Airbase-Prozesse (Irak-Krieg 2003) gegen Friedensbewegung:
Verurteilung im Sitzblockade-Prozess - Richter erinnert an "Gerechten Krieg"
Im Folegnden dokumentieren wir eine Pressemitteilung aus Anlass eines Urteils in einem der vielen Verfahren gegen Friedensaktivisten, die mit Sitzblockaden vor der Airbase in Frankfurt gegen den Irakkrieg protestierten.
Das Amtsgericht Frankfurt verurteilte am 31. August 2007 die
Studentin Franziska Senze aus Münster unter dem Vorsitz von Richter
Fiebig zu einer Geldbuße von 100,- Euro wegen Verstoßes gegen das
Versammlungsgesetz. Senze hatte sich am 28.3.2003 an einer
Sitzblockade der Friedensbewegung gegen den Irak-Krieg vor der US-
Airbase Frankfurt beteiligt. Die Staatsanwaltschaft warf der
Angeklagten Uneinsichtigkeit vor, Richter Fiebig rügte, dass die
Angeklagte ihre Meinung zur Völkerrechtswidrigkeit absolut setze.
Sie sollte überlegen, ob es nicht auch "Gerechte Kriege" geben
könne.
Senze war zunächst wegen des Straftatvorwurfs der Nötigung (§ 240
StGB) verurteilt worden und hatte dagegen Revision eingelegt.
Zwischenzeitlich hatte das OLG Frankfurt in einem Parallel-Verfahren
entschieden, dass die Sitzblockaden gegen den Irak-Krieg nicht als
gewaltsame und verwerfliche Nötigung gewertet werden dürften. Senzes
Verfahren musste vor dem Amtsgericht neu aufgerollt werden.
Die Angeklagte nahm in ihrem Plädoyer für ihren gewaltfreien
Widerstand gegen den völkerrechtswidrigen Irak-Krieg den
rechtfertigenden Notstand in Anspruch. Als Zeugin eines Verbrechens
habe sie tätig werden müssen. In bestimmten Situationen könnten
formal rechtswidrige Handlungen dennoch rechtmäßig und geboten sein.
Sie habe mit ihrer Tat in der Logik von Verfassungs- und Völkerrecht
gehandelt und würde sich auch künftig genauso entscheiden. In diesem
Verfahren gelte es, die Verhältnismäßigkeit und die Gründe ihres
Handelns und die Völkerrechtswidrigkeit des Irak-Krieges zu
überprüfen und gegeneinander abzuwägen.
RA Thomas Scherzberg, Frankfurt, stellte als Verteidiger
Beweisanträge zur Einholung von verfassungs- und völkerrechtlichen
Sachverständigengutachten. Zur Völkerrechtsfrage sollten der
Richter am Bundesverwaltungsgericht, Dieter Deiseroth,
und die Völkerrechtler Norman Paech (MdB), Hamburg, und
Daniel-Erasmus Khan, München, befragt werden. Zur Frage
der Geeignetheit und rechtlichen Rechtfertigungsmöglichkeit Zivilen
Ungehorsams die Professoren Theodor Ebert, Berlin, Roland Roth,
Magdeburg, und Horst Schüler-Springorum, München. Die Beweisaufnahme
werde damit - so Rechtsanwalt Scherzberg - zu dem Ergebnis gelangen,
"dass das Verhalten der Angeklagten ... gerechtfertigt und geboten
war".
Alle Beweisanträge wurden jedoch vom Gericht pauschal und ohne
weitere Begründung abgelehnt. RA Scherzberg forderte dennoch ein
"mutiges Urteil", das angesichts der Völkerrechtswidrigkeit dieses
mit Lügen begonnenen Krieges möglich und nötig sei. Wundern müsse
man sich, dass die Staatsanwaltschaft nicht die Unterstützer des
Krieges verfolge. Senze betonte in ihrem Schlusswort, dass sie durch
die Ablehnung der Beweisanträge in ihren Prozessrechten verletzt
wurde.
Die Staatsanwaltschaft bedauerte in ihrem Plädoyer, dass aufgrund
der OLG-Entscheidung eine Verurteilung wegen einer Straftat nicht
mehr möglich sei. Da die Angeklagte keinerlei Einsicht zeige, drohe
außerdem Wiederholungsgefahr. Der Richter ersetzte in seiner
Urteilsbegründung Argumente durch Behauptungen. Er nannte das OLG
eine mit der Angeklagten und der Verteidigung verbündete Instanz;
sonst hätte er das Vergehen auch als Straftat verurteilen können.
Juristisch sei klar, dass es keine Rechtfertigungsgründe geben
könne. Außerdem solle die Angeklagte ihre Meinung nicht absolut
setzen und darüber nachdenken, ob es nicht doch "Gerechte Kriege"
geben könne. Strafmildernd kam für ihn in Betracht, dass die
Angeklagte ansonsten "ein anständiger junger Mensch" sei, so dass er
unter dem von der Staatsanwaltschaft beantragten Bußgeld von 150,-
Euro blieb.
Die Angeklagte und die Verteidigung hatten bereits bei der
Beweisaufnahme deutlich gemacht, dass sie gegen eine mögliche
Verurteilung Rechtsmittel einlegen werden. Dies wird nun in Form
einer Rechtsbeschwerde an das OLG vorgenommen werden.
Martin Singe, Komitee für Grundrechte und Demokratie, Köln
Manfred Stenner, Netzwerk Friedenskooperative, Bonn
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