Mit "Hütten, Zielpyramiden und kreativem Chaos" gegen das Bombodrom
Dokumentiert: Uschi Volz-Walk im Doppelpack - Zwei Interviews mit der Aktivistin des Aktionsbündnisses "Rosa Heide"
"Das Bombodrom kann verhindert werden"
Protestcamp und subversive Besetzungsaktionen auf Bundeswehrgelände in der Kyritz-Ruppiner Heide geplant. Ein Gespräch mit Uschi Volz-Walk *
Das Aktionsbündnis Rosa Heide lädt ein, auf dem Gelände des ehemaligen sowjetischen Bombenabwurfplatzes in der Kyritz-Ruppiner Heide, den auch die Bundeswehr künftig wieder als Luft-Boden-Übungsgelände nutzen will, eine »freie Republik Rosa Heide« zu errichten. Was wollen Sie mit dem Widerstandscamp vom 18. bis zum 21. Juli bewirken?
Wir knüpfen an den Auftakt zu den Protesten gegen den G-8-Gipfel in Heiligendamm am 1. Juni 2007 an. Damals haben wir das »Bombodrom« mit 500 Leuten besetzt. Auch dieses Mal wollen wir wieder ein Camp dort einrichten. Wir werden uns so auf den Tag der Inbetriebnahme vorbereiten, der bis jetzt noch nicht feststeht, über den aber voraussichtlich 2009 gerichtlich entschieden wird. Schon seit über 15 Jahren gibt es Protest gegen das Bombodrom. Wir wollen den Widerstand vergrößern und uns mit anderen antimilitaristischen Initiativen vernetzen. Wir drücken damit unsere Ernsthaftigkeit aus, die militärische Nutzung der Heide verhindern zu wollen. Und wir sind sicher, daß wir das hinkriegen. Immerhin wurden das Atomkraftwerk in Whyl und die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf durch politischen Druck von unten verhindert.
Auf welchem Stand sind die Planungen der Bundeswehr?
Voriges Jahr hat das Verwaltungsgericht in Potsdam die einstweilige Verfügung bestätigt, daß das Bombodrom nicht in Betrieb genommen werden darf. Jetzt wurde die Berufung der Bundeswehr gegen den Entscheid zugelassen. Und es geht zur nächsten Instanz ans Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg. Es war gut, daß Gemeinden aus der Region geklagt haben, aber letztlich ist es eine politische Entscheidung. Und da mischen wir uns ein.
Wer wird zum diesjährigen Camp kommen?
Es kommen Menschen aus der Friedensbewegung und antimilitaristischen Gruppen aus ganz Deutschland, Leute aus der Region, die sich schon lange dagegen wehren, und aus der autonomen linksradikalen Bewegung.
Das Camp ist als Aktion des zivilen Ungehorsams mit Hütten, Zielpyramiden und kreativem Chaos angekündigt. Was ist damit gemeint?
Wir werden auf jeden Fall auf das Gelände gehen. Selbst, wenn Militärpolizei und deren Amtshilfe aus Potsdam das verhindern wollen, werden wir in Kleingruppen die 70 Kilometer Platzgrenze nutzen, um auf das Gelände zu kommen. Dann werden wir rosafarbene Zielpyramiden errichten, als Symbol gegen das Patriarchat und seine militärischen Auswüchse. Und wir werden Erkundungsgänge machen. So bereiten wir uns auf die Zeit vor, wenn der Platz als Übungsgelände in Betrieb genommen wird. Wir planen dann, jede Übung zu stören. Es gibt die Kampagne »Bomben nein – wir gehen rein«. Zur Teilnahme haben sich bereits 1500 Leute mit ihrer Unterschrift verpflichtet.
Die Vorbereitungen laufen schon am heutigen Donnerstag an…
In unserem Basiscamp in Katerbow wird es um 19 Uhr ein Plenum geben, auf dem verschiedene Taktiken diskutiert werden sollen. Am Freitag findet ab 14 Uhr ein Auto- und Fahrradkorso von Katerbow nach Schweinrich statt. Dann werden wir mit der Besetzung beginnen. Am Samstag unternehmen wir die Erkundungsgänge. Und am Sonntag gehen wir zu einem Genfeld. Denn für uns gibt es einen Zusammenhang zwischen Militär, Hunger und Gentechnik. Um zwölf Uhr treffen wir uns in Wildberg, westlich von Neuruppin, am Marktplatz. Nachmittags sind die Leute aus der Region zu Kaffee und Kuchen aufs Bombodromgelände eingeladen. Am Montag wird es dezentrale antimilitaristische Aktionen geben. Parallel laufen inhaltliche Veranstaltungen, beispielsweise über Widerstandsstrategien, und Vernetzungstreffen.
Es geht also um mehr als um den Protest gegen das Bombodrom?
Wir sprechen uns gegen deutsche Bomber und Spezialtruppen in Afghanistan aus – wie wir jede militärische Einmischung ablehnen, sei es unter dem Vorwand humanitärer Intervention oder zur Ressourcensicherung. Wir wenden uns dagegen, daß in den Jobcentern der Arbeitsagentur Menschen zum Morden rekrutiert werden. Auch das feierliche Einschwören auf das Töten bei den Bundeswehrgelöbnissen wie beispielsweise am kommenden Sonntag vor dem Reichtagsgebäude lehnen wir ab.
Interview: Gitta Düperthal
* Uschi Volz-Walk ist Aktivistin des Aktionsbündnisses Rosa Heide
Aus: junge Welt, 16. Juli 2008
Ist die SPD gegen das Bombodrom?
Uschi Volz-Walk über das Aktionscamp und den Besuch von Hubertus Heil / Die Berlinerin bereitet das Aktionscamp gegen den Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide mit vor **
ND: Seit 1994 währt der Streit um den geplanten Bombenabwurfplatz der Bundeswehr in der Kyritz-Ruppiner Heide. Heute trifft sich SPD-Generalsekretär Hubertus Heil in Rheinsberg mit Gegnern des Bombodroms. Sehen Sie in ihm einen Bündnispartner?
Volz-Walk: Es ist das alte Spiel der SPD, vor Ort gegen das Bombodrom zu sein und bundesweit das Gegenteil zu praktizieren. Die SPD hat ein innerparteiliches Demokratiedefizit: Auf ihrem Bundesparteitag vergangenen Oktober hat sie die Ablehnung des Bombodroms beschlossen. Im Juni erklärte Hubertus Heil jedoch in einem Brief, dass die SPD ihre eigenen Beschlüsse nicht umsetzen könne. Zur Begründung nannte er die Notwendigkeit, mit dem Regierungspartner CDU Kompromisse eingehen zu müssen. Mit seinem Besuch versucht er, die empörte Basis zu beruhigen.
Für mich wäre Heil nur ernst zu nehmen, wenn er sich und seine Partei per Unterschrift bei der Kampagne »Bomben nein - wir gehen rein« verpflichten würde, im Ernstfall mit seiner Präsenz auf dem Platz die Bombenabwürfe mit zu verhindern. Aber dazu wird ihm der politische Wille oder der politische Mut fehlen - oder beides.
Das »Aktionsbündnis Rosa Heide gegen Bombodrom und Militarisierung« lädt vom 18. bis zum 21. Juli zum Widerstandscamp gegen den geplanten Bundeswehrübungsplatz in die Kyritz-Ruppiner Heide ein. Was ist das Ziel des Camps?
Wir wollen uns auf den Tag vorbereiten, an dem die Bundeswehr das 142 Quadratkilometer große Gelände auf dem ehemaligen Truppenübungsplatz in Betrieb nimmt. Während der Aktionstage machen wir schon mal eine Probebesetzung des Geländes.
Was ist neben der Besetzung noch geplant?
Dezentrale antimilitaristische Aktionen in der Region und zahlreiche themenbezogene Veranstaltungen werden stattfinden. Dazu gehören der Austausch und die Vernetzung zwischen bundesweiten Antimilitarismus- und Friedensgruppen sowie eine Veranstaltung unter dem Motto »Krieg nach außen - Militarisierung nach innen«. Das vollständige Programm findet sich auf unserer Homepage.
Wie groß ist die Unterstützung aus der Region für das Camp?
Die »Friedensinitiative Kyritz-Ruppiner Heide« ist Teil unseres Aktionsbündnisses. Sie hat sich vor einigen Monaten gegründet und lehnt den Bombenabwurfplatz auch aus antimilitaristischen Gründen ab. Damit geht sie über die Initiative Freie Heide hinaus, die den Fluglärm in den Mittelpunkt ihrer Klagen und Proteste stellt und damit ebenfalls wichtiger Teil des Protests für die Verhinderung des Bombenabwurfplatzes ist.
Wir wenden uns aber gegen jegliche Bombenabwürfe - egal wo und egal wie laut -, denn Krieg fängt mit Üben an. Meiner Meinung nach können Klagen den Betrieb verzögern, die endgültige Verhinderung ist aber eine politische Entscheidung.
Wie realistisch ist eine solche politische Entscheidung?
Ich bin sehr optimistisch, dass wir es schaffen können. Auch das Atomkraftwerk Wyhl und die atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf wurden von der Politik schließlich aufgegeben. Letztlich haben Parteien, Politiker und sogar die Bundeswehr ein Image zu verlieren. Wer will schon mit aller Gewalt einen Kriegsübungsplatz durchsetzen, der permanent die Gelegenheit bietet, die Militarisierung von Außenpolitik und Gesellschaft zu kritisieren?
Interview: Peter Nowak
** Aus: Neues Deutschland, 17. Juli 2008
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