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Kontinuität im Einsatz für den Frieden - Obama marschierte mit - Politik muss nachziehen

Dokumentiert: Drei Erklärungen aus der Friedensbewegung zum Abschluss der Ostermärsche

Im Folgenden dokumentieren wir drei Presseerklärungen, die zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche veröffentlicht wurden, nämlich Erklärungen



Ostermärsche in guter Verfassung - und mit klaren Aussagen

Pressemitteilung des Bundesausschusses Friedensratschlag
  • Atomwaffen: Obama marschierte mit
  • Afghanistan: Massive Kritik an Obama
  • NATO: "Alphabetisierung der Bevölkerung" nötig
  • Der Osten holt auf
Kassel, 13. April 2009 - Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche erklärte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:

Die Organisatoren der über 70 Ostermärsche ziehen eine erfolgreiche Bilanz der Aktionen: Neben dem herausragenden Protest in Fretzdorf gegen die vom Verteidigungsministerium geplante Nutzung der Kyritz-Ruppiner Heide als Bombenabwurfplatz der Bundwehr, der rund 10.000 Menschen auf die Straße brachte, gab es größere Aktionen bereits am Samstag (u.a. in Berlin, Bremen, Düsseldorf, Kiel, Wedel und München). Jeweils mehr als tausend Teilnehmerinnen und Teilnehmer gingen am Ostermontag bei strahlendem Wetter u.a. in Dortmund, Frankfurt a.M., Hamburg auf die Straße. Weitere Friedensdemonstrationen mit jeweils mehreren hundert Menschen fanden in Bochum, Chemnitz, Kassel und Stendal statt. - Nach Auskunft des zentralen Ostermarschbüros in Frankfurt a.M. waren in diesem Jahr mehr Menschen unterwegs als vor einem Jahr.

Die beherrschenden Themen aller Ostermärsche waren die NATO, der Krieg in Afghanistan und die Atomwaffen. Die vorbehaltlose Zustimmung zu Obamas Vision einer atomwaffenfreien Welt wurde von den meisten Rednerinnen und Rednern ergänzt um die Forderung, hier bei uns anzufangen und die etwa 20 US-Atomwaffen, die in Büchel (Rheinland-Pfaz) lagern, sofort abzuziehen. Der Kampf gegen die Atomwaffen gehört zu den ureigenen Themen der Friedensbewegung. "Kampf dem Atomtod" war die Hauptlosung des ersten Ostermarsches vor 49 Jahren. Wenn heute Außenminister Steinmeier die Forderungen der Friedensbewegung zu seinen eigenen macht, dann ist das ein wichtiger Schritt vorwärts. Die Bundesregierung müsse aber insgesamt auf die atomare Teilhabe verzichten.

Massive Kritik erhielt der US-Präsident wegen seiner Afghanistan-Politik. Anstatt nach Wegen zu suchen, wie der Krieg schnell beendet werden kann, setzt Obama die Politik seines Amtsvorgängers sogar noch verschärft fort: 21.000 zusätzliche US-Soldaten werden an den Hindukusch entstandt und von den 83 Mrd. US-Dollar, die Obama in einem Nachtragshaushalt für das laufende Jahr vom Kongress verlangt, fließen 75 Mrd. in die Erhöhung der militärischen Schlagkraft in Afghanistan. An die Bundesregierung wird appelliert, die Bundeswehr aus Afghanistan zurückzuziehen. Nach Auffassung der Friedensbewegung gibt es keine militärische Lösung in Afghanistan. Statt dessen muss die zivile Hilfe dort verstärkt werden, wo es verlangt wird und möglich ist.

Das NATO-Thema war bereits vor enem Wochenende zentrales Thema der Friedensbewegung. Die friedlichen Proteste in Straßburg wurden indessen von der geballten Staatsmacht und von gewaltbereiten maskierten "Demonstranten", deren Herkunft den Organisatoren unbekannt war, regelrecht erstickt. Wie die Friedensbewegung ihren gewaltlosen Widerstand gegen den Militärpakt NATO artikulieren will, hat sie am 4. April mit der Demonstration in Kehl und hat sie bei den jetzigen Ostermärschen unter Beweis gestellt. Nach Auffassung des "Friedensratschlags" steht die Friedensbewegung - anders als in der Afghanistan-Frage, wo die überwältigende Mehrheit der Bevölkerung ebenfalls für den Truppenabzugplädiert - beim NATO-Thema erst am Anfang. Die Rolle der NATO ist weitgehend unbekannt oder wird - aus historischen Gründen - positiv beurteilt. Die Friedensbewegung müsse erst mit der "Alphabetisierung der Bevölkerung in Sachen NATO" beginnen, d.h. informieren, aufklären und diskutieren.

Insgesamt waren die Organisatoren der Ostermärsche mit den Aktionen hoch zufrieden. Von "schwindender Akzeptanz" oder "Resonanz" in der Öffentlichkeit könne keine Rede sein. Im Gegenteil: Die Ostermärsche sind aus dem gesellschaftlichen Leben hier zu Lande nicht mehr wegzudenken. Der Osten Deutschlands, der die Tradition der Ostermärsche früher nicht kannte, habe inzwischen Boden gut gemacht. Osteraktionen fanden nicht nur in der "Freien Heide" und der "Offenen Heide" (Magdeburg/Stendal) statt, sondern auch in Rostock, Chemnitz, Leipzig sowie in einigen Orten Thüringens.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Informationsstelle Ostermarsch 2009
Presseinformation 11 (Abschlusserklärung)

Ostermärsche: Kontinuität im Einsatz für den Frieden

Mehrere Zehntausend Menschen beteiligten sich auch in diesem Jahr wieder in mehr als 70 Städten an den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung. Die Teilnehmerzahlen lagen insgesamt über denen des Vorjahres, was angesichts der zurückliegenden aktionsreichen Wochenenden von den Organisatoren der örtlichen und regionalen Friedensinitiativen hervorgehoben wurde. Bemerkenswert ist für die Organisatoren auch, dass trotz des traditionellen Charakters dieser fast 60 Jahre alten Bewegung auch zunehmend junge Menschen an den Aktionen beteiligt waren.

Den Initiativen gelang es, mit ihren örtlichen Aktivitäten nahtlos an die zentralen Aktionen vor einer Woche gegen den NATO-Gipfel in Straßburg anzuknüpfen. So stand bei den zahlreichen Aufrufen, Reden und Transparenten der Ostermarschierer der Kampf gegen die NATO als aggressives Militärbündnis im Vordergrund. Diese beinhalte eine immer stärkere Verstrickung der Bundeswehr in weltweite Kriege um Rohstoffe und politische Einflusssphären. In diesem Zusammenhang stand auch – wie bereits in den letzten Jahren - die fortwährende Kritik an dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan und die sich abzeichnende Ausdehnung dieses Krieges im Vordergrund.

Die Ankündigung von US-Präsident Barack Obama, sich für atomare Abrüstung stark zu machen, wurde von einigen Rednern aufgegriffen. In Frankfurt verwies Prof. Horst-Eberhard Richter darauf, dass bereits 1987 von Gorbatschow die Vision einer atomwaffenfreien Welt bis zum Jahre 2000 ausgesprochen worden sei. Ohne das Engagement der Friedensbewegung sei auf politische Ankündigungen von führenden Politikern kein Verlass, wie die Vergangenheit beweise.

Bezüglich Atomwaffen stand auch die Forderung an die Bundesregierung obenan, für den Abzug der noch in Deutschland vorhandenen Atomwaffen zu sorgen.

Der Sprecher der bundesweiten Infostelle Ostermarsch 2009, Willi van Ooyen, verwies auf den positiven Einfluss der Friedensbewegung, der für die Ausweitung der pazifistischen und antimilitaristischen Meinungsmehrheit maßgeblich verantwortlich sei. Dazu gehöre nicht nur die Ablehnung des Afghanistan-Krieges durch die Bevölkerungsmehrheit, sondern auch die zunehmende Kritik an der NATO. Die NATO sei unter Missachtung des Völkerrechts zu einem weltweit agierenden Militärbündnis geworden.



Pressemitteilung, 13. April 2009

Ostermärsche fordern die Politik

Netzwerk Friedenskooperative

Das Netzwerk Friedenskooperative zieht eine ausgesprochen positive Bilanz der diesjährigen Ostermärsche und reklamiert mehr Beachtung des Engagements sozialer Bewegungen durch die Politik.

Die Ostermarschbewegung habe eindrucksvoll ihre Lebendigkeit gezeigt und sei anders als die Regierungspolitik auf der Höhe der Zeit - nicht nur bei der durch Präsident Obama neu belebten Diskussion zur Vision einer atomwaffenfreien Welt.

"Die Ostermärsche zeigen das Versagen von Regierungspolitik auf und ermuntern zur Entwicklung friedenspolitischer Ansätze für die Überwindung von Krieg durch mutige phantasievolle Politik und zivile Maßnahmen", erklärt Netzwerk-Geschäftsführer Manfred Stenner. Viele realitätstüchtige Vorschläge seien dazu von von Friedensbewegung und Friedensforschung erarbeitet worden.

Die Politik müsse auch endlich zur Kenntnis nehmen, dass sich die Warnungen der Friedensbewegung vor "militärischen Konfliktlösungen" als absolut zutreffend erwiesen hätten. Die vermehrten Anschläge auch gegen die Bundeswehr im Norden gehörten dazu. Die Friedenskooperative verweist auf die jüngste repräsentative Umfrage in der afghanischen Bevölkerung, die u.a. von der ARD in Auftrag gegeben wurde. Danach waren die vergangenen Jahre für Afghanistan verlorene Jahre und die Mehrheit stellt den US- und NATO-Truppen ein verheerendes Zeugnis aus. "Bomben statt Politik führen eben in ein solches Desaster und nicht zu Aufbau und Frieden", meint das Netzwerk.

Wer zu spät kommt ...

Die von Obama propagierte Vision einer atomwaffenfreien Welt habe den Ostermärschen zusätzliche Resonanz und Aktualität gegeben - mit der Bundesregierung als Nachzüglerin. "Die jetzt erklärte Bereitschaft der Bundeskanzlerin, mit den USA über das Thema der US-Bomben in Deutschland erstmals reden zu wollen, hinkt den von den internationalen Friedensorganisationen aufgezeigten Notwendigkeiten um viele Jahre hinterher." Angesagt sei jetzt der offizielle deutsche Verzicht auf die "nukleare Teilhabe" und das engagierte Streiten für eine Nuklearwaffenkonvention zur Ächtung der Atomwaffen.

Auch bei den anderen Themen der Ostermärsche müsste die Politik zügig zu den Vorschlägen aus der Friedensbewegung aufschließen. "Das Aus für das Bombodrom in der Ruppiner Heide ist überfällig. Die Revision der mörderischen deutschen Rüstungsexportpolitik, die Beendigung des Kriegseinsatzes in Afghanistan und der Ausstieg aus einer in aller Welt Krieg führenden NATO sollten folgen", fordert die Friedenskooperative.

Bei den Ostermarsch-Kundgebungen seien auch vielfach die beispiellosen Repressionen gegen die Demonstrationen zum NATO-Gipfel vor einer Woche zur Sprache gekommen, berichtet das Netzwerk. Es sei beschämend für demokratische Staaten, wie sich Deutschland und Frankreich als Gipfelgastgeber wie Polizeistaaten verhalten hätten. Die Friedensgruppen müssten zunehmend das im Grundgesetz verbriefte Demonstrationsrecht verteidgen.

60 Jahre und kein bisschen weise

Die NATO, die ihr 60jähriges Jubiläum feierte, bezeichnet die Friedenskooperative als den Weltfrieden gefährdendes Auslaufmodell. Hier wird auch Präsident Obama als Führungskraft der NATO von den Friedensgruppen scharf kritisiert. Das Festhalten an der atomaren Erstschlagsdoktrin, der weiteren Ausweitung und zunehmend globaler Kriegsführung für letztlich wirtschaftliche Interessen stehe im Widerspruch zu seiner in vielen Punkten gewendeten Rhetorik, ebenso die Intensivierung und Ausweitung des Kriegs in Afghanistan. "Da muss auch Obama noch nachsitzen und das ein oder andere Dossier aus der Friedensbewegung lesen", meint die Friedenskooperative.

gez. Manfred Stenner (Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative)


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