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Unermüdlich für den Frieden

Andreas Buro wird heute 80 Jahre alt

Von Matthias Jochheim *

Es gibt wohl nur wenige Menschen hierzulande, die gesellschaftliche Entwicklungen und insbesondere die Auseinandersetzungen um Militär und Krieg in den letzten 50 Jahren in Deutschland so bewußt, so aktiv und mit solcher Kontinuität mitgestaltet haben wie Professor Andreas Buro, der am heutigen 15. August seinen 80. Geburtstag feiert. Es ist sicher nicht übertrieben festzustellen, daß Buro in den emanzipatorischen und demokratischen Bewegungen tiefe Spuren hinterlassen hat. Um nur einige Beispiele zu nennen: Mitgründer der Ostermärsche – Kampagne für Demokratie und Abrüstung – zu Beginn der 60er Jahre; 1969 Mitgründer des Sozialistischen Büros, einer sehr aktiven, nicht parteiförmig arbeitenden Organisation der undogmatischen Linken; 1980 Mitgründer des Komitees für Grundrechte und Demokratie, dort bis heute friedenspolitischer Sprecher; 1995 Gründung des Dialogkreises für eine politische Lösung der kurdischen Problematik in der Türkei, auch dort wirkt er weiter als Impulsgeber und Koordinator.

Buro ist ein unermüdlicher politischer Aktivist und gleichzeitig ein beeindruckender Lehrer, nicht nur als Dozent und Professor für Politologie an der Universität Frankfurt/M. Er ist ein bedeutender Ratgeber der deutschen Friedensbewegung, sei es bei den Strategiekonferenzen der Kooperation für den Frieden, sei es als Mitglied des wissenschaftlichen Beirats der Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW) oder für die Aktivisten der kurdischen Nationalbewegung, für die er einer der wichtigsten Ansprechpartner in der deutschen Öffentlichkeit geworden ist. Typisch für Buro dabei, daß er unmißverständlich seine pazifistisch-gewaltfreie Position postuliert, aber dennoch als ehrlicher Dialogpartner auch von solchen Gruppen geschätzt wird, für die solche Überzeugungen nicht selbstverständlich sind.

Buros politische Position läßt sich nicht in simple Raster pressen: große gesellschaftliche Zukunftsvisionen haben sich für ihn als »zumeist trügerisch« erwiesen: »Sicher ist der Weg zu einer solidarischen Weltgesellschaft ein unendlicher Weg. Wir werden niemals das Ziel ganz erreichen.« Aber gleichzeitig propagiert er das nicht gerade anspruchslose »Etappenziel, militärische Gewalt aus dem Arsenal menschlich-unmenschlicher Gewalt auszuklammern«. Er hat viele Ansprechpartner in den politischen Parteien des linken Spektrums, aber interessiert sich doch im Grunde viel stärker für die sozialen Lernprozesse, für die langfristigen Auswirkungen von Bewegungspolitik auf das gesellschaftliche Bewußtsein. In den Dossiers, die er in den letzten Jahren im Rahmen des von ihm initiierten Monitoring-Projekts der Kooperation für den Frieden zur »Zivilen Konfliktbearbeitung und Kriegsprävention« am Beispiel des Iran, des türkisch-kurdischen Problems und des israelisch-palästinensischen Konflikts verfaßt hat, nimmt er sehr realpolitische Analysen vor. Er macht praktikable Vorschläge für nicht-militärische Lösungen – trotz seiner nüchternen Einschätzung, daß diese nur begrenzt Chancen auf Realisierung durch die herrschenden Machteliten haben. Auch hier kommt es ihm stärker darauf an, in der Bevölkerung das Bewußtsein über das Spannungsverhältnis zwischen humaner Vernunft und Regierungshandeln deutlich werden zu lassen und auf diesem indirekten Weg zu wirken.

Buro genießt in der Friedensbewegung nicht nur hohes Ansehen, sondern auch viel Zuneigung – denn er verkörpert ganz unmittelbar etwas von den politischen Zielen, für die er trotz aller Rückschläge auch als 80jähriger so unermüdlich arbeitet: Freundlichkeit und Humor mit der Fähigkeit zur Selbstironie und der Orientierung am Gruppenprozeß statt am eigenen Geltungsbedürfnis. All dies sind keine Selbstverständlichkeiten in der politischen Arena, auch nicht in den sozialen Bewegungen. Er weiß, daß »die Friedenbewegung nicht nur durch ihre politischen Aussagen und Programme gekennzeichnet ist, sondern auch durch ihre vielfachen, oft intensiven persönlichen Beziehungen der Akteure untereinander«.

Es ist schön, Andreas Buro sehr frisch und agil weiter in diesem Beziehungsnetz zu erleben, und wir werden ihm am 1. September mit Freude ein weiteres Mal gratulieren, wenn er den diesjährigen Aachener Friedenspreis entgegennimmt.

Aus: junge Welt, 15. August 2008


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