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"Die Bewegung darf nicht auf Europa beschränkt bleiben"

Eine pakistanische Gewerkschafterin will an den Blockupy-Protesten in Frankfurt am Main teilnehmen. Ein Gespräch mit Zehra Khan *


Zehra Khan ist Generalsekretärin der HBWWF (Home Based Women Workers Federation – Frauengewerkschaft der Heimwerkerinnen) mit Sitz in Karatschi in Pakistan.

Sie haben an der Konferenz »Umverteilen« am Wochenende in Berlin teilgenommen und wollen auch dabeisein, wenn Blockupy-Aktivisten am Freitag in Frankfurt am Main Banken blockieren. Wie ist Ihr Eindruck von diesen Aktivitäten in Europa?

Ich finde es gut, wenn der Kapitalismus bekämpft wird. In Berlin haben wir über die ungerechte Verteilung der Ressourcen diskutiert, z. B. über den Kampf um den Zugang zu Trinkwasservorkommen. Auch darüber, daß immer mehr Schulen und Universitäten privatisiert werden. In meinem Heimatland Pakistan werden ebenfalls öffentliche Betriebe privatisiert, viele Arbeiter haben schon ihren Job verloren, darunter auch führende Gewerkschafter.

Wichtig ist, daß diese Bewegung nicht auf Europa beschränkt bleibt, sondern sich international ausbreitet.

Die Arbeitsbedingungen in Pakistan sind im Gespräch, seit bei einem Feuer in einer Textilfabrik in Karatschi Arbeiter bei lebendigem Leib verbrannt sind. Wie konnte es dazu kommen?

In Pakistan gibt es weder Vorschriften zur Sicherheit am Arbeitsplatz noch zum Gesundheitsschutz. Das war letztlich der Grund für diese Katastrophe in der Zulieferfabrik, die für den deutschen Discounter KIK Jeans, Shirts und andere Produkte fertigte. Am Tag des Brandes, am 11. September 2012, waren 500 Arbeiter dort, 265 sind nachgewiesenermaßen tot – vermutlich aber bis zu 300, nicht alle konnten bislang identifiziert werden.

Im ersten Stock der Fabrik waren Materialien und fertige Produkte gelagert, wodurch Notausgänge versperrt wurden. Nur wenige Menschen konnten sich deshalb durch einen Sprung aus dem Fenster retten. Viele hatten nicht einmal einen Arbeitsvertrag, Subunternehmer hatten sie angeheuert. Wir Frauen von der Gewerkschaft HBWWF (Home Based Women Workers Federation) waren als erste am 12. September auf der Straße, um zu fordern, daß sich etwas ändern muß. Wir begrüßen es daher, wenn jetzt europäische Aktivisten Druck auf die Konzerne wie KIK ausüben.

Bekommen die Opfer und ihre Angehörigen Entschädigung?

KIK will eine Million Dollar zahlen – wir fordern aber 20 Millionen. Viele Opfer waren zwischen 15 und 29 Jahre alt. Sie hätten noch ein ganzes Leben lang zur Versorgung ihrer Familien beitragen können.

Sie vertreten in der Frauengewerkschaft Arbeiterinnen, die in Heimarbeit Textilien herstellen. Wie sind deren Arbeitsbedingungen?

Die 4000 bei uns organisierten Heimwerkerinnen verdienen weniger als die Fabrikarbeiterinnen, die in Pakistan Anspruch auf knapp 64 Euro Mindestlohn monatlich haben. Trotz 14 Stunden Arbeitszeit pro Tag reicht das kaum zum Überleben. Wir fordern erstens, die Mindestlöhne wenigstens zu verdoppeln; und zweitens, daß auch Heimwerkerinnen sie erhalten. Außerdem verlangen wir gesetzliche Regelungen in bezug auf Arbeitslohn, Arbeitszeit und Sozialleistungen sowie das Recht auf freie gewerkschaftliche Betätigung.

Führt die Frauengewerkschaft einen feministischen Kampf?

Ich selber bin Feministin, andere sind auf dem Weg dahin. Viele Heimwerkerinnen werden erstmals mit unseren Kämpfen um Arbeit und Lohn aktiv. Bisher hatten sie sich kaum aus dem Haus getraut, jetzt diskutieren sie schon untereinander, sprechen vielleicht sogar mit Journalisten oder gehen auf die Straße.

Was unterscheidet Europäerinnen von pakistanischen Frauen?

Pakistanische Frauen sind stärker an Familientradition und Religion gebunden; Europäerinnen sind emanzipierter. Aber bei der Blockupy-Pressekonferenz in Frankfurt am Main habe ich festgestellt, daß auch in Europa mit der Emanzipation noch einiges im Argen liegt: Es waren fast nur männliche Journalisten dort, Sie waren eine der wenigen Frauen.

Interview: Gitta Düperthal

http://blockupy-frankfurt.org

* Aus: junge Welt, Mittwoch, 29. Mai 2013


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