Friedensratschlag: Truppen raus aus Afghanistan
Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
Kassel, 30. April 2009 - Zu den jüngsten Anschlägen gegen
Bundeswehrsoldaten im Norden Afghanistans und der Reaktion der
Bundesregierung darauf gab der Sprecher des Bundesausschusses
Friedensratschlag am Donnerstag in Kassel eine Stellungnahme ab:
Allen am Afghanistankrieg Beteiligten ist längst klar, dass die
militärische Mission der NATO auf der ganzen Linie gescheitert ist.
Siebeneinhalb Jahre nach Beginn des Krieges stecken die Besatzungsarmeen
tiefer im afghanischen Schlamassel als je zuvor. Nicht nur die Taliban
sind zurück, sondern immer größere Teile der Bevölkerung wenden sich
gegen das Marionettenregime in Kabul und seine internationalen Unterstützer.
Die beiden Anschläge vom Mittwoch in der Nähe von Kundus sind Ausdruck
sowohl der sich zuspitzenden Lage im ganzen Land als auch des
zerplatzten Traums eines relativ stabilen Umfelds im Norden
Afghanistans, dem bevorzugten Operationsgebiet der Bundeswehr. Zugleich
gerät das Konzept der "zivil-militärischen" Zusammenarbeit (CIMIC) und
der vor allem von der Bundesregierung so gepriesene "umfassende Ansatz"
("comprehensive approach") der NATO in die Bredouille. Der zivile Aufbau
des Landes lässt sich unter der Regie des Militärs nicht realisieren.
Soldaten sind nun einmal keine Aufbauhelfer und die Aufbauhelfer in den
Regionalen Wiederaufbauteams (PRT) sind in den Augen afghanischer
Widerstandskämpfer Kombattanten und damit legitime Kriegsgegner.
Die Sprache, derer sich Bundesaußenminister Steinmeier bei seinem Besuch
in Kabul gestern bediente, ist der Situation völlig unangemessen. Ein
Bombenattentat sowie eine bewaffneter Angriff auf Einrichtungen einer
als Besatzung empfundenen Armee sind keine "feigen und heimtückischen
Anschläge", wie Steinmeier sagte, sondern "normale" Handlungen in einem
Krieg. Der "Hinterhalt", in den eine Bundeswehr-Patrouille geriet, ist
nicht mehr und nicht weniger "feig und heimtückisch" als ein nicht
angekündigter Luft- oder Raketenangriff der NATO auf vermutete
Stellungen der Taliban (bei denen im Übrigen häufig zivile Opfer zu
beklagen sind). Die Sprache suggeriert eine moralische Asymmetrie: hier
die aufrechten Besatzungssoldaten der NATO, die nur das Gute wollen,
dort die feigen und menschenverachtenden radikalislamischen Taliban, die
nur Böses stiften.
Die Friedensbewegung setzt sich seit Jahren dafür ein, das
Besatzungsregime in Afghanistan zu beenden. Sie weiß sich darin in
Übereinstimmung mit der großen Mehrheit der Bevölkerung hier zu Lande
und mit allen Ernst zu nehmenden Experten. Die Regierungskoalition tut
alles, um das Thema Afghanistankrieg in der Öffentlichkeit zu
tabuisieren. So sollte etwa mit der Verlängerung des Einsatzmandats der
Bundeswehr erreicht werde, dass das Thema aus dem Bundestagswahlkampf
ausgeklammert bleibt. Diese Absicht will die Friedensbewegung mit
verstärkten dezentralen und zentralen Aktionen während des Wahlkampfs
durchkreuzen. Über einen "Fahrplan" hierzu berät der Bundesausschuss
Friedensratschlag am kommenden Sonntag bei einem Treffen in Kassel. Für
Anfang Juni ist ein Treffen der Kampagne "Truppen raus aus Afghanistan"
geplant, welcher der "Friedensratschlag" angehört.
Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski, Kassel
Anschläge verurteilt – Arbeit für bessere Zukunft fortsetzen
Do, 30.04.2009
Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Verteidigungsminister Franz Josef Jung haben die gestrigen Anschläge auf Soldaten der Bundeswehr in Afghanistan scharf verurteilt. Den Angehörigen des gefallenen 21-jährigen Hauptgefreiten aus Donaueschingen sprachen sie ihre Anteilnahme aus.
Jung verteidigte den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Er versicherte, das deutsche Engagement werde fortgesetzt. Der Einsatz diene der Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland, hob der Minister hervor. Diese Anschläge zeigten auch, dass der Einsatz der Bundeswehr für den Frieden mit Gefahren für Leib und Leben der Soldaten verbunden sei. Bei dem jüngsten Anschlag wurden neun weitere Soldaten verletzt.
Jung sprach von einem "hinterhältigen, verbrecherischen Anschlag". Nach Angaben des Ministeriums sind seit dem Beginn des Bundeswehreinsatzes 32 deutsche Soldaten ums Leben gekommen.
"Das war eine geplante, man könnte fast sagen eine militärisch geplante Aktion", sagte der Generalinspekteur der Bundeswehr, General Wolfgang Schneiderhan. Jung warnte, bei den Taliban handele es sich um einen "vernetzten intelligenten Gegner", der auch jede Möglichkeit zur medialen Selbstdarstellung nutze.
Kein Zusammenhang mit Ministerbesuch
Die Anschläge fanden zeitgleich mit einem unangekündigten Besuch des Außenministers in Afghanistan statt. Es gebe aber keine Erkenntnisse, dass ein Zusammenhang zwischen den Anschlägen und dem Besuch Steinmeiers bestehe, erklärten Jung und Schneiderhan.
Steinmeier besucht Afghanistan bereits zum vierten Mal in Afghanistan. Die afghanischen Bürger schätzten das deutsche Engagement sehr, erklärte Präsident Hamid Karsai. Der überwiegende Teil der Bevölkerung sei sehr zufrieden mit der deutschen Unterstützung für den Wiederaufbau und für mehr Stabilität, sagte Karsai.
Das afghanische Volk solle "die Dinge selbst in die Hand nehmen" können, beschrieb Steinmeier das Ziel des deutschen Engagements. Dies gelte auch für die Sicherheit im eigenen Land. Deshalb konzentriere sich Deutschland darauf, zukünftig mehr afghanische Polizei und Armee auszubilden.
Steinmeier verurteilte die Angriffe als "feige und heimtückische Anschläge". Deutschland dürfe sich aber auch von solchen Gewalttaten nicht davon abhalten lassen, "unsere Arbeit für eine bessere Zukunft dieses geschundenen Volkes fortzusetzen. Wir wollen dafür sorgen, dass das afghanische Volk nach vielen Jahren des Krieges und des Bürgerkrieges wieder auf die Beine kommt." Steinmeier setzt seinen Besuch heute in Masar-e-Sharif fort.
Zwei Patrouillen angegriffen
Bei mehreren Anschlägen im Bereich des regionalen Wiederaufbauteams Kunduz wurde gestern (29. April) ein Soldat getötet, neun weitere wurden verwundet.
Gegen 11.00 Uhr Ortszeit erfolgte ein Sprengstoffanschlag auf eine aus 26 Soldaten mit sechs geschützten Fahrzeugen bestehende Patrouille. Etwa zehn Kilometer südlich Kunduz zündete ein Selbstmordattentäter in seinem Pkw eine Sprengladung. Fünf Soldaten aus Bad Salzungen wurden durch die Folgen der Explosion leicht verwundet. Das getroffene geschützte Einsatzfahrzeug vom Typ Dingo wurde bei dem Anschlag schwer beschädigt.
Der zweite und folgenschwerere Anschlag ereignete sich am Abend ebenfalls in der Nähe von Kunduz. Gegen 18:35 Uhr Ortszeit geriet die aus insgesamt neun geschützten Fahrzeugen bestehende Patrouille etwa 17 Kilometer nordwestlich des Ortes in einen ersten Hinterhalt. Die 39 Soldaten wurden mit Handwaffen und mit Panzerabwehrhandwaffen beschossen. Sie erwiderten das Feuer und setzten die Fahrt fort. Rund eine halbe Stunde später geriet die Patrouille erneut in einen Hinterhalt. Im Verlauf des minutenlangen Feuergefechts wurde ein Dingo und ein Transportpanzer Fuchs durch Treffer mit Panzerabwehrwaffen beschädigt. Ein 21-jähriger Hauptgefreiter ist dabei gefallen, vier weitere Soldaten aus Donaueschingen wurden leicht verwundet.
Quelle: Website der Bundesregierung; www.bundesregierung.de
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