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Friedensratschlag widerspricht Bundesregierung

"Tarnen und Täuschen" um Afghanistan - Bundeswehr-Einsatz abbrechen

Im Folgehnden dokumentieren wir eine Pressemitteilung aus der Friedensbewegung, die sich mit dem neuen Afghanistan-Konzept der Bundesregierung befasst.



Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
  • Afghanistan: "Tarnen und Täuschen" der Bundesregierung
  • Zivile Hilfe statt Militäreinsatz
  • Bundeswehr-Einsatz muss abgebrochen werden
Kassel, 6. September - Zum Beschluss der Bundesregierung, den Militäreinsatz in Afghanistan fortzusetzen, ihn aber besser in der Öffentlichkeit zu "kommunizieren", bemerkt ein Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:

Wenn die Bundesregierung davon spricht, dass die ablehnende Haltung der Bevölkerungsmehrheit zum Afghanistan-Einsatz lediglich auf einem Informationsdefizit beruhe, dann unterschätzt sie nicht nur den Kenntnisstand der Bevölkerung, sondern lügt sich hinsichtlich der wirklichen Lage in Afghanistan auch in die eigene Tasche. Die Sicherheitslage ist nicht nur "problematisch", sie ist katastrophal und wird sich bei Fortsetzung der militärischen Präsenz nur weiter verschlechtern. Dies hat die bisherige Entwicklung gezeigt: Mit jeder Aufstockung der internationalen Truppenstärke (heute im Rahmen von OEF und ISAF insgesamt 48.000 Soldaten) ist der Widerstand im Land gewachsen, haben Angriffe auf Besatzungstruppen und terroristische Attentate zugenommen. Die Lage ist instabiler als je zuvor.

Die Behauptungen der Bundesregierung, das zivile Aufbauprogramm bedürfe weiter des militärischen Schutzes, sind so fernab der Realität, dass sie nicht einmal mehr in die Rubrik "Tarnen und Täuschen" (Bestandteil der Grundausbildung in der Bundeswehr) fallen. Vielmehr handelt es sich um eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit. Alle Hilfsorganisationen leisten in Afghanistan dann und dort gute Arbeit, wenn und wo sich keine Soldaten blicken lassen. Afghanistan stellt geradezu ein Musterbeispiel dafür dar, dass die von der Bundesregierung so viel gepriesene "zivil-militärische Kooperation" (CIMIC) in Wahrheit die Unterordnung ziviler Hilfe unter die militärischen Ziele bedeutet. Dies hat zur Folge, dass zivile Helfer als Teil der Besatzungsarmee wahrgenommen und im Zweifelsfall auch so behandelt werden. Deswegen, und nicht weil zu wenig Militär da ist, haben viele von ihnen bereits das Land verlassen oder haben das vor.

Über einen weiteren Punkt schweigt sich die Bundesregierung aus: ISAF ist vom UN-Sicherheitsrat ursprünglich geschaffen worden zur Unterstützung und Stabilisierung des Karsai-Regimes in Kabul. Diese Regierung hat aber keinerlei Unterstützung in der afghanischen Bevölkerung. Die Instabilität des Regimes wuchs mit der Anzahl der Truppen, die ins Land kamen. Selbst von den deutschen Truppen, die ihr Hauptquartier in Masar-i-Scharif haben und von denen kolportiert wird, dass sie – im Gegensatz zu den GIs – ein gutes Ansehen vor Ort genießen, wird mittlerweile berichtet, dass sie ihre Stellung gar nicht mehr verlassen. Soldaten schützen sich nur noch selber. Da können sie aber genauso gut wieder nach Hause geholt werden.

Die Aufstockung der Mittel für das zivile Aufbauprogramm ist nicht ausreichend. Immer noch klafft eine große Kluft zwischen den Ausgaben für das Militär und den Ausgaben für zivile Programme (etwa 4 zu 1). Ein Abzug der Bundeswehr würde wichtige Mittel für die Verbesserung der humanitären Lage im Land frei machen.

Sechs Jahre nach den Terroranschlägen von New York stellen wir noch einmal fest: Der größte Fehler wurde nach deem 11.9. 2001 gemacht, als Ex-Kanzler Schröder dem US-Präsidenten seine "bedingungslose Solidarität" in die Hand versprochen hatte. Ein Ergebnis davon war die Gefolgschaft in den Krieg am Hindukusch. Was seither "Krieg gegen den Terror" genannt wird, geriet vor den Augen der Welt zum gewöhnlichen Terror des Krieges. Und dabei macht es keinen Unterschied mehr, ob der Krieg von den Einheiten unter OEF-Kommando oder denen unter ISAF-Kommando geführt wird. Die Leidtragenden des Krieges sind doe Menschen in Afghanistan.

Die Friedensbewegung zieht ihre eigenen Schlüsse aus dem Desaster in Afghanistan und ruft für den 15. September zu einer bundesweiten Demonstration nach Berlin auf. Deren Motto lautet: "Frieden für Afghanistan - Bundeswehr raus".

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


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