Für eine politische Lösung des Nahost-Konflikts - Spart endlich an der Rüstung! - Friedenspolitik muss endlich Präventionspolitik werden"
Im Wortlaut: Die Aufrufe des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Antikriegstag 2006
Seit vielen Jahren wird der 1. September von der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung als "Antikriegstag" begangen - zur Erinnerung und Mahnung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs, den die faschistische deutsche Wehrmacht mit dem Überfall auf Polen entfesselte. In diesem Jahr nimmt in den zahlreichen Aufrufen, die von örtlichen und überörtlichen Friedensinitiativen verfasst wurden, der Nahostkonflikt eine prominente Stellung ein. Kaum ein Aufruf, in dem nicht an den zurück liegenden israelischen Krieg gegen Libanon erinnert wird, an den brüchigen Waffenstillstand, der zur Zeit an der israelisch-libanesischen Grenze herrscht, an die kriegerischen "Strafaktionen", welche die israelische Armee nach wie vor im Gazastreifen und im Westjordanland gegen Palästinenser durchführt, oder an die sich wieder zuspitzende Auseinandersetzung zwischen den USA und dem Iran wegen dessen Atomprogramms.
In manchen Aufrufen finden sich Hinweise auf die Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesregierung, die in den Augen der Friedensbewegung in eine falsche Richtung führt: Immer mehr für die Rüstung, immer mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr und die anhaltende Diskussion um den Einsatz der Bundeswehr im Inneren sind hier die beherrschenden Themen. Sie münden nicht selten in die Aufforderung, doch endlich bei den Rüstungsausgaben zu sparen und die frei werdenden Mittel statt dessen in soziale und Bildungsprogramme zu stecken.
Der Aufruf des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) betont neben dem israelisch-libanesischen bzw. israelisch-palästinensischen Konflikt - hier werden humanitäre Leistungen der EU eingefordert - die anhaltend kriegerische Situation im Irak und verlangt ein Ende der ausländischen Besetzung des Landes. Darüber hinaus wird eine präventive Politik vorgeschlagen, die an den wirklichen Ursachen von Gewaltkonflikten ansetzen, wobei "ökonomische Interessen" eine immer wichtigere Rolle spielen.
In den Aufruf des "Bundesausschusses Friedensratschlag" scheinen viele Überlegungen und Positionen der sehr vielfältigen Friedensbewegung eingeflossen zu sein.
Im Folgenden dokumentieren wir beide Aufrufe im vollen Wortlaut.
23.08.2006: Pressemitteilung 105
Erklärung des DGB zum Antikriegstag 1. September 2006
Mit dem Überfall des nationalsozialistischen Deutschlands auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Im Angedenken an die Opfer dieses Krieges mit mehr als 60 Millionen Toten hat der DGB den Antikriegstag ins Leben gerufen. Das Motto "Nie wieder Krieg" des 1. Antikriegstages 1957 ist in weiten Teilen Europas Wirklichkeit geworden, worauf wir stolz sein können. Das ist auch ein Ergebnis des europäischen Zusammenwachsens und der Europäischen Union.
Von einem Weltfrieden sind wir jedoch weit entfernt. Mit großer Sorge
beobachtet der DGB, wenn politische Konflikte zwischen Staaten, aber auch zwischen widerstreitenden gesellschaftlichen Gruppen innerhalb eines Landes mit Waffengewalt gelöst werden sollen. Der weltweit operierende Terrorismus ist zu einer der größten Herausforderungen für unsere demokratisch verfassten Gesellschaften geworden.
Hauptleidtragende von Krieg und Terror ist immer die Zivilbevölkerung. Vor allem Frauen und Kinder, alte Menschen, ethnische oder religiöse Minderheiten sind die Kriegsopfer. Diese Menschen zu schützen muss nach Ansicht des DGB das vordringlichste Ziel aller friedensschaffenden Maßnahmen sein.
Die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten und die jüngsten kriegerischen Auseinandersetzungen im Libanon fordern auf beiden Seiten wieder hauptsächlich Opfer aus der Zivilbevölkerung. Eine gerechte Friedensregelung in dieser Region ist wieder in weite Ferne gerückt.
Umso dringlicher fordert der DGB daher die EU auf, ihr gesamtes politisches Gewicht einzubringen, um nicht nur die Waffen im israelisch-libanesischen Grenzgebiet zum Schweigen zu bringen, sondern auch endlich eine dauerhafte politische Lösung des jahrzehntelang schwelenden Konfliktes zu erreichen. Dazu gehören sichere und anerkannte Grenzen für Israel, ein lebensfähiges palästinensisches Staatswesen und ein souveräner Libanon. Der DGB setzt sich dafür ein, dass die Bundesregierung und die EU schnellstmöglich humanitäre Hilfe für die Vertriebenen und Obdachlosen im nahöstlichen Krisengebiet und ihren Beitrag zum Wiederaufbau leisten.
Der DGB hat sich in der Vergangenheit wiederholt gemeinsam mit seinen europäischen und internationalen Schwestergewerkschaften gegen den Krieg im Irak ausgesprochen. Die zunehmende Gewalt und die wachsende Zahl ziviler Opfer im Irak zeigen auf dramatische Weise, dass dieses Land unter dem Besatzungsregime keine Fortschritte auf dem Weg zu Frieden und Freiheit gemacht hat. Im Gegenteil: Die Präsenz ausländischer Truppen hat zur Eskalation der innergesellschaftlichen Gewalt beigetragen. Die Besetzung des Iraks muss ein Ende haben. Unter Führung und Kontrolle durch die Vereinten Nationen muss ein Prozess der Befriedung dieses Landes eingeleitet werden.
Für eine langfristig angelegte globale Friedenspolitik gilt es, verstärkt die Hauptursachen von Kriegen und Gewalt in den Blick zu nehmen. Ökonomische Interessen dringen immer weiter in den Vordergrund. Nach wie vor aber zählen soziale Ungleichheit, politisches Unvermögen sowie kulturelle und religiöse Unterdrückung zu den Ursachen von Kriegen. Ihre Beseitigung ist die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Friedenspolitik. Friedenspolitik muss endlich Präventionspolitik werden.
Aufruf des Bundesausschusses Friedensratschlag:
Für eine politische Lösung des Nahost-Konflikts - Spart endlich an der Rüstung!
Seit 1957 demonstrieren Friedensbewegung und Gewerkschaften am 1. September
Am 1. September 1939 überfiel die faschistische deutsche Wehrmacht Polen und entfesselte damit den II. Weltkrieg mit 60 Millionen Toten. „Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg!,“ lautete die Schlussfolgerung der Mehrheit der Deutschen nach dem Kriegsende 1945. Doch schon wenige Jahre später entwickelte die Regierung Adenauer neue Aufrüstungspläne. Ehemalige Nazigeneräle bauten die Bundeswehr auf und die Industrie begann wieder mit der Rüstungsproduktion. Die Bewegung gegen die Remilitarisierung konnte weder den Aufbau der Bundeswehr noch die Mitgliedschaft der Bundesrepublik in der NATO verhindern. Die DDR wurde Mitglied im Warschauer Pakt. Seit 1957 demonstrieren Friedensbewegung und Gewerkschaften am 1. September – dem Antikriegstag – gegen Aufrüstung und Krieg. Krieg darf kein Mittel der Politik sein!
NATO – Rüstungsweltmeister im weltweiten Einsatz
Der Kalte Krieg war vor allem eine Zeit der atomaren Aufrüstung, die von den USA und der NATO vorangetrieben wurde (Wettrüsten), und mit dem Zu-Tode-Rüsten der Sowjetunion endete. Nach dem Ende der Blockkonfrontation 1989/90 und der Auflösung des Warschauer Pakts löste sich die NATO nicht etwa auf, sondern dehnte sich in Richtung Osteuropa aus und begann unter Missachtung des eigenen NATO-Vertrags mit Militärinterventionen weit außerhalb ihres Bündnisgebiets. Die sichtbarsten Stationen waren Bosnien 1995, der völkerrechtswidrige Krieg gegen Jugoslawien 1999, der Krieg in Afghanistan und anderswo im Rahmen von „Enduring Freedom“ seit 2001.
Obwohl der Kalte Krieg vorbei ist, halten die Regierungen der NATO-Staaten 3,9 Millionen Soldaten, 24.000 Kampfpanzer, 7.500 Kampfflugzeuge und 350 Kriegsschiffe vor. Weltweit betragen die Rüstungsausgaben 1.118 Mrd. Dollar. Die NATO-Mitglieder sind daran zu 70 Prozent beteiligt. Die NATO stellt ab Herbst eine 25.000 Soldaten starke schnelle Eingreiftruppe (NRF) auf, die innerhalb von 14 Tagen weltweit eingreifen kann.
Bundeswehr – Aufrüstung für Kanonenbootpolitik
Seit dem Ende des Kalten Krieges wird auch die Bundeswehr für weltweite Militäreinsätze umgerüstet. Spätestens in vier Jahren sollen 35 000 „Eingreifkräfte“ für die NRF der NATO und die schnelle Eingreiftruppe der EU, inklusive ihrer Speerspitze, den Battlegroups, bereit stehen. Mit 14 000 „Stabilisierungskräften“ will die Bundeswehr ständig an fünf Orten gleichzeitig im Einsatz sein können. Dafür sind insgesamt 70 000 Soldaten vorgesehen. Dazu kommen 147 000 Soldaten „Unterstützungskräfte“.
Trotz angeblich leerer Kassen und Kürzungen im Sozialbereich soll der Rüstungshaushalt in den nächsten drei Jahren noch um eine Milliarde Euro wachsen, um neue Angriffswaffen für die „Eingreifkräfte“ zu bezahlen. Eurofighter werden mit 600 Marschflugkörpern ausgerüstet, die noch in 350 km Entfernung treffen können. Fünf neue Korvetten erhalten ebenfalls Marschflugkörper. Ihre Aufgabe: von See aus fremdes Land beschießen. Dies kann nur als Kanonenbootpolitik bezeichnet werden.
Weißbuch der Bundeswehr – für grenzenlose Angriffsfähigkeit
Ein neues Weißbuch soll diese Politik für mindestens zehn weitere Jahre festschreiben. Als Begründung für die Aufrüstung der Bundeswehr für eine weltweite Angriffsfähigkeit werden im Weißbuchentwurf zwei Gründe genannt: terroristische Angriffe mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen und die Bedrohung des Rohstoff- und Warenverkehrs vor allem durch kriminelle Piraterie. Diese Begründungen sind vorgeschoben. Es geht den NATO- und EU-Staaten vielmehr darum, eine geostrategische Dominanz aufzubauen, die im Interesse der Rohstoff- und Energiesicherung ihre Einflussgebiete im Mittleren Osten, Zentralasien, Afrika und gegenüber China sichert und ausbaut. Folglich fordert der Weißbuchentwurf: „wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands, sich insbesondere Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden“.
Das Grundgesetz steht dem im Wege. Verteidigungsminister Jung will es ändern: Der Verteidigungsbegriff soll so erweitert werden, dass sämtliche Bundeswehreinsätze als „Verteidigung“ gelten – egal ob am Hindukusch, im Kongo oder im Sudan. Terroristischen Angriffen soll vorbeugend begegnet werden können, indem sie den Verteidigungsfall auslösen können, sodass die Bundeswehr unmittelbar und ohne parlamentarische Behandlung im Inneren eingreifen darf. Die Trennung von innerer und äußerer Sicherheit, von Polizei und Armee würde damit verwischt, ein wesentliches Merkmal der Demokratie abgeschafft.
Nahostkonflikt – Für eine politische Lösung
Die wiederholten israelischen Aggressionen gegen das Nachbarland Libanon im Juli 1993, im April 1996 und seit dem 12. Juli 2006 (Auslöser: die Gefangennahme von zwei israelischen Soldaten durch die Hisbollah) haben jedes Mal das Blutvergießen auf beiden Seiten erhöht. Der völkerrechtswidrige Krieg gegen Libanon hat Hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben, Wohnraum und Infrastruktur zerstört und mehrere Tausend Menschen – zumeist Zivilpersonen – getötet und verwundet. Die Zahl der getöteten israelischen Soldaten und Zivilisten ist ebenfalls gestiegen. Das Ziel Israels, die Entwaffnung der Hisbollah, wurde nicht erreicht. Im Gegenteil, die Schlagkraft der Hisbollah wächst, ihr Ansehen bei der libanesischen Bevölkerung war noch nie so groß wie heute.
Der Teufelskreis von Gewalt und Gegengewalt muss endlich durchbrochen werden! Für das komplexe Problem zwischen Israel und Palästina und das iranische Atomprogramm gibt es keine militärische Lösung. Um langfristig Sicherheit im Nahen Osten zu gewährleisten, müssen alle Beteiligten in Verhandlungen einbezogen werden, auch die Hisbollah im Libanon und die rechtmäßig gewählte Hamas-Regierung in den Palästinensergebieten. Die Anerkennung Israels durch alle arabischen Nachbarstaaten muss einher gehen mit der Anerkennung von deren Sicherheitsinteressen, der Beendigung der israelischen Besatzung, der Gründung eines lebensfähigen palästinensischen Staates in den Grenzen von 1967. Der Nahe und Mittlere Osten muss zu einer atomwaffenfreien Zone werden.
„Krieg gegen den Terror“ gescheitert
Seit fast fünf Jahren befinden wir uns im von den USA ausgerufenen “Krieg gegen den Terror“, an dem sich auch die Bundeswehr beteiligt. Das Ergebnis ist - verglichen mit den vorgetragenen Kriegsbegründungen - verheerend. Irak, dem weder Massenvernichtungswaffen noch Unterstützung irgendwelcher Terroristen nachgewiesen werden konnten, droht im Bürgerkriegschaos zu versinken. Immer undurchsichtiger wird, wer da warum auf wen schießt und wer die Drahtzieher und Profiteure der Gewalt sind. In jedem Fall wächst der Hass auf die Besatzungsmächte, insbesondere die USA. Eine ähnliche Entwicklung scheint sich in Afghanistan anzubahnen, wo die angeblich im Krieg “vernichteten“ Taliban blutige Wiederauferstehung feiern und einzelne Warlords und Drogenbarone die Provinzen unter sich aufteilen.
Krieg löst eben kein Problem; auch nicht das Problem des Terrorismus! Krieg ist selbst Terror und bringt den Menschen nur Tod und Verwüstung. Krieg und Rüstung kosten zudem Geld, das für sinnvolle zivile Aufgaben fehlt.
Angesichts zweier Weltkriege, die von Deutschland ausgingen, sehen wir uns in der Verantwortung für den Frieden.
Deshalb fordern wir:-
Für einen gerechten Frieden im Nahen Osten
- Keinen Krieg gegen den Iran – Stopp der Kriegsvorbereitungen
- Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, weder in Nahost noch anderswo
- Frieden für den Irak – Abzug aller ausländischen Truppen
- Schluss mit der Umrüstung der Bundeswehr für weltweite Einsätze
- Kein Einsatz der Bundeswehr im Innern
- Keine Rüstungsexporte in Spannungsgebiete
- Abschaffung aller Atomwaffen – Abzug der US-Atomwaffen aus Deutschland
- Abrüstung statt Sozialabbau! – SPART ENDLICH AN DER RÜSTUNG!
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