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"Wie wird der Bürger an den Krieg gewöhnt?"

Von Thomas Miessl *

Im Rahmen unserer Berichterstattung über ausgewählte Aspekte der Ostermarschbewegung 2007 dokumentieren wir im Folgenden eine Rede, die am 7. April beim Ostermarsch im bayerischen Traunstein gehalten wurde.

Liebe Bürgerinnen und Bürger,
in der Wochenendausgabe vom 10.03.07 des Trostberger-Tagblattes wird der Beschluss des Bundestages mitgeteilt, dass Tornados nach Afghanistan zu Aufklärungsflügen verlegt werden. Sie werden auch die in Südafghanistan kämpfende internationale Schutztruppe ISAF unterstützen.

Es ist für uns zu einer ganz normalen Meldung geworden, dass deutsche Soldaten in Kriegen kämpfend, tötend Ihren Beruf ausüben und auch getötet werden können. 65 Soldaten davon 18 in Afghanistan, kamen seither um ihr Leben. 2000 Soldaten wurden verletzt. Die Toten, in der Zivilbevölkerung Afghanistans, genannt Kollateralschäden, werden auf 5 bis 10000 geschätzt...
Seit der Wiedervereinigung gab es für die Bundeswehr 43 Auslandseinsätze.
1990/91 demonstrierten noch Massen von Bürgern gegen den Golfkrieg.
Die Regierung Kohl unterstützte den Krieg mit 17 MRD DM.

Deutsche Soldaten zu Kampfeinsätzen zu senden war einfach ein Tabu, dann aber wurden unsere Soldaten für verschleierte "Friedenseinsätze" notwendig - dann aber wurden unsere Soldaten für "notwendige Friedenseinsätze" notwendig - dann aber wurden unsere Soldaten für "robuste Friedenseinsätze" notwendig - und dann aber wurden unsere Soldaten für "notwendige Kampfeinsätze" notwendig -
und kaum jemand protestiert dagegen.

Ich will hier versuchen folgende Frage zu beantworten:
„Wie wird der Bürger an den Krieg gewöhnt?“
Ich habe es in 7 Methoden unterteilt.

Methode 1: Mit geschickten Formulierungen.

Zuerst gilt ein Tabu bezüglich des Einsatzes von deutschen Soldaten im Ausland,
dann gilt die Notwendigkeit für verschleierte Friedenseinsätze
dann gilt die Notwendigkeit für notwendige Friedenseinsätze
dann gilt die Notwendigkeit für robuste Friedenseinsätze
und endgültig dann gilt die Notwendigkeit für notwendige Kampfeinsätze.

Methode 2: Den Bürger an den Krieg gewöhnen mit einem Feindbild, das für alle Bürger der westlichen Welt Geltung hat

Die USA hat mit den Anschlägen des 11 September 2001 dieses globale Feindbild gefunden, den internationalen Terrorismus. Mit diesem Feindbild werden auch bei uns die Kriegseinsätze begründet.

Methode 3: Wie kann ich die zukünftigen Lehrer an den Krieg gewöhnen?

Es gibt in Thüringen am Institut für Lehrerausbildung Dozenten, die Jugendoffiziere genannt werden und die Lehramtsanwärter schulen.

Jugendoffiziere verfügen über ein abgeschlossenes Universitätsstudium und mehr-jährige Erfahrung als militärische Vorgesetzte Derzeit gibt es bundesweit 94 hauptamtliche Jugendoffiziere im Dienstgrad Hauptmann/Kapitänleutnant, Sie sind besonders rhetorisch geschult und arbeiten bei hartnäckigen Fällen durchaus mit Tricks aus der psychologischen Kriegsführung. Z.B. Unterstellung des Kommunismusverdachtes.

Methode 3a: Wie kann ich die Jugend an den Krieg gewöhnen?

Jugendoffiziere veranstalten in Berufsinformationszentren, auf Messen, in Unis und Schulen Infotage um unseren Nachwuchs von der Wichtigkeit und Richtigkeit der Kriegspolitik zu überzeugen.

Methode 3b: Wie kann ich die Jugend nachhaltig an den Krieg gewöhnen?

Schulklassen werden zu Workshops von der Bundeswehr einladen. Die zwei 10ten Klassen des Gymnasium Trostberg wurden im Februar 2007 zu einer 3-tägigen Veranstaltung zum Thema Politik und internationale Sicherheit in Wildbad Kreuth (Hans Seidl-Stiftung) zu einem Planspiel mit dem Namen POLIS (Politik und internationale Sicherheit) eingeladen.

Die Bundeswehr kam bei den Schülern dabei total nett, freundlich und harmlos rüber. Man muss wissen dass durch ein Planspiel erworbene Ergebnisse viel intensiver im Gedächtnis haften bleiben als es Vorträge vermögen. Für einen Referenten des Internationalen Versöhnungsbundes dagegen gab es im Trostberger Gymnasium keinen freien Termin.

Methode 3c: Wie kann ich die Jugend für den Krieg verfügbar machen?

Die Bundeswehr lockt mit Ausbildungsplätzen. Es wird geworben mit den Formulierungen wie „Zukunft und Berufsgarantie bei der Bundeswehr“. Bedingung allerdings ist die Verpflichtung bei der Bundeswehr auf mindestens 8 Jahre und davon mindestens 1 Jahr Auslandseinsatz.

Methode 4: Wie kann ich Arbeitslose an den Krieg gewöhnen?

Es werden vom Arbeitsamt und der Bundeswehr gemeinsam Veranstaltungen zur Anwerbung von Arbeitslosen organisiert.
In Essen ist eine Aussenstelle des Zentrums für Nachwuchsgewinnung der Bundes-wehr direkt in die Räumlichkeiten der Arbeitsagentur gezogen. Auch über die Zwangsrekrutierung von jugendlichen Hartz4 Empfängern wird nachgedacht.

Methode 5: Wie kann ich die älteren Bürger an den Krieg gewöhnen?

Indem ich zu örtlichen Versammlungen ältere ehemalige rethorisch sehr geschickte Generäle der Bundeswehr sende, die dann die Bürger von der Richtigkeit und Wichtigkeit der Kampfeinsätze überzeugen.

Im Frühjahr 2006 hat die CSU in Traunstein im Sailer Keller den ehemaligen Gene-ralinspekteur der Bundeswehr, H. Naumann zu einer Rede über die Zukunft der Bun-deswehr und deren Ziele eingeladen. Er kündigte die zukünftigen Aufgaben der Bundeswehr dem Bürgern mit folgendem Worten an „.. es wird Kriege geben und Ihr müsst dafür den Gürtel enger schnallen...“ Und alle Anwesenden applaudierten.

Methode 6: Wie kann ich die Abgeordneten an den Krieg gewöhnen?

Indem die Fraktionsvorsitzenden auf Ihre Abgeordneten bei den Abstimmungen Druck ausüben (es wird Ihnen durchaus mit persönlichen Konsequenzen gedroht). Unsere Abgeordneten, die ja unserer Volksvertreter sind, können dadurch dem Arti-kel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes „Abgeordnete sind an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen“, nicht mehr gerecht werden. Sie trauen sich nicht mehr, dem vom Volk erteilten Auftrag zu entsprechen und stim-men für den Kriegseinsatz unserer Bundeswehr, auch wenn das Volk dagegen ist. Siehe Stern vom 08.02.2007..

Methode 7: Wie kann ich die höheren Politiker an den Krieg gewöhnen?

Indem die führendsten Politiker oder die zur Wahl stehenden Kandidaten von den wirklichen Weltkapitalmagnaten eingeladen und überzeugt werden, sich für Ihre Kriege zu entscheiden.

Der Krieg soll nicht die Ursachen des Terrorismus beseitigen sondern die Auswir-kungen. Denn nur damit kann viel Geld verdient werden. An der Ursachenbekämp-fung, nämlich die Armut bekämpfen, ist in dieses Ebene keiner wirklich interessiert.

H. Präsident Bush hat am 11.03.2007 32 MRD $ für Militäreinsätze im Irak und in Afghanistan beantragt. Dieser Betrag soll in der Bildung und im Gesundheitsbereich eingespart werden.

Wenn wir nichts unternehmen, bewegen wir uns auch auf das Niveau Amerikas, mit all seinen vielen sozialen Problemen zu.

Liebe Bürgerinnen und Bürger, Sie werden berechtigt fragen, was können wir gegen diese Entwicklung tun.

Punkt 1: Wir müssen unseren Volksvertretern, sprich Bundestagsabgeordneten, durch persönliche Kontakte, per Mail und per Telefon oder auch durch Besuchen der Sprechstunden persönlich den Rücken stärken, damit sie nicht weiterhin vor Ihren Fraktionsvorsitzenden und den Lobbyisten in die Knie gehen, sondern Demokratie leben.

Punkt 2: Zugleich müssen wir diese Kontakte auch nutzen um unsere Abgeordneten von unserer Meinung zum Frieden zu überzeugen. Dann wissen unsere Volksvertreter, dass Sie auch nach der Wahl noch Volksvertreter sein müssen und Ihnen das Volk auf die Finger schaut.

Punkt 3: Wir Bürger müssen die demokratischen Grundrechte leben in Form von Leserbriefen, friedlichen Demonstrationen, Aufrufen etc.
Wir Bürger müssen unsere Demokratie neu beleben.

Heute ist es dringend nötig,
  • dass ein Gegengewicht gegen den neoliberalen Mainstream geschaffen wird,
  • dass eine Kultur der politischen Diskussion neu geschaffen wird,
  • dass wieder auf die Strasse gegangen wird um gegen Krieg und Besatzung zu demonstrieren
  • und dass wieder die vollständige atomare Abrüstung eingefordert wird.
Dies alles verlangt von uns Bürgern einen langen Atem und Zähigkeit. Also packen wir´s an.
(siehe: www.abgeordnetenwatch.de)


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