Nie wieder Faschismus! Nie wieder Krieg!
Aufruf des Friedensnetzes Baden-Württemberg zum Antikriegstag 1. September 2001
Am 1. September 1939 begann mit dem Überfall des faschistischen Deutschlands
auf Polen der zweite Weltkrieg. Mit diesem Krieg brachte Deutschland zum
zweiten Mal im 20. Jahrhundert ungeheures Leid über Millionen von Menschen,
besonders in Osteuropa: 55 Millionen Menschen wurden getötet, davon allein 20
Millionen SowjetbürgerInnen, unzählige wurden verletzt und verstümmelt,
Hunderttausende zu Zwangsarbeit verschleppt, Tausende von Dörfern und
Städten wurden zerstört. Den Höhepunkt fand die faschistische Barbarei in der
systematischen und industriellen Ermordung von 6 Millionen Juden in den
Vernichtungslagern. Aus all diesem Grauen zogen überlebende AntifaschistInnen
die Konsequenz: "Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere
Losung. Der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser
Ziel." (Schwur von Buchenwald). Im Potsdamer Abkommen der Siegermächte
wurde festgelegt, dass Deutschland entnazifiziert, entmilitarisiert sowie
wirtschaftliche Macht durch die Entflechtung monopolistischer Großunternehmen
eingeschränkt werden sollte, damit von deutschem Boden nie wieder Krieg
ausgehen kann.
Jugoslawien und Mazedonien
Im Grundgesetz wurde als eindeutige Konsequenz aus dem deutschen
Faschismus das Verbot eines Angriffskriegs festgelegt. Auch in der UN-Charta ist
ein allgemeines Gewaltverbot verankert.
Dennoch beteiligte sich Deutschland im Rahmen der NATO am Krieg gegen
Jugoslawien. Die NATO brach das Völkerrecht, indem sie sich aus der Position
des Stärkeren heraus selbst zu einem Angriff auf Jugoslawien mandatierte.
Der Krieg gegen Jugoslawien löste kein einziges Problem. Das Gegenteil war der
Fall: Der Krieg hat unsägliches Leid über alle Menschen in der Region gebracht.
Die humanitäre Katastrophe, die angeblich mit dem NATO-Einsatz verhindert
werden sollte, wurde durch ihn erst ausgelöst. Der Vertreibung der
KosovoalbanerInnen, die nicht vor, sondern erst nach dem Eingriff der NATO
ihren Höhepunkt erreichte, folgte die Vertreibung von SerbInnen aus dem Kosovo
unter den Augen des NATO-Protektorates.
Unter der KFOR-Präsenz im Kosovo konnte die kosovo-albanische UCK fast
ungehindert ihren Aktionsradius auf Serbien und Mazedonien ausweiten. Erst vor
kurzem wurde bekannt, dass sich unter den aus Aracinovo (Mazedonien)
abziehenden UCK-Rebellen 17 frühere US-Offiziere als Instrukteure befanden und
die Ausrüstung, einschließlich modernster Nachtsichtgeräte der dritten
Generation, zu einem erheblichen Teil aus amerikanischen Beständen stammt.
In Mazedonien steht die Nato vor dem Offenbarungseid ihrer katastrophalen
Politik. Die nationalistischen Geister, die man einst rief, haben sich selbstständig
gemacht. Einerseits will man sich nicht erneut bedingungslos hinter die
UCK-Nationalisten stellen, da durch einen Sieg der UCK in Mazedonien die Gefahr
eines politisch unberechenbaren Großalbaniens näher rücken würde. Auf der
anderen Seite will man die Großalbanien-Verfechter auch nicht wirklich
bekämpfen - sei es um die eigenen Soldaten im Kosovo nicht zu gefährden, sei
es, weil man unter Ausnutzung der bürgerkriegsähnlichen Zustände den
NATO-Einfluss auf Mazedonien ausdehnen will.
In Mazedonien geht es in erster Linie darum, eine stabile, politische
Verhandlungslösung zu finden. Dafür ist ein Militärbündnis wie die NATO, das im
Kosovo-Konflikt die UCK noch als ihre Bodentruppen betrachtete, gänzlich
ungeeignet. Hierfür sind die Vereinten Nationen zuständig - bei Erfolg auch für
das Einsammeln von Gewehren. Eine weitere Selbstmandatierung der NATO und
damit die erneute Aushebelung der Vereinten Nation muss verhindert werden.
Es steht zu befürchten, dass beim Eingriff der NATO aus dem Einsammeln von
Waffen ein Kampf mit Waffen wird, der zu weiteren Destabilisierung des Balkans
mit unabsehbaren Konsequenzen für die Region und darüber hinaus führen kann.
Wir fordern die Bundesregierung auf sich gegen eine deutsche militärische
Beteiligung in Mazedonien und für eine Konfliktvermittlung unter Federführung
der UNO einzusetzen.
Aufrüstung der Bundeswehr
Die Bundesregierung hat eine Bundeswehrreform auf den Weg gebracht, die die
Verdreifachung der sogenannten "Krisenreaktionskräfte" auf 180 000 Soldaten
vorsieht: Kräfte, die nicht zur Verteidigung, sondern für Einsätze in fremden
Ländern aufgestellt, ausgerüstet und ausgebildet werden. Diese Streitkräfte dienen
nicht etwa zur Landesverteidigung sondern "der Sicherung von Märkten und
Rohstoffen in aller Welt", wie es in den "verteidigungspolitischen Richtlinien"
heißt.
Der Umbau der Bundeswehr in eine Interventionsarmee wird weitere Milliarden
verschlingen: Geplant ist nicht nur der Eurofighter (40 Milliarden), sondern auch
die Anschaffung eines neuen Transportflugzeuges, von neuen Hubschraubern,
Fregatten und Versorgungsschiffen, Panzerfahrzeugen, Marschflugkörper und
nicht zuletzt ein komplettes Satellitenprogramm für Kommunikation, Spionage und
Zielsteuerung.
Nationale Interessen
Die Durchsetzung nationaler Interessen ist auch in der Innenpolitik sichtbar.
Die Abschottung gegen Flüchtlinge hält an, während man bei der
Einwanderung nur diejenigen hereinlassen will, die der deutschen Wirtschaft
ökonomisch nutzen. Erschreckend ist auch die Hilflosigkeit gegenüber
faschistischen Tendenzen und faschistischem Terror in Deutschland. Obwohl
es inzwischen eine gut organisiertes Netzwerk der Rechtsextremen gibt, wird
die Gefahr von Politik und Öffentlichkeit immer noch unterschätzt oder
verharmlost. Da passt es ins Bild, dass es wieder eine zunehmende Ablehnung
gibt, sich mit dem Nationalsozialismus und seinen Folgen auseinander zusetzen.
Die jahrelange Weigerung, Zwangsarbeiter zu entschädigen, ist ein Beispiel
dafür.
Wer den Frieden will, muss den Frieden vorbereiten
Dies alles ist keine Friedenspolitik. Krieg darf kein Mittel der Politik sein. Den
Umbau der Bundeswehr zur Interventionsarmee sowie Bundeswehreinsätze in
aller Welt lehnen wir entschieden an.
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Friedenspolitik braucht keine Milliarden für Aufrüstungsprogramme, sondern
finanzielle Mittel für die Beseitigung von Hunger und Armut, sozialer Ausgrenzung
und Diskriminierung, die häufigsten Konfliktursachen in der Welt.
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Friedenspolitik braucht vor allem die politische Bereitschaft für die Herstellung
gerechter politischer und wirtschaftlicher Beziehungen zwischen den Ländern und
Menschen.
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Friedenspolitik braucht die Stärkung und Anerkennung von Systemen
gegenseitiger kollektiver Sicherheit wie UNO und OSZE statt ständiger
Aufrüstung und Aufwertung von einseitig interessengebunden Militärsystemen
wie der NATO und neuerdings auch der EU.
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Friedenspolitik braucht die Bereitschaft zu Solidarität und Gerechtigkeit zwischen
Menschen und Staaten, nicht die Bereitschaft zur Gewalt.
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