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Protestverbot gekippt

Oberverwaltungsgericht Sachsen-Anhalt erlaubt Antikriegsdemonstration in der Nähe des Bundeswehr-Kontrollzentrums bei Letzlingen

Von Susan Bonath *

Eine Demonstration im Rahmen der einwöchigen Proteste gegen militärische Aufrüstung darf am Samstag nun doch direkt vor den Toren des europaweit modernsten Gefechtsübungszentrums (GÜZ) in der Colbitz-Letzlinger Heide stattfinden. Das hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Sachsen-Anhalt am späten Donnerstag abend entschieden, wie die Organisatoren am Freitag mitteilten. Demnach haben die Richter das vom Altmarkkreis Salzwedel verhängte generelle Versammlungsverbot als »rechtswidrig« eingestuft. Die zuständige Behörde hatte Ende voriger Woche per »Allgemeinverfügung« sämtliche »Versammlungen unter freiem Himmel« in einem etwa 400 Quadratkilometer großen Gebiet rund um das GÜZ verboten und dies mit »Gefahrenabwehr« begründet.

»Im Grundtenor bestätigten die Richter, daß Demonstranten in Ausübung ihres Versammlungsrechts frei über Ort, Zeit und Themenwahl verfügen können«, so die Organisatoren. Laut Beschluß habe der Landkreis in der Verfügung nicht ausreichend dargelegt, worin die mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung bestehe. Statt dessen seien von der Behörde lediglich »vage Vermutungen zur prognostizierten Gewalttätigkeit« geäußert worden. Laut Gericht könne man es daher dem Versammlungsleiter überlassen, etwaigen Verstößen zu begegnen. Zudem habe es den Kreis auf »mildere Eingriffe«, wie bestimmte Auflagen, hingewiesen. »Damit hat das Gericht dem Generalverdacht einen Riegel vorgeschoben«, meinte die Sprecherin der Kriegsgegner, Karoline Puls, auf jW-Anfrage. Ihrer Ansicht nach widerspricht es »ohnehin eklatant dem Prinzip der Verhältnismäßigkeit, ein derart großes Gebiet unter Protestverbot zu stellen«. Zu der in der Nähe der GÜZ-Kommandozentrale bei Letzlingen ab 8 Uhr morgens angemeldeten Demonstration erwarten die Organisatoren rund 350 Teilnehmer.

Polizeisprecher Frank Küssner stellte am Freitag gegenüber junge Welt klar: »Damit ist nicht die Allgemeinverfügung des Altmarkkreises aufgehoben.« Lediglich diese eine Veranstaltung dürfe nun zwischen 8 und 18 Uhr – angemeldet war ursprünglich bis 21 Uhr – stattfinden, und dies auch nur außerhalb des militärischen Sicherheitsbereiches. Die Zahl der eingesetzten Beamten stocke man nicht auf, sagte er. Seit Montag seien bereits 1000 Polizisten aus fünf Bundesländern vor Ort. Man kooperiere zudem mit der Bundeswehr, »allerdings sind die Feldjäger nur für den Militärbereich zuständig«, so Küssner. Das gemeinsame Pressebüro von Kommunen, Polizei und Bundeswehr sei lediglich »ein Service« für die Medien.

Das Camp unter dem Motto »War starts here« befindet sich im Dorf Potzehne, rund 15 Kilometer westlich von Letzlingen. Von der Mahnwache auf dem Letzlinger Marktplatz aus ist es über die Bahnhofstraße zu erreichen. Derzeit seien etwa 250 bis 300 Aktivisten vor Ort, stündlich würden es mehr, sagte Sprecherin Puls am Freitag auf jW-Nachfrage. Der MDR hatte am Mittwoch abend von drastischen Sicherheitsmaßnahmen berichtet. Die Heidestaße ist weiterhin gesperrt; jede Waldschneise werde von Polizisten bewacht, es gebe Personenkontrollen, Polizeireiterstaffeln aus Niedersachsen und Beamte mit Hunden seien unterwegs. Die Bundeswehr habe Zäune und Schilder rund um das Militärgelände extra gesichert. Über die Zahl der eingesetzten Feldjäger von der Militärpolizei schweigt sie.

* Aus: junge Welt, Samstag, 15. September 2012


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