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Einsatz in Mainhattan

Für "radikale Demokratisierung": Am kommenden Freitag wollen "Blockupy"-Aktivisten das Frankfurter Bankenviertel lahmlegen

Von Gitta Düperthal *

Im Herzen des europäischen Krisenregimes, am Sitz der Europäischen Zentralbank (EZB) in Frankfurt am Main, will die »Blockupy«-Bewegung in dieser Woche ein kämpferisches Signal der Solidarität für alle Betroffenen der aktuellen Spar- und Kürzungspolitik setzen. Beim Pressegespräch zum Auftakt der Aktionstage am Montag stellten Sprecherinnen und Sprecher des Bündnisses die Ziele klar: Schwerpunkt der geplanten Aktionen zivilen Ungehorsams soll zunächst am kommenden Freitag die Blockade der EZB sein. Eine internationale Großdemonstration soll am Samstag stattfinden, das Bündnis rechnet mit 20000 Teilnehmern. Das Aktionscamp am Rebstock wird gegenwärtig schon bezogen. Zelte werden aufgebaut, bereits Anfang der Woche werden dort Veranstaltungen stattfinden. Geplant sei, am Freitag in den frühen Morgenstunden die Zugänge zur EZB massenhaft zu blockieren, so die Sprecherin des Bündnisses, Mareike Garbe. »Sollte es dort Absperrungen der Polizei geben, werden wir diese kreativ in unsere Proteste einbeziehen«. All dies richte sich jedoch nicht gegen die Beschäftigten in der EZB und den Bankentürmen. Auch wenn die Bewegung an diesem Tag verhindern wolle, daß dort gearbeitet wird, betonte sie.

Die Journalistenfrage, warum es denn zivilen Ungehorsam geben müsse, beantwortete Werner Rätz vom Netzwerk ATTAC: Dem gehe stets voraus, daß erstens »die Zustände unerträglich« geworden seien und zweitens die Erfahrung, mit legalen Mitteln »der Unbelehrbarkeit der regierenden Politiker« nicht mehr begegnen zu können. Eine radikale Demokratisierung müsse gefordert werden. Seit dem 2011 in der EU beschlossenen Fiskalpakt, der strenge Obergrenzen für Staatsschulden vorsieht, seien völkerrechtliche Verträge geschlossen werden, die nicht mehr kündbar seien. Stelle nun die EU-Kommission fest, daß ein Land ein höheres Haushaltsdefizit habe als erlaubt, laufe ein Sanktionsverfahren an, über das kein Parlament mehr Kontrolle habe. Tödliche Auswirkungen dieser Politik seien sowohl in Südeuropa als auch hierzulande bereits zu registrieren: Etwa in Griechenland, wo zahlreiche Menschen von der medizinischen Versorgung ausgeschlossen seien, aber auch in Berlin, wo im Winter bereits Obdachlose in der Kälte starben.

Im Anschluß an die EZB-Blockaden sind am Freitag Proteste vor der Deutschen Bank geplant – gegen Nahrungsmittelspekulation und »neokolonialem Landraub«. Ab 12.30 Uhr soll der Widerstand sich auch auf der Frankfurter Einkaufsmeile Zeil am Brockhaus-Brunnen ausbreiten. Damit will sich die Bewegung sowohl gegen die prekären Arbeitsbedingungen im deutschen Einzelhandel wenden, als auch die brutalen Verhältnisse der globalen Textilproduktion thematisieren, so Martin Sommer vom Bündnis »Ums Ganze«, das bei »Blockupy« mitwirkt.

Als weiterer Schwerpunkt, ebenfalls am Freitag, sind um 13 Uhr Proteste gegen Abschiebungen am Frankfurter Flughafenterminal 1 geplant. Die Stadt habe prompt ein Demoverbot für diesen Ort erlassen. Gegen diese Verfügung reiche »Blockupy« beim Frankfurter Verwaltungsgericht einen Eilantrag ein, sagte Sommer.

Die Hochschulgruppe Die Linke.SDS, die am Dienstag um 16 Uhr zur Mobilisierungsveranstaltung mit Sahra Wagenknecht unter dem Titel »Freiheit, Kapitalismus, Krise« einlädt, hat gleichfalls mit Verboten zu kämpfen: Das Präsidium der Goethe Universität Frankfurt entzog kurzfristig seine Zusage für das Hörsaalzentrum Saal 2. Das Vorgehen der Universitätsleitung bezeichnet der Frankfurter SDS-Sprecher Noah Zeise gegenüber junge Welt als skandalös. Die Veranstaltung werde trotzdem stattfinden.

www.blockupy-frankfurt.org

* Aus: junge Welt, Dienstag, 28. Mai 2013


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