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"Die US-Stützpunkte in Deutschland sind die zentralen Dreh- und Angelpunkte für den Irakkrieg"

Ostermarschreden von Heike Hänsel (MdB) in Stuttgart, Wolfgang Gehrcke (MdB) in Frankfurt und Hans-Dieter Schenk (DGB) in Landshut

Im Folgenden dokumentieren wir drei weitere Reden vom Ostermarsch 2008. Diesmal die Reden von


"Vernunft muss her statt Militär"

Von Heike Hänsel *

Liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

ich komme gerade vom Ostermarsch aus Ellwangen und möchte Euch solidarische Grüße von 200 OstermarschiererInnen überbringen!

Der Ostermarsch ist immer auch Anlaß friedenspolitisch Bilanz zu ziehen. Vor zwei Tagen war der 5. Jahrestag des Beginns des Irak-Krieges, George Bush zog die Bilanz, dass die Welt dadurch sicherer geworden sei und die Menschen im Irak mehr Freiheiten hätten. Die Bilanz der Friedensbewegung in den USA und hier sieht anders aus:

Der Irak versinkt in Gewalt, die Versorgungslage der Menschen ist katastrophal, mehr als 60% sind auf Lebensmittellieferungen angewiesen. Die Zahl der Menschen, die direkt getötet wurden und an den Folgen von Krieg und Gewalt gestorben sind, schätzt die Lancet-Studie auf mind. 650 000, andere Schätzungen gehen auf bis zu 1 Million Menschen.

Mehr als 4 Mio IrakerInnen sind zu Flüchtlingen gemacht worden. 4000 US-Soldaten, manche gerade 17 Jahre alt, wurden in diesem Krieg verheizt. Auf mehr als 3 Billionen US-Dollar berechnet der US-Ökonom Joseph Stieglitz die umfassenden Kriegskosten - Geld das fehlt für die zivile und soziale Entwicklung in vielen Ländern auf dem Globus.

Politische und rechtliche Konsequenzen für die Verantwortlichen dieser verbrecherischen Kriegspolitik gibt es bis heute nicht. Keine UN-Resolution, die diesen Krieg verurteilt, keine außerordentliche Sitzung der UN-Generalversammlung.

Einige politisch Verantwortliche, wie Jose Maria Aznar, Tony Blair, Berlusconi wurde u.a. auch wegen der Beteiligung am Irak-Krieg abgewählt. George Bush, Dick Cheney sind weiterhin im Amt.
Wir brauchen endlich ein UN-Kriegsverbrecher-Tribunal zu Irak und dort müssen alle Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen und verurteilt werden!

Und was macht eigentlich die Bundesregierung? Keine einzige Pressemeldung, kein Wort, kein Kommentar von Angela Merkel (die damals den Krieg befürwortet hat) oder Frank-Walter Steinmeier zu 5 Jahren Irak-Krieg. Schweigen ist angesagt. Aus gutem Grund.

Denn das damalige Nein der Bundesregierung unter Gerhard Schröder war nie ein Nein sondern immer ein passives Ja zu diesem Krieg und das hat sich bis heute nicht geändert.

Die Bundesregierung ist wichtiger Unterstützer der gesamten US-Logistik für den Irak-Krieg. Zentrale Dreh- und Angelpunkte sind die US-Militärbasen wie Ramstein, Spangdahlem, Wiesbaden, Landstuhl für den Nachschub an Soldaten, Waffen. Die Überflugrechte wurden immer genehmigt, auch für illegale CIA-Flüge, die nachweislich Menschen verschleppten in Foltergefängnisse nach Osteuropa und den Mittleren Osten. Auch die US-Kommandozentrale EUCOM in Stuttgart, der Mannheimer Rheinau-Hafen spielten und spielen eine wichtige logistische Rolle.

Die Bundesregierung hat BW-Soldaten (4000) als Schutz der Militärbasen eingesetzt und weitere deutsche Truppen zur Entlastung der US-Truppen nach Afghanistan verlegt.

Auch Geheimdiensthilfe, für die damals noch Frank-Walter Steinmeier zuständig war, wurde zum Ausspähen irakischer Ziele geleistet. ABC-Abwehrpanzer wurden in Kuwait stationiert und es beteiligten sich Bundeswehr Soldaten bei der Bereitstellung von AWACS-Fluzeugen in der Türkei. Die BW bildet seit dem offiziellen Ende des Krieges auch irakische Streitkräfte in den Vereinigten Arabischen Emiraten aus und überläßt die Ausrüstung.

Ich fordere die Bundesregierung auf, diese aktive Unterstützung des Irak-Krieges zu beenden und alle US-Militärbasen zu schließen!

Aber auch private Firmen, wie z.B. der deutsche Waffenhersteller Heckler-Koch profitieren von diesem Krieg. Erst als ein Panorama-Bericht über die enge Zusammenarbeit von Heckler-Koch mit der größten Privatarmee der Welt, Blackwater Wordlwide, berichtete, die im Irak und Afghanistan eingesetzt sind und für zahlreiche blutige Massaker verantwortlich sind, wurde die Zusammenarbeit angeblich eingestellt. Aber wer überprüft das?

Es wird Zeit, dass wir mit einer Demonstration bei Heckler-Koch vorbeischauen…

Unterstützung brauchen aber vor allem die mutigen Kriegsdeserteure aus den USA und Großbritannien. Zahlreiche US-Kriegsdienstverweigerer sitzen auch in Deutschland in US-Militärgefängnissen ein, sie brauchen das Recht auf politisches Asyl in Deutschland!

Während Irak-Krieg 5 Jahre dauert, geht der Krieg in Afghanistan bereits in das 7. Jahr! Dabei wird die Beteiligung der Bundeswehr systematisch ausgebaut. Während zu Beginn von ISAF die BW mit 1200 Soldaten in Kabul polizeiliche Aufgaben übernehmen sollte in 2001, liegt die Anzahl mittlerweile bei 3500 und das Einsatzgebiet umfasst die gesamte Nordregion. Dabei wird jetzt bereits von einer Aufstockung auf ev. 4000-5000 Soldaten gesprochen und Ausweitung des Einsatzgebietes. Und das obwohl 86% der Bevölkerung den Einsatz der BW in Afghanistan ablehnen und über 60% generell gegen Auslandseinsätze der BW sind! Aber selbst das Parlament und die MdBs werden immer weniger informiert, über OEF/KSK-Einsatz schon gar nicht und über Operationen der BW im Norden völlig unzureichend! Das ist ein systematisches Unterlaufen von Parlamentsrechten, weg von der Parlamentsarmee, hin zur Geheimarmee! Verteidigungsminister Jung kündigte letzte Woche an: ab sofort stünde Aufstandsbekämpfung im Mittelpunkt der Aufgabe deutschen Truppen! Das ist kein Friedenseinsatz – das ist ein Kriegseinsatz! Deshalb: die Bundeswehr muß aus Afghanistan abgezogen werden!

Die Versorgungslage der Menschen in Afghanistan nach 7 Jahren ist katastrophal. Welches System wird in Afghanistan durch die Truppenpräsenz gestärkt? 80% der Abgeordnete im afghanischen Parlament sind Warlords und Drogenbarone, die fundamentalistische Nordallianz steht den Taliban bzgl. Grausamkeit und Frauenfeindlichkeit in nichts nach. Die mutige afghan. Parlamentarierin Malalai Joya, klagt den Westen an: ihr habt US-feindliche Fundamentalisten nur gegen US-freundliche Fundamentalisten ausgetauscht, Leidtragende sind nach wie vor wir Frauen! Sie ist eine mutige Frau, die wegen ihrer Kritik aus dem Parlament ausgeschlossen wurde und seitdem um ihr Leben bangen muß! Sie war hier in Stuttgart und sie und andere demokratische Kräfte brauchen politische Unterstützung! Die bekommt sie aber nicht von ISAF, Bundesregierung etc. weil da machtpolitisch nicht friedenspolitisch gedacht wird!

Statt Ausweitung des Kontingents muß die Bundeswehr aus Afghanistan abgezogen werden, sie ist Teil des Problems nicht der Lösung! Stattdessen brauchen wir politische Initiativen für eine friedliche Entwicklung in Afghanistan, z.B. eine internationale Afghanistan-Konferenz unter UN-Kontrolle.

Der sog. Krieg gegen den Terror, der mit OEF und dem Afghanistan-Krieg begann und mit dem Irak-Krieg fortgesetzt wurde, hat nicht nur viel Leid für die Menschen gebracht sondern auch zu einer weltweiten Militarisierung der Politik und Schwächung internationalen Rechts geführt. Sog. Präventivkriege können sich mittlerweile auch die EU-Staaten einschließlich Deutschland vorstellen. (Weißbuch und ESVS) . Es existiert keine „Friedenspolitik“ mehr sondern nur noch „Sicherheitspolitik“. Dabei geht es um eine entgrenzte Sicherheitspolitik nach innen und außen. Nach außen heißt: es kann weltweit ohne Grenzen interveniert werden seitens der Nato und/oder EU-Staaten. Nach innen heißt: für die „Sicherheit“ der Bevölkerung muß die Bundeswehr auch im Innern eingesetzt werden können, daran arbeitet bereits die Bundesregierung mit einer Gesetzesänderung. Einen ersten Eindruck konnten wir bereits letztes Jahr beim G8-Gipfel in Heiligendamm bekommen, deshalb: keinen Bundeswehr-Einsatz im Innern, dagegen müssen wir Widerstand leisten!

Weltweit wurden mehr als 1,2 Billionen Dollar für Rüstung ausgegeben – soviel wie noch nie. Die weltweiten Entwicklungsausgaben betragen gerade mal 100 Milliarden, also 1/10 davon! Auch die Rüstungsexporte stiegen auf Rekordniveau, wobei Deutschland weltweit an 4. Stelle und Nr.1 innerhalb der EU ist. Was hätten wir alles mit diesem geld finanzieren können?

Allein für eine Billion Dollar hätte man 15 Millionen Lehrer einstellen oder 530 Millionen Kinder gesundheitlich versorgen können. Mit diesem Geld hätte man auch in vielen Ländern des Nahen und Mittleren Osten die soziale und damit auch friedenspolitische Entwicklung finanzieren können. Oder man könnte mit dem Geld die Umstellung des Weltenergiesystems auf regenerative Energien weiterentwickeln können, weg von Öl und Atom, die kriegstreibend wirken.

Und deshalb ist es auch fatal, dass die Bundesregierung und die EU mittels des jetzigen EU-Reformvertrages, die Militarisierung vorantreiben und das ohne eine Mitbestimmungsmöglichkeit der Bevölkerungen in Europa! Dieser Vertrag ist nichts anderes als der vorherige Verfassungsentwurf, gegen den wir 2005 auf die Straße gegangen sind, der in Frankreich und den Niederlanden per Volksentscheid abgelehnt wurde und nun völlig undemokratisch von europäischen Regierungen eigenmächtig ratifiziert wird. Deshalb brauchen wir dringend Volksentscheide in Deutschland und allen anderen EU-Staaten über diesen Vertrag!

Denn wir brauchen keinen neuen „global player“ EU mit aggressiver Handelsstrategie gegenüber den Ländern des Südens, mit Sozialabbau nach innen um wettbewerbsfähig zu sein und mit weltweiter militärischer Interventionsfähigkeit!

Wir brauchen endlich europäische Abrüstungsinitiativen, den Abzug und die Vernichtung aller Atomwaffen in Europa und die Auflösung des NATO-Bündnisses! Statt weltweiter Militärbasen der USA und anderer Nato-Staaten als „Infrastruktur des Krieges“ brauchen wir weltweite soziale, ökologische, friedensstiftende Netzwerke von unten als eine Infrastruktur des Friedens! Das wäre eine vernünftige und weitsichtige Politik des Friedens!

Die Bundesregierung will jetzt den „gefallenen Soldaten“ ein Denkmal in Berlin setzen und die Bundeswehr plant eine neue Auszeichnung für „außergewöhnlich tapfere Taten“ für Soldaten im Auslandseinsatz. Ich möchte dagegen allen, die den Kriegsdienst verweigern, allen Kriegsdeserteuren dieses Gedicht von Ingeborg Bachmann widmen:

Alle Tage

Von Ingeborg Bachmann

Der Krieg wird nicht mehr erklärt,
sondern fortgesetzt. Das Unerhörte
ist alltäglich geworden. Der Held
bleibt den Kämpfen fern. Der Schwache
ist in die Feuerzonen gerückt.
Die Uniform des Tages ist die Geduld,
die Auszeichnung der armselige Stern
der Hoffnung über dem Herzen.

Er wird verliehen,
wenn nichts mehr geschieht,
wenn das Trommelfeuer verstummt,
wenn der Feind unsichtbar geworden ist
und der Schatten ewiger Rüstung
den Himmel bedeckt.

Er wird verliehen
für die Flucht von den Fahnen,
für die Tapferkeit vor dem Freund,
für den Verrat unwürdiger Geheimnisse
und die Nichtachtung
jeglichen Befehls.


* Heike Hänsel, Tübingen Mitglied des Deutschen Bundestags in der Fraktion DIE LINKE.

Die Rede wurde gehalten bei Ostermarsch in Stuttgart am 22. März 2008



Krieg ist das größte Menschheitsverbrechen

Von Wolfgang Gehrcke **

Liebe Freundinnen und Freunde,

im Krieg stirbt bekanntermaßen die Wahrheit zuerst und zwangsläufig Moral, Recht und Kultur. Über die Moral der deutschen "Eliten" braucht man mit Blick auf Ackermann, Roland Koch, Peter Hartz und andere nicht zu sprechen. Die "deutschen Eliten" erinnern immer mehr an kriminelle Vereinigungen, deren einziges Ziel die Steigerung der Gewinne ist. Deutsche Moral ist die Teilhabe an Kriegen geworden. Alternativen sind notwendig und sie beginnen damit, das auszusprechen, was ist.

Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt. Deutschland führt an der Seite der USA Krieg am Hindukusch. Seit 2001 sind mehr als 100.000 Menschen diesem Krieg zum Opfer gefallen. 50.000 Soldaten der NATO befinden sich mittlerweile in Afghanistan, darunter mehr als 3.000 deutsche Soldaten. Deutsche Tornados liefern die Bilder für NATO-Luftangriffe. Deutschland stellt eine "schnelle Eingreiftruppe". Schritt für Schritt verstrickt sich Deutschland tiefer in diesen Krieg und bereits heute werden Forderungen laut, im Oktober weitere deutsche Soldaten nach Afghanistan zu entsenden. Der Einsatz der Bundeswehr kostet den deutschen Steuerzahler jährlich 530 Mio. Euro, während für den zivilen Aufbau nur 100 Mio. Euro zur Verfügung gestellt werden. Deutsche Soldaten sind keine Entwicklungshelfer in Uniform, sondern sie sind Teil des Krieges in Afghanistan. Ein Krieg, von dem man weiß, dass er politisch falsch, moralisch verwerflich und militärisch nicht zu gewinnen ist.

Moralisch falsch, völkerrechtswidrig ist auch der Krieg im Irak. Die Zeitschrift "Stern" schreibt in ihrer jüngsten Ausgabe, dass dieser Krieg über 600.000 Menschen das Leben geraubt und über 4 Millionen Menschen in die Flucht getrieben hat. Auch wenn Deutschland keine Soldaten in den Irak geschickt hat, wie Merkel es wollte, hat Deutschland diesen Krieg doch umfassend unterstützt. US-Truppen haben ihre Stützpunkte in Deutschland für diesen Krieg nutzen können, Deutschland hat den USA uneingeschränkte Überflugsrechte gewährt - auch über Deutschland sind Menschen in geheime CIA-Gefängnisse verschleppt worden - und der Bundesnachrichtendienst hat der US-Regierung gefälschte Dokumente über angebliche Massenvernichtungswaffen im Irak zugespielt. Die Kriege im Irak und in Afghanistan ebenso wie der Krieg in Jugoslawien sind unter Hilfe zweier Bundesregierungen, einer rot-grünen und einer schwarz-roten, in Szene gesetzt worden.

Kriege fallen nicht vom Himmel, Kriege brechen nicht einfach aus - Kriege werden von Menschen gemacht. Es geht nicht um Menschenrechte, Demokratie oder Abrüstung, sondern es geht um die Sicherung von Handelswegen und Ressourcen, um geostrategische Vorherrschaft. Menschen machen Kriege und Menschen können Kriege verhindern. Die Mehrheit der Bevölkerung unseres Landes will, dass die Auslandseinsätze der Bundeswehr beendet werden. Das will auch DIE LINKE und das fordern wir im Bundestag wie auf den Straßen und Plätzen. DIE LINKE hat deutschen Auslandseinsätzen nicht zugestimmt und wird dies auch nicht tun. Und - da immer wieder über Koalitionen spekuliert wird - für uns ist klar: Wir werden uns an keiner Regierung beteiligen, die deutsche Soldaten ins Ausland schickt.

Alle Bundestagsabgeordneten müssen sich klar darüber sein, dass, wenn sie Auslandseinsätzen zustimmen, sie Kriegseinsätze bejahen, deren Opfer die zivile Bevölkerung wird und in denen auch deutsche Soldaten ihr Leben lassen werden. Ein Ja zu solchen Einsätzen ist ein Ja zum Töten. DIE LINKE hält es mit dem Antikriegsschriftsteller Wolfgang Borchert: Sag Nein.

Wir sagen im Bundestag Nein zum Krieg und wir sagen Nein zum Krieg hier auf den Ostermärschen.

** Wolfgang Gehrcke ist Bundestagabgeordneter für die Partei "Die Linke".

Die hier dokumentierte Rede wurde bei den Ostermärschen 2008 in Bruchköbel, Ohrdruf und Frankfurt a.M. gehalten.



"Auslandseinsätze der Bundeswehr gibt es nicht zum Nulltarif"

Von Hans-Dieter Schenk ***

Liebe Friedesaktivistinnen und Aktivisten,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Damen und Herren,

wir demonstrieren zu Ostern und in guter Tradition für eine friedliche Welt.

Darfour, Afghanistan, Irak, Palästina, Türkei, Tibet, usw. und sofort, ich kann sie nicht alle aufzählen, ich will sie auch gar nicht alle aufzählen, nirgendwo bringt Krieg eine Lösung. Die USA und weitere Industrieländer, darunter auch Deutschland, kämpfen um die Herrschaft über rohstoffreiche bzw. geostrategisch wichtige Regionen.

Am 30. Januar gedachten wir 75 Jahre der Machtergreifung von Adolf Hitler. Das Regime der Nazis brachte in Deutschland Elend und Tod. Nach dem Terrorregime der Nazis war die politische und gesellschaftliche Meinung eindeutig. Von deutschen Boten sollte nie mehr ein Krieg ausgehen. Deutsche Soldaten sollten nie mehr Elend und Tod über die Welt bringen. Die Situation heute sieht ganz anders aus. Die Bundeswehr wird von einer Verteidigungsarmee zur Invasionsarmee umgerüstet.

Die Lobbyisten der deutschen und europäischen Rüstungsindustrie drängen schon seit Jahren darauf, dass ein größerer Anteil des Militärhaushaltes für sogenannte rüstungsinvestive Ausgaben bereitgestellt werden soll. Ganz offensichtlich wird ihr Wunsch erhört. Wie fast jedes neoliberale Unternehmen arbeitet auch die Bundeswehr daran, einerseits ihre Personalkosten zu senken und andererseits ihre Investitionsausgaben zu erhöhen.

Auslandseinsätze der Bundeswehr, egal ob Besatzungs- oder Kriegseinsätze gibt es nicht zum Nulltarif. Je mehr es zur Selbstverständlichkeit wird, dass Bundeswehrsoldaten rund um den Globus im Einsatz sind, umso mehr schlägt sich dieser Druck auf den Bundeshaushalt nieder.

Allein im Jahr 2008 stieg der Haushaltsansatz für den sogenannten Verteidigungshaushalt um etwa 1 Milliarde Euro auf 29,3 Milliarden an. Im Jahr 2010 sollen dann 30 Milliarden in den Haushalt des Verteidigungsministers fließen. Wenn bis dahin nicht noch weitere Erhöhungen des Haushaltsansatzes beschlossen werden. Eine solche Entwicklung scheint sehr wahrscheinlich, da sowohl die zunehmenden Auslandseinsätze im Rahmen von NATO und Europäischer Union als auch zahlreiche neue Rüstungsprojekte immer mehr Gelder verschlingen.

Die Politiker geben damit unser Geld für Rüstung und Krieg aus. Es ist unser Geld und sie dürften es eigentlich nicht ausgeben wenn sie sich die Umfragen anschauen würden, denn drei Viertel der Bevölkerung der Bundesrepublik sind gegen den Afghanistaneinsatz sind.

Ich sage, Milliardenausgaben nicht für Rüstung, sondern für Bildung, Gesundheit, Forschung und für den Klimaschutz, dort wäre unser Geld besser aufgehoben.

Wir haben damit Rüstungsausgaben wie im Kalten Krieg. Damals standen sich Warschauer Pakt und NATO feindlich gegenüber. Der Warschauer Pakt hat sich mittlerweile aufgelöst. Warum sich im Zuge dieser Tatsache die NATO nicht auch aufgelöst hat? Eigentlich wäre es angebracht gewesen.

Die NATO als einziges Militärbündnis sucht sich neue Betätigungsfelder und wir mit unserer Bundeswehr sind mit dabei.

Die Nato hat ein ganzes Bündel von Maßnahmen auf ihrer Agenda in denen das Bündnis und damit auch Deutschland militärisch aktiv werden müsse. So der NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer. Er führte kürzlich auf einer Konferenz Folgendes aus:

"Da so viele der führenden Öl- und Gasförderländer mit politischer Instabilität konfrontiert sind, ergeben sich mehrere Szenarien für eine militärische Intervention, bei der die NATO einen Beitrag zur Sicherung der Energieversorgung leisten könnte.

Das neue Sicherheitsumfeld bedeutet, dass Interventionen in Ölförderländern, Marineaktivitäten entlang strategisch wichtigen Meerengen und Terrorabwehroperationen gegen Ölchihadisten, welche die Weltwirtschaft durch Angriffe auf unsere Energieversorgung lahm legen wollen, nahezu vorprogrammiert sind."

Ich sage: Dieser Weg führt ins Verderben, weil er weitere Kriege heraufbeschwört. Und lasst es mich mal verkürzt sagen: Diese Kriege dienen nur der Gewinnmaximierung einiger großer Konzerne und deren Aktionären.

Und dieser Weg steht im krassen Gegensatz zu einem Ausspruch, der auch auf dem Flyer steht von Albert Schweizer, der da lautet: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird. Die NATO betreibt gerade das Gegenteil und ist somit ein inhumaner, kriegslüsterner Haufen.

Warum geben wir denn den Ländern der Dritten Welt nicht was ihnen gehört und handelt faire Preise für ihre Bodenschätze aus? Ausbeutung ist nicht der richtige Weg. Wir brauchen eine Weltordnung, die allen Menschen gerecht wird. Nicht im militärischen Gegeneinander sondern nur in gemeinsamer Anstrengung lässt sich eine bessere Welt verwirklichen.

Um die NATO von europäischer Seite her besser unterstützen zu können hat die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft benutzt um die abgelehnte EU-Verfassung unter dem neuen Namen "Reformvertrag" auf den Weg zu bringen.

Unsere Bundeskanzlerin hat sich da ja sehr hervorgetan. Über Verfahrensweisen und Abstimmungsprozeduren wurde öffentlich heiß diskutiert und gestritten - über die Inhalte in der Öffentlich aber kaum diskutiert.

So, sehr geehrte Damen und Herren, wird Europa für die Bürger nicht akzeptabler. Der Reformvertrag schreibt einerseits eine neoliberale Wirtschaftspolitik fest. Freihandel, ein schrankenloses Profitstreben, und das Aushebeln betrieblicher Mitbestimmung sind deren Kennzeichen. Arbeitskräfte in Europa gelten nur noch als Kostenfaktor.

Andererseits zementiert der Vertrag die Verpflichtung zur kontinuierlichen Aufrüstung. Die militärischen Kapazitäten werden vereinheitlicht, ein Rüstungshaushalt eingerichtet und Kampftruppen aufgestellt. Dafür ist dann genug Geld da, obwohl wir immer wieder hören müssen, wir leben über unsre Verhältnisse und wir müssen den Gürtel enger schnallen. Deshalb sage ich "Nein" zum EU-Reformvertrag und ein noch entschiedeneres "Nein" zur Europäischen Verteidigungsagentur. Dafür ein entschiedenes "Ja" für Wirtschaftsstrukturen in Europa, die an den Bedürfnissen der Menschen ausgerichtet sind.

Am Irakkrieg hat sich die Bundesrepublik zwar nicht direkt beteiligt, aber indirekt hängen wir da auch mit drin. Indem wir nämlich der US-Armee Überflüge gestatten und schließlich wird dieser Krieg von den Militärbasen von Deutschland aus unterstützt.

Und dieser Krieg ist ein hirnloses Produkt amerikanischer Rüstungsindustrie und von George W. Busch.

500 Milliarden Dollar geben die USA jährlich für den Kampf gegen Terrorismus aus. Einen Großteil im Irakkrieg. 500 Milliarden für Kriege auszugeben und andererseits eine Bankenpleite im Land ohne nennenswerte Gegensteuerung hinzunehmen, ist schon sehr menschenverachtend.

Ein Land, das sich selbst als Weltspitze betrachtet, und eine Krise von sagen wir mal Häuslebauern nicht durch Hilfen eindämmen kann, ist meines Erachtens nach nicht Weltspitze, sondern ...... Im Irak, das wissen mittlerweile alle, geht es ums Öl. Die Ölreserven im Irak werden auf 220 - 300 Milliarden Barrel geschätzt. Auch von Alan Greenspan, Exchef der US-Notenbank, also der mächtigsten Menschen auf der Welt, haben wir in den letzten Tagen zu diesem Thema erhellendes gehört. Erschreibt in seinen Memoiren: "Es macht mich traurig, dass es politisch unziemlich ist, etwas zuzugeben, was alle wissen: Im Irakkrieg geht es vor allem ums Öl."

Auch viele US-Veteranen, die Frieden und Freiheit für den Irak bringen sollen, protestieren mittlerweile gegen die Strategien von George W. Busch. Sie prangern den Krieg als unmenschlich und sinnlos an und (Anrede), sie sollten es wissen, denn sie waren da. Ich erinnere wieder gern an Albert Schweizer: Humanität besteht darin, dass nie ein Mensch einem Zweck geopfert wird. Der Krieg Irak hinterlässt Tod und Elend und ist allenfalls ein Gewinn für die Rüstungs- und Energiekonzerne.

Ein für uns heißerer Kriegsschauplatz: Afghanistan. Dort am Hindukusch werden angeblich unsere Interessen verteidigt, wie es der ehemalige Verteidigungsminister Struck einmal formuliert hat. Werden dort wirklich unsere Interessen verteidigt oder geht es um die Bodenschätze in Afghanistan? Eisen und Kupfererze, Erdgas, Kohle und Halbedelsteine. - Kampf gegen Taliban - Verteidigung von Frauenrechten - Aufbau des Landes -

Ich frage mich, sind dazu 37.400 Soldaten nötig?

Auch die Bevölkerung Afghanistans sieht in der Mehrheit mittlerweile die angeblich humanitären Helfer mehr als Besatzer und das ist wahrscheinlich gar nicht so falsch. Seit Beginn des Krieges gab es in Afghanistan insgesamt 6 500 Opfer, davon 6 222 Soldaten, darunter 26 deutsche Soldaten. 6 500 Opfer für einen humanitären Zweck? Wobei Humanität darin besteht, dass nie ein Mensch für einen Zweck für einen Menschen geopfert wird.

Nachdem die Bundesregierung bereits im März letzten Jahres Tornadoflugzeuge nach Afghanistan geschickt hat, die auch Zieltaten für die US-Kriegsführung im Süden liefern können, verstrickt sich nun die Regierung nun noch tiefer in den Krieg.

Im Februar dieses Jahres hat sie beschlossen, eine schnelle Eingreiftruppe der Bundeswehr mit 250 Mann für den NATO-Krieg zur Verfügung zu stellen. Diese Eingreiftruppen sind für offensive Kriegsführung ausgebildet und ausgerüstet. Sie können und sie werden Angriffe gegen Talibanverbände durchführen. Damit ist eindeutig, dass die von der Bundesregierung verbreitete Version einer Trennung von Aufbauarbeit im Norden und Kriegsführung im Süden eine Lüge ist. Auch dass der neue Einsatz, der im Juli beginnen soll, von einem ISAF-Mandat gedeckt ist, ist reine Zweckpropaganda.

Leider geht der Entsendebeschluss dieser schnellen Eingreiftruppe in der öffentlichen Debatte fast unter. Die USA hat jetzt anlässlich der Sicherheitskonferenz in München klare Forderungen erhoben: Die Bundesrepublik solle sich konkret auch am Krieg im Süden mit Kampftruppen beteiligen. US-Verteidigungsminister Gates nannte den Krieg beim Namen. Der erste Bodenkrieg in der Geschichte der NATO und dabei dürfe es keine "Luxusmissionen" für die einen und "blutige Kampfeinsätze" für die anderen geben. Das ist in einem Bündnis von Gleichen in der Tat nicht einzusehen. Ich aber sage, wenn Bündnispartner einen irrsinnigen Krieg führen, darf die Konsequenz nicht lauten, ihnen hinterherzulaufen, sondern im Bündnis einen Strategiewechsel durchzusetzen - oder eben auszusteigen.

Aber weit gefehlt. Stattdessen werden die Stimmen bei Bundestagsabgeordneten immer lauter, die eine positive Antwort auf die US-Forderung nach regulären Kampftruppen unterstützen. Was das für deutsche Soldaten heißt, machen sich diese Politiker wohl keine Gedanken. Was es heißt, Mann gegen Mann zu stehen, was es heißt, jemanden auf Befehl umzubringen... Amerikanische Veteranen aus dem Vietnamkrieg.. die vorhin angesprochenen Veteranen im Irakkrieg..

Vielleicht würde die Abstimmung anders ausfallen, wenn von jeder Fraktion die zustimmt, 10 Abgeordnete zum Einsatz geschickt werden würden.

Vielleicht würden Viele umdenken, weil sie über ihr Handeln und die Konsequenzen daraus intensiver nachdenken müssen. Eine der Konsequenzen machte kürzlich der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes Gertz deutlich: "Man müsse damit rechnen, dass nach solch einem Kampf Kameraden in Holzkisten zurückkommen." Gewisse politische Kreise, die sich für besonders intelligente außenpolitische Denkschmiede halten, werfen den Politikern vor, die deutsche Bevölkerung bislang nicht klar genug auf den Krieg eingestimmt zu haben. Bedauerlicherweise gebe es eine pazifistisch bis isolationistisch eingestellte deutsche Öffentlichkeit, resümiert die Deutsche Gesellschaft für auswärtige Politik. Ich finde diese Haltung von drei Viertel der Bevölkerung sehr gut.

Es ist keine leichte Herausforderung für uns alle gegen diese klar formulierte Politik anzugehen. Der Krieg in Afghanistan, der schon vor dem 09.11. beschlossene Sache war, wird um geostrategischer Interessen Willen geführt. Im Interessenfall Afghanistan werden diese Herrschaftsinteressen in diesem Jahr immer deutlicher auf die Gegeninteressen von unten fallen. Wir, wir alle hier haben die Chance, eine Politikalternative zu beschreiben und durchzusetzen, die in der Bevölkerung mehrheitsfähig ist. Der Druck von unten auf die herrschende Politik muss in diesem Jahr allerdings noch gewaltig ansteigen.

Das beliebteste Argument gegen die Warnungen der Friedensbewegung vor militärischen Interventionen kommt jedes Mal: Das Kind sei aber jetzt in den Brunnen gefallen. Für die mittel- und langfristig wirkenden zivilen Möglichkeiten der Konfliktbearbeitung sei es zu spät. Deshalb bleibe jetzt aus menschenrechtlichen, antifaschistischen Erwägungen nur das Militär als Ultimaration. Und dieses Argument ist so falsch wie es alt ist. Wir brauchen ein Primat nichtmilitärischer Konfliktbearbeitung weltweit.

Wir müssen uns auch wieder dazu aufmachen, auf Völkerrecht und Grundgesetz besser zu achten. Mit dem Recht des Stärkeren propagieren die USA präventive Erstschläge. Mit dem Recht des Stärkeren verweigern die USA den Menschen die sie auf Guantanamo gefangen halten die Menschrechte und wenden die Folter als legitimes Mittel im "Krieg gegen den Terror" an. Die EU ihrerseits duldet geheime Gefangenentransporte der CIA und stellt Militärbasen wie Ramstein oder Stuttgart für unkontrollierbare militärische Aktionen bereit.

In Deutschland sind wir zunehmend der Überwachung durch den Staat ausgesetzt. Bundeswehr und Polizei, ja zum Teil sogar Geheimdienste werden vernetzt um gemeinsam besser agieren zu können. Innenminister Schäuble ist ein alter Fan von Bundeswehreinsätzen auch im Inneren. Das grundgesetzliche Verbot des Bundeswehreinsatzes im Inneren wird immer weiter ausgehöhlt.

Bestes Beispiel: Beim G 8-Gipfel im letzten Sommer in Heiligendamm gab es einen verfassungswidrigen Bundeswehreinsatz. Wir sollen an die Gegenwart des Militärs in allen Lebenslagen gewöhnt werden. Aus angeblichen Sicherheitsgründen werden in Deutschland die demokratischen Rechte immer weiter eingeschränkt und zunehmend immer mehr Überwachungsgesetze eingeführt.

Wir demonstrieren heute auch für die Einhaltung der Menschenrechtserklärung der Vereinten Nationen. Wir stellen uns gegen die menschenverachtende Folterpraxis, wir stellen uns gegen den Einsatz der Bundeswehr im Inneren und wir streiten für mehr demokratische Kontrolle der Geheimdienste.

Und wir machen vor allem deutlich, dass Krieg kein Mittel zur Lösung von Konflikten ist. Im Gegenteil. Krieg bringt Leiden und Tod, Krieg verhindert die Freiheit, Krieg hat überhaupt nichts mit Menschenrechten zu tun, Krieg wollen wir nicht, Krieg brauchen wir nicht! Was wir brauchen ist eine Weltordnung, die allen Menschen gerecht wird. Nicht im militärischen Gegeneinander, sondern nur in einer gemeinsamen Anstrengung lässt sich eine bessere Welt verwirklichen.

*** Hans-Dieter Schenk ist DGB-Regionssekretär für die Region Landshut.

Rede beim Ostermarsch in Landshut am 24. März 2008



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