Berlin, Hamburg, Leipzig, Bremen, Dresden und Hannover Casting-Veranstaltungen statt. Beworben werden diese über Werbeanzeigen in lokalen Medien. Vollkommen reibungslos lief es bei den Castings allerdings nicht ab: Bereits im Oktober 2009 führte eine Protestaktion von Antimilitaristen in Kassel zum Abbruch einer Veranstaltung. Diesmal gingen im Vorfeld der Castings Protest-Mails bei den austragenden Hotels ein. Daraufhin gab das Maritim Hotel in Hamburg bekannt, dass das geplante Optronic-Casting nicht in seinen Räumen stattfindet. Optronic wich am Samstag kurzerhand ins Intercity Hotel am Hamburger Hauptbahnhof aus und führte sein Casting dort durch.
Kriegsgegner kündigten weitere Proteste an. »Keine Castings, keine Statisten, kein Krieg«, heißt es in einem Aufruf im Internet. Wenn sich keine Statisten mehr rekrutieren ließen, würden die US-Militärübungen und der Kriegseinsatz von Soldaten behindert, so die Friedensaktivsten. Am kommenden Samstag sollen in München, Dortmund, Nürnberg, Essen Optronic-Castings stattfinden, und am Sonntag in Frankfurt am Main, Düsseldorf, Stuttgart und Köln.
Die Optronic GmbH&Co KG sorgte bereits 2006 für Schlagzeilen. Damals wurde der damalige Geschäftsführer Hans-Werner Truppel vom Landgericht Stuttgart zu vier Jahren Haft wegen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz und versuchten Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der damals 58-Jährige rund 22 Tonnen spezieller Aluminiumrohre für das nordkoreanische Atomwaffenprogramm liefern wollte. Heute leitet Elisabeth Truppel laut Optronic-Website das Unternehmen.
Finanzamt betrogen?
Auch im Geschäft um das »Civillians on the Battlefield«-Programm scheint es schmutzig zuzugehen. Ehemalige Statisten werfen der direkt in Hohenfels ansässigen Statisten-Castingfirma »Supply and Service Team GmbH« Steuerbetrug vor. Den Statisten sollen Löhne gekürzt und später als Sonderzulagen wieder angerechnet worden sein - beispielsweise als Nachtzulagen. Allerdings soll zu dieser Uhrzeit gar nicht gearbeitet worden sein. Das Unternehmen soll dadurch einen steuerlichen Vorteil gewonnen haben.
Da Steuerfahnder und sonstige Beamte während der Manöver auf dem Truppenübungsplatz nicht zu erwarten sind, wären Betrügereien leicht durchzuführen.
* Aus: Neues Deutschland, 25. Februar 2010
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