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Recht statt Gewalt - Die Waffen nieder!

Rede von Wiltrud Roesch-Metzler beim Ostermarsch 2009 in Ellwangen


Wiltrud Roesch-Metzler *

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

es ist gut, dass wir hier zum Ostermarsch in Ellwangen zusammen gekommen sind, es ist gut, dass Sie heute öffentlich für Frieden einstehen.

"Die Waffen nieder!" ist ein Roman der Pazifistin Bertha von Suttner. Sie beschreibt darin, wovor ihr graute: Aufrüstung und Krieg. Sie konfrontiert uns mit den Kriegsgräueln von 1859, 1864, 1866 und 1870/ 71. Sie schreibt: "Der bewaffnete Friede ist keine Wohltat. Das Losungswort, das einzige Wort, welches noch imstande wäre, das dem Ruin entgegen rüstende Europa zu erlösen heißt: die Waffen nieder."

Bertha von Suttner kämpfte gegen den Krieg, der vorbereitet wurde. Im Jahr 1905 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Sie verstarb kurz vor Ausbruch des ersten Weltkriegs.

Ihr Erbe sind ihre Ideen, wie die Beziehungen zwischen Staaten ohne Gewalt geregelt werden können.
  • Bertha von Suttner machte sich stark für ein Internationales Schiedsgericht. dem sich Regierungen unterwerfen sollen. An Stelle der rohen Gewalt soll das Recht eingesetzt werden.
  • Sie setzte auf eine "Friedensunion aller Staaten". Diese Union soll jeden Angriff eines Staates gegen einen anderen mit gemeinschaftlicher Kraft zurückweisen
  • Und sie forderte einen internationalen Gerichtshof, der im Namen der Völker das Recht vertritt.
Heute, zwei Weltkriege und viele andere Kriege später sind viele ihrer Ideen verwirklicht. Wir haben die Vereinten Nationen, die den Frieden erhalten sollen, aber noch zu sehr von einzelnen Staaten abhängig sind. Wir haben den Internationalen Gerichtshof, der internationales Recht durchsetzen soll und wir haben den Internationalen Strafgerichtshof, der Verbrechen gegen die Menschlichkeit ahndet.

Heute haben wir eine Vorstellung davon, dass Menschenrechte und Völkerrecht die Alternativen zur Gewalt sind. Was Bertha von Suttner glaubte, dass Recht die Schwachen schützen soll, glauben wir heute um so mehr. Nur woran wir verzweifeln ist die Durchsetzung des Rechts.

An drei Beispielen möchte ich das deutlich machen, am Beispiel Nato, am Beispiel Afghanistan und am Beispiel Palästina.

Vor 60 Jahren wurde die NATO als westliches Verteidigungsbündnis gegründet. Als die Warschauer-Pakt-Staaten im Frühjahr 1991 ihr Bündnis auflösten, hätte dies auch das Ende der Nato sein müssen, denn der Nato stand kein Gegner mehr gegenüber. Doch statt dessen hat die NATO nur neue Rechtfertigungsmuster entwickelt. Seit 1990 unternimmt sie sogenannte "humanitäre Interventionen". Diese Militäreinsätze sollen angeblich Menschenrechte, Minderheiten, Demokratie und Frauen schützen. Militärische Gewalt wird politisch-moralisch verbrämt.

Die NATO hat außerdem eine Expansionspolitik nach Osteuropa betrieben. Damit hat sie das gegenüber Gorbatschow gemachte Versprechen gebrochen, auf eine solche Erweiterung zu verzichten. Diese Expansion muss nicht nur ein Ende haben. Die Nato gehört endlich aufgelöst.

Statt dessen wird weiter aufgerüstet: ein Raketenschild in Polen und Tschechien, was auch Obama leider noch nicht zurück genommen hat.

Heute denken wir auch an den Angriffskrieg der Nato gegen Serbien vor zehn Jahren, der am 24. März begann: dieser Angriff, der Massaker im Kosovo verhindern wollte, war gegen das Völkerrecht und tötete schließlich u.a. rund 2000 serbische Zivilisten. Wir lehnen Angriffskriege an. Nato Einsätze ohne Mandat des UN-Sicherheitsrates verstoßen gegen die eigene Nato-Satzung. Auch sie sind Grund die Nato aufzulösen.

Wir widersprechen einer NATO-Strategie, nach der auch wirtschaftliche Interessen der Mitgliedsstaaten mit militärischen Mitteln verfolgt werden, etwa wenn es um den ungehinderten Zugang zu den Rohstoff- und Energievorräten der Welt sowie um die Sicherung von Handelswegen, Märkten und Wohlstand geht. Die aktuelle NATO-Strategie nimmt das Töten für den Wohlstand billigend in Kauf, kritisiert etwa die katholische Friedensbewegung Pax Christi. Wenn die strukturelle Gewalt der gegenwärtigen Wirtschaftsbeziehungen überwunden wird, wenn allen der Zugang zu Ressourcen und Entwicklungsperspektiven eröffnet werden, dann können Frieden und Sicherheit für alle Menschen entstehen. Ein Bündnis, das sogar wirtschaftliche Interessen seiner Mitgliedsstaaten letztlich mit militärischen Mitteln durchsetzen soll und dazu selbst den Ersteinsatz von Massenvernichtungswaffen nicht ausschließt, ist eine Bedrohung für den Frieden.

Wir brauchen weltweit Organisationen für Sicherheit und Zusammenarbeit wie die OSZE unter dem Dach der UNO. Das internationale Gewaltmonopol muss bei den Vereinten Nationen liegen.

Mittelfristig ist eine totale atomare Abrüstung, Obama lässt hoffen, nötig und möglich. Kurzfristig müssen schrittweise die Rüstungsausgaben gesenkt werden, der Rüstungshandel muss kontrolliert werden. Ernsthafte Abrüstungsverhandlungen und der Rückzug aus den Auslandseinsätzen der NATO sind Gebot der Stunde. Eine Zukunft ohne NATO kann heute beginnen.

Das Beispiel Afghanistan

Nach den Terroranschlägen vom 11. September hat der UN-Sicherheitsrat reagiert. Er hat den Terroranschlag als eine Bedrohung des Weltfriedens eingestuft und Maßnahmen gegen Terrorismus angeordnet. Der schreckliche Anschlag sollte strafrechtlich geahndet werden. Eine Ermächtigung für Militär-Maßnahmen nach Artikel 42 der UN-Charta erteilte der Sicherheitsrat nicht. Auch das Selbstverteidigungsrecht gem. Art. 51 UN-Charta konnte nicht in Anspruch genommen werden. Aus diesen Gründen war auch eine Rechtfertigung des Einsatzes militärischer Mittel durch Art. 5 Nordatlantikvertrag nicht möglich.

Dann schaffte der Uno-Sicherheitsrat doch noch die völkerrechtliche Voraussetzung für die Einsetzung einer «International Security Assistance Force» (Isaf) für Afghanistan. Diese Schutztruppe mit robustem Mandat wurde von ihrem britischen Kommandanten eng mit der US-Antiterror Operation Enduring freedom verbunden.

Die UNO darf jedoch nicht zum Subunternehmen der USA werden.

Nach fast acht Jahren Krieg und Besatzung in Afghanistan ist die Aussichtslosigkeit dieser militärischen Aktionen zu sehen, die dem Land keinen Frieden gebracht haben. Laut angaben der Nachrichtenagentur ap kamen im Januar und Februar 2009 durch alliierte Truppen 100 afghanische Zivilisten ums Leben, durch die Taliban starben im selben Zeitraum 60 Zivilisten. Laut einer ARD-Umfrage wächst in Afghanistan der Hass auf den Westen.

Wir fordern von der Bundesregierung einen zeitlich abgestuften Abzugsplan der Bundeswehr aus Afghanistan. Angesichts der katastrophalen Entwicklungen in Afghanistan, im Irak und im Nahen Osten und der bedrohlichen Szenarien gegenüber dem Iran heißt das heutige Losungswort für friedliche Koexistenz: Dialog statt "Krieg gegen den Terror", und Stärkung des internationalen Rechts und der internationalen Organisationen.

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

die Alternative zur Gewalt ist das Völkerrecht. In Palästina, wo Völkerrecht nicht durchgesetzt wird, eskaliert Gewalt.

Was war das für ein Krieg gegen Gaza, in dem sich Israel auf sein Selbstverteidigungsrecht berief? Da hat die Besatzungsmacht Israel ihr ganzes Militär aufgeboten für eine Strafaktion gegen die eingesperrte unter Besatzung lebende Bevölkerung des Gazastreifens. Über 1300 tote Palästinenser, 13 tote Israelis, über 6000 Verletzte und 1,5 Milliarden Sachschaden sind das Ergebnis. Am Ende nur Leid und Zerstörung. Wir fordern eine internationale Untersuchungskommission, die Menschenrechtsverbrechen und Verbrechen gegen das humanitäre Völkerrecht aufdeckt. Die Bundesregierung darf diese Forderung in der EU nicht länger blockieren.

Dieser Krieg wäre vermeidbar gewesen. Vier Monate, von Juli bis Oktober 2008, ruhten die Granaten und Bombardierungen. Nach den Zahlen des israelischen Verteidigungsministeriums wurde im Juli eine Rakete aus dem Gazastreifen geschossen, im August acht, im September eine und im Oktober eine. Vier Monate hielt der ausgehandelte Waffenstillstand zwischen Hamas und Israel, der uns zeigt, dass friedliche Koexistenz möglich ist. Vier Monate hielt er, bis Anfang November die israelische Armee einen Palästinenserführer tötete.

Dass Völkerrecht in Palästina und Israel durchgesetzt wird, ist eine rechtliche Verpflichtung für Drittstaaten wie Deutschland. Das gilt besonders nach der Ankündigung der neuen israelischen Regierung, sich im Nahostkonflikt nicht an internationale Vereinbarungen halten zu wollen.

Wir brauchen eine andere Nahostpolitik.

Die Politik der strukturellen Gewalt, der Vertreibung, Enteignung und Entrechtung, der völkerrechtswidrigen Besatzung, der fortschreitenden Zerstückelung der Westbank durch israelische Siedlungen und Mauerbau und der Abriegelung des Gazastreifens muss sofort beendet werden.

Die Bundesregierung muss aufhören, diese völkerrechtswidrige Politik zu unterstützen und sich für eine sofortige Aufhebung der Blockade Gazas und ein Ende der israelischen Besatzung einsetzen!

Wir fordern von unserer Regierung auch ein Waffen-Embargo gegenüber Israel und Palästina. Die Waffen nieder!

Bis zum 17. April sammelt die Friedensbewegung Unterschriften. "Wir fordern einen andere Nahostpolitik". Unterschreiben können Sie hier vorne.

Wir selber müssen uns unserer gewaltfreien Mittel bewusst werden. Es gibt Firmen, die von der völkerrechtswidrigen Besatzungspolitik profitieren. Etwa das Unternehmen Heidelberg Zemet, das seit 2007 auch drei Firmen in Siedlungen im Westjordanland besitzt. Als Verbraucherinnen und Verbraucher sind wir aufgerufen genau zu prüfen, was wir einkaufen wollen und in welche Aktien wir investieren.

Wir stärken das Völkerrecht und damit die Zivilbevölkerung, wenn wir uns gegen Völkerrechtsverletzungen wenden.

Wir stärken den Frieden, wenn wir uns für Völkerrecht und Menschenrechte einsetzen, wie Sie es in Ihren Mahnwachen tun oder wie wir es bundesweit während der Friedensdekade im November unter dem Motto "Mauern überwinden" tun.

Dass wir derzeit keine Massenbewegung sind, ist nicht schlimm. Bertha von Suttner schrieb im Mai 1914, "Die bürgerliche Friedensbewegung bei uns ist wirklich von einer Schlappheit, die ihresgleichen sucht. Na, ja an der Spitze ein altes Weib! Wo sind die jungen kräftigen begeisternd dreinfahrenden?" Bertha von Suttner hoffte auf die Sozialdemokraten, dass es ihnen gelingen möge, den Krieg zu verhindern.

Können wir heute hoffen auf Parteien, Gewerkschaften und Kirchen, dass sie Nein sagen zur Beteiligung Deutschlands an Völkerrechts- und Menschenrechtsverstößen?

Jede und jeder, der an der Vision "Recht statt Gewalt - die Waffen nieder" festhält, ist ein Zeichen der Hoffnung.

Danke, dass Ihr gekommen seid. Auch Ostern besagt, dass Gewalt nicht das letzte Wort ist.

* Wiltrud Rösch-Metzler ist aktiv bei pax christi. Der Ostermarsch in Ellwangen fand am 11. April 2009 statt.


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