"Wir werden gegen die Verbote Klage einreichen"
Veranstalter wehren sich gegen Aufhebung des Versammlungsrechts in Frankfurt/Main. Gespräch mit Thomas von "Occupy Frankfurt"
Thomas gehört »Occupy Frankfurt« an. Er will seinen vollständigen Namen nicht nennen, weil die Bewegung keinen offiziellen Pressesprecher etablieren will. Er ist einer der Anmelder für »Blockupy Frankfurt« und Veranstalter der kapitalismuskritischen Aktionstage vom 16. bis 19. Mai.
Die Stadt Frankfurt am Main hat alle Veranstaltungen der kapitalismuskritischen Aktionstage vom 16. bis 19. Mai von »Blockupy Frankfurt« untersagt, weil sie darin eine »Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung« sieht. Wie gehen Sie mit dem Verbot um?
Wir gehen davon aus, daß das Verbot weder juristisch noch praktisch Bestand haben wird. Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit werden wir uns nicht nehmen lassen. Oder leben wir etwa in einer Diktatur? Sobald uns die Verbotsverfügungen vorliegen, werden wir dagegen Klage beim Verwaltungsgericht einreichen. Teilnehmer bereiten sich seit Wochen auf die Aktionstage vor. Sie kommen teilweise von weit her, haben Tickets für die Busse gekauft – einer wird sogar aus Tunis eintreffen. Niemand wird sich abhalten lassen, gegen die Krisenpolitik der Troika aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Frankfurt zu protestieren.
Von dem Verbot aller von uns angemeldeten Aktionen und Demonstrationen haben wir Veranstalter erst am Freitag nachmittag um vier Uhr erfahren – aus der Presse!
Warum meinen Sie, daß die Verbotsgründe keinen Bestand haben werden?
Eine Demonstration zu verbieten, weil die Demonstration einer anderen Organisation Gewalt beinhaltet habe, ist absurd. Will man die Versammlungsfreiheit gänzlich abschaffen? Aus unserem Aufruf auf unserer Internetseite geht hervor, daß es einen Aktionskonsens gibt, der keine Eskalation vorsieht. Wenn die Stadt argumentiert, es gäbe angeblich geheimdienstliche Erkenntnisse, daß Gruppen Gewalt planen, hätte man uns Veranstalter als erste darüber informieren müssen – nicht die Presse.
In einer Erklärung konstatieren Sie, die vom Presse- und Informationsamt (PIA) der Stadt herausgegebene Verbotsbegründung enthalte Lügen. Was konkret meinen Sie?
Die Begründung liegt uns übrigens nur vor, weil Dritte sie uns zugespielt haben – auch eine Unverschämtheit. Darin ist von »intensiven Gesprächen« zwischen Ordnungsamt und Veranstaltern die Rede: Es hat nur ein einziges stattgefunden. Dann ist die Rede von Alternativvorschlägen der Stadt, auf die wir uns angeblich nicht hätten einlassen wollen. Das ist Unsinn. Werner Rätz von ATTAC hat am 30. April richtigerweise in junge Welt beklagt, daß es keine ernst zu nehmenden Vorschläge gegeben hatte. Auch wenn es heißt, 40000 würden vier Tage lang die Stadt lahm legen, ist das gelogen. Nur für die Großdemo am Samstag haben wir so viele Teilnehmer angemeldet, für die anderen Tage weniger.
Die Frankfurter Stadtverordneten hatten sich am Donnerstag mehrheitlich dafür ausgesprochen, das Occupy-Camp vor der EZB nicht zu räumen. Auch die Frankfurter Polizei hat abgeraten, weil sie ansonsten Gewalt bei den Mai-Protesten befürchtete. Warum steht das Camp dennoch seit Wochen unter Streß?
Rumänische Staatsbürger sollten den Platz verlassen, hieß es zunächst. Einige sind daraufhin »freiwillig« gegangen; andere – unter anderem eine schwangere Frau – wußten nicht, wohin. Wir sind erstaunt über diese Auflage der Stadt: Sie ist seit Monaten informiert, daß Rumänen im Camp leben, hat aber ihre soziale Verantwortung nicht wahrgenommen. Zelte sollten plötzlich in gewissen Abständen von Bäumen stehen – haben wir gemacht. Dann der Streit um den Müll, dessen Entsorgung wir finanzieren sollen: Nach Versammlungsrecht muß die Stadt dafür aufkommen. Wir meinen, daß die Stadt Druck ausübt, um uns zum Aufgeben zu bringen.
Manuel Stock, Fraktionsvorsitzender der Frankfurter Grünen, tönt in der Frankfurter Rundschau, »Räumung als letzte Konsequenz kann man nie ausschließen«. Sind Sie enttäuscht von den Grünen?
Bei »Blockupy« wirkt der Bundesverband der Grünen Jugend mit. Ich schätze, daß man dort über Stocks Zugeständnis an den Koalitionspartner, die Frankfurter CDU, »not amused« ist und ihm dies mitteilen wird.
Interview: Gitta Düperthal
www.blockupy-frankfurt.org
* Aus: junge Welt, Montag, 7. Mai 2012
Proteste gegen Blockupy-Verbot
Bündnis will klagen. Tausende Unterschriften für Demonstrationsfreiheit **
Mit Aktionen haben am Wochenende und am Montag bundesweit Tausende Menschen gegen das von der Stadt Frankfurt am Main angekündigte Verbot der
»Blockupy-Aktionstage« vom 16. bis 19. Mai Einspruch erhoben. Mehr als 2000 Menschen unterzeichneten bis zum Montag nachmittag eine Erklärung im Internet, in der es heißt: »Dieses Verbot ist eine offene Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Demonstrationsrechts. Wir bestehen darauf, daß der Protest gegen die Krisenpolitik auch im Frankfurter Bankenviertel und am Sitz der EZB stattfinden kann, so wie es auch der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes entspricht.« Zu den Unterzeichnern zählen Künstler wie Konstantin Wecker und Politiker, darunter der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im hessischen Landtag, Thomas Spies, Andrea Ypsilanti von der SPD Hessen, der Grünen-Europaparlamentarier Sven Giegold und die Bundestagsabgeordnete Sahra Wagenknecht von der Linken. Ebenfalls unterschrieben haben zahlreiche Gewerkschafter, Vertreter der Friedensbewegung und Wissenschaftler.
Die Frankfurter Ordnungsbehörden hatten am Freitag nachmittag in einer Pressemitteilung angekündigt, alle Blockupy-Aktionen zu verbieten, einschließlich der Demonstration am 19. Mai. »Die Proteste werden sich weder juristisch noch de facto verhindern lassen. Wir fordern die Stadt auf, zur Vernunft zu kommen und das Verbot zurückzunehmen«, sagte Werner Rätz, der für Blockupy an den Unterredungen mit der Kommune teilgenommen hat. Sollte die Stadt bei ihrem Verbotsvorhaben bleiben, wird das Bündnis wie angekündigt klagen, kündigte der Blockupy-Vertreter an.
Die Gruppierung wies Behauptungen des Frankfurter Ordnungsdezernenten Markus Frank zurück, wonach »in regelrechten Trainingscamps in Berlin, aber auch in Italien derzeit gewalttätige Aktionen bei den Blockupy-Tagen in Frankfurt vorbereitet werden« (Frankfurter Rundschau am Freitag). Blockupy-Sprecher Martin Behrsing nannte die Vorwürfe absurd: »Franks Mutmaßungen entbehren jeder Grundlage und dienen offenkundig dazu, die geplanten Aktionen im Vorfeld zu kriminalisieren.« Tatsächlich gab es in zahlreichen Städten wie Berlin, Bonn und Frankfurt öffentliche Aktionstrainings, bei denen sich die Presse und Passanten vom deeskalierenden Verhalten der Teilnehmer überzeugen konnten.
** Aus: junge Welt, Dienstag, 8. Mai 2012
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