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Fast wie im Bürgerkrieg

Ausnahmezustand in Frankfurt am Main: Versammlungen verboten, Demos verboten, Konzert verboten. Tausende Polizisten sollen Protest gegen Banken verhindern

Von Gitta Düperthal *

Tausende Polizisten riegeln ab Mittwoch das Bankenviertel in Frankfurt am Main ab, jede öffentliche Versammlung und Meinungsäußerung sind dort untersagt, U- und S-Bahn-Stationen in der Innenstadt werden nicht mehr angefahren. Das Occupy-Camp unter der Europäischen Zentralbank (EZB) muß geräumt werden. Angesichts der bis Samstag geplanten Proteste gegen die EU-Krisenpolitik hat die schwarz-grüne Stadtregierung von Frankfurt am Main auf autoritäres Durchgreifen geschaltet. »Natürlich wird die U-Bahn am Willy-Brandt-Platz vor der EZB gesperrt, denn das ist genau die Ecke, wo die Polizeikette stehen wird«, sagte Thomas Scheben vom städtischen Presseamt zu junge Welt. »Wenn sich alle an diese Verbote halten, gibt es kein Problem.«

Davon ist jedoch nicht auszugehen. Auch wenn das örtliche Verwaltungsgericht das Verbot aller Versammlungen für Donnerstag und Freitag bestätigt hat: Das Blockupy-Bündnis aus ATTAC, Erwerbslosenforum Deutschland, Occupy und Interventionistischer Linker geht davon aus, daß noch nicht das letzte Wort gesprochen ist. »Wir halten an unseren geplanten Aktionen fest und empfehlen, sich zeitnah auf der Internetseite unter www.blockupy-Frankfurt.org zu informieren«, empfiehlt Roland Süß von ATTAC.

»Die Polizei malt ein Bedrohungsszenario aus, als ob morgen ein Bürgerkrieg beginnt«, kritisiert Martin Behrsing vom Erwerbslosenforum Deutschland. Die vom Gericht verfügte Auflage, die Großdemo am Samstag dürfe nur stattfinden, wenn »alle brav sind und es am Donnerstag und Freitag nicht zu Protesten kommt«, hält er für abenteuerlich. Spätestens das Bundesverfassungsgericht werde dieses Urteil kassieren.

Mittlerweile fast 100 Organisationen rufen zu »Blockupy Frankfurt« auf. Zunächst geht es ihnen um gewaltfreien Widerstand gegen eine Räumung am Mittwoch. Für Donnerstag fordert das Komitee für Demokratie und Grundrechte dazu auf, um 12.00 Uhr auf dem Paulsplatz dagegen zu protestieren, daß in Frankfurt die demokratischen Grundrechte außer Kraft gesetzt werden – aber auch diese Versammlung wurde bereits untersagt.

Ulrich Wilken von der hessischen Linkspartei fühlt sich »an Zustände in diktatorisch regierten Ländern« erinnert. Die friedenspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Christine Buchholz, findet die Reaktion der Stadt, die sogar ein Konzert des Liedermachers Konstantin Wecker verboten hat, »in höchstem Maße undemokratisch«. Sie wolle am Mittwoch morgen im Occupy-Camp dabei sein.

Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Jochen Nagel, kritisierte, wie in Griechenland und in Italien werde jetzt auch in Deutschland versucht, Bürgerrechte einzuschränken. Er halte daran fest, am Donnerstag auf öffentlichen Plätzen mit Gewerkschaftern aus anderen europäischen Ländern zu debattieren. Und er werde am Freitag mit Vertretern der Linkspartei über »Alternativen zur Krisenpolitik« diskutieren. Und Samstag werde er auf der Kundgebung der Großdemonstration sprechnen.

Der Sprecher des Friedensratschlags, Peter Strutynski, fühlt sich durch »die blindwütige Verbotspolitik der Stadt Frankfurt« »in fataler Weise an Zustände in der Ukraine oder Belarus« erinnert, die hierzulande ansonsten immer so gern lauthals kritisiert werden«. Das zeige, »wer in unserem Land wirklich das Sagen hat: Gegen die Regierung zu demonstrieren, ist noch erlaubt, wenn es aber gegen die Banken geht, hört jeder Spaß auf.«

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 16. Mai 2012


Blockadepanik

Von Markus Drescher **

Es reichte allein die Ankündigung: Plätze in der Innenstadt von Frankfurt am Main sollen für ein paar Tage als Zeltplatz für Demonstranten dienen. Das Bankenviertel und speziell die Europäische Zentralbank sollen für einen Tag blockiert werden. Schon brach Panik aus im Rathaus der Mainmetropole. Ideologische Panik! Menschen wollen sich das Recht nehmen zu protestieren: massenhaft, über Tage sichtbar, in unmittelbarer Nähe derer, die mitverantwortlich sind für die Krise und deren angebliche Lösung, spürbar - wenigstens für einen Tag.

Das alles kann offensichtlich nicht hingenommen werden. Den kapitalistischen Verwertungsalltag stören? Gibt's nicht! Nicht in Mainhattan. Dem Demonstrationsrecht und der Versammlungsfreiheit werden Berufsfreiheit und Schutz des Eigentums entgegengestellt, um Verbote zu rechtfertigen. Immer wieder schön zu erfahren, was in Deutschland Priorität genießt. Dabei spielen sich in Frankfurt noch nicht einmal Krisenproteste ab, die getrieben sind von einer großen wirtschaftlichen Not vergleichbar der in Griechenland. Wie demokratisch wird es wohl zugehen, wenn die Krise auch hier richtig zu spüren ist?

Eine Protestform für diesen Fall wird ab heute in Frankfurt erprobt. In Dresden und anderswo erfolgreich an Nazis getestet, werden Blockaden nun nach und nach auf andere politische Auseinandersetzungen übertragen. Und die Panik der Mächtigen, die sie auslösen, spricht für sie. Nichts scheint ihnen mehr Angst zu machen als ziviler Ungehorsam.

** Aus: neues deutschland, Mittwoch, 16. Mai 2012 (Kommentar)


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