"Man hat uns hinein gelogen in die humanitären Kriege"
Geistliche Besinnung. Von Eugen Drewermann *
* Im Rahmen unserer Berichterstattung über ausgewählte Aspekte der Ostermarschbewegung 2007 dokumentieren wir im Folgenden eine Rede, die am 8. April (Ostersonntag) bei der 104. Protestwanderung in der Neuruppiner Heide in Fretzdorf, gehalten wurde. Prominenter Redner war der Theologe Dr. Eugen Drewermann, Paderborn
Liebe Freundinnen und Freunde des Friedens, liebe Bürgerinnen und Bürger der Neuruppiner Heide!
Von ganzem Herzen danke ich Ihnen für Ihr jahrelanges Engagement gegen die Nutzung eines schönen Teils Natur als eines Zielobjektes, wie man effizient töten und morden aus großer Höhe lernt.
Ich bin mir sicher, dass es viele regionalpolitische und rechtspolitische Argumente gibt, das Bombodrom der Bundeswehr nicht zu übergeben. Diese Gründe, bin ich mir genauso sicher, werden nachher von Herrn Backhaus, Herrn Platzeck und Herrn Geulen dargelegt. Uns aber geht es heute am ersten Ostertag nicht nur darum, zu verhindern, dass ein bestimmtes Areal in das Training des Militärs umfunktioniert wird oder bleibt. Wir könnten das Bombodrom in Neuruppin verhindern, um dann mitzuerleben, wie Herr Struck oder Herr Jung es in die Lüneburger Heide verlegen. Es ist sehr wichtig, heute zu sagen, wir wollen dieses Bombodrom nicht und wir wollen überhaupt kein Bombodrom nicht, denn wir wollen keinen Krieg mehr und keine Kriegsvorbereitungen mehr.
Wogegen wir hier protestieren, hat eine direkte Verbindung zur aktuellen Tagespolitik. Man bringt uns gerade bei, dass wir Tornados brauchen über Afghanistan, um mit Herrn Struck zu reden, damit Deutschland verteidigt wird und der zivile Aufbau in Afghanistan nicht gefährdet würde.
Was denn trainiert man mit den Tornados? Alle Leute, die hier stehen in meinem Alter wissen noch, aus Kindererinnerungen an den so genannten zweiten Weltkrieg was gemeint ist mit einem Weihnachts- oder Christbaum: Ein Bomberpilot vor dem Pulk gibt die Markierung der Zieldaten an, auf welche dann die Bomben niedersausen. Nur, dass es heute sechzig Jahre später weit furchtbarere Waffen noch sind oder Massenvernichtungsmittel besser gesagt, als die Spreng- und die Phosphorbomben im zweiten Weltkrieg, Druckbomben, Napalmbomben das ist das normale Areal zum auskoffern der killing boxes. Genau dafür sollen Deutsche sich jetzt hergeben und Herr Struck erklärt, dass das alles noch kein Krieg ist. Und ein Militärbischof Mixa erklärt, dass er das gerade noch eben mittragen kann. Dies ist Beihilfe zum Mord, nichts weiter.
Vor allem sind wir es Leid, über eine Brücke von Lügen in immer die nächste Katastrophe hineinreiten zu lassen. Wer denn von unseren Nachrichten- und Medienschreibern und -sprechern erinnert sich dessen noch, wie 2001 vor dem Angriff auf die Twintowers noch im Juli in Deutschland in Bonn Amerikaner verhandelten mit Talibanführern. Darüber nämlich, wie zwei Pipelines für Erdöl durch Afghanistan gelegt werden sollten. Erst als sie sich dessen weigerten, war klar, dass sie die nächsten sein würden, die drankämen, und der Krieg war nur der Vorwand. Mit den Angriffen vom 11. September hat Afghanistan erkennbar nicht das mindeste zu tun. Man kann nicht gleichzeitig sagen, wir haben es zu tun mit Steinzeitislamisten, und ihnen dann in die Schuhe schieben, sie hätten die Technologie zur Vorbereitung der Angriffe von 9/11. Beides ist bescheuert, aber es hat nur eine einzige Logik: unter scheinbar humanitären Gründen, unter scheinbar defensiv-politischen Gründen nimmt man sich das Recht, zu machen, was man will im Zugriff auf das Erdöl.
Manchmal fragt man sich, worin der Fortschritt der Geschichte - die Vernunft der Geschichte - eigentlich bestehen solle. Sie können in Wittstock im Museum zum dreißigjährigen Krieg in deutlichem Vergleich zum Status quo heute -rechtspolitisch- den Rückfall um fast 390 Jahre miterleben. Damals führten die Habsburger Krieg, wie es die Amerikaner heute tun. Man beutete die damals Dritte Welt aus und ruinierte Millionen Indios in Mittel- und Südamerika im Zugriff auf Gold und Silber, damit man die Truppen hätte, die Soldateska, im Kampf in Europa. Der erste europäische Gesamtkrieg dreißig Jahre lang, den man zu gewinnen hoffte am Ende, um noch besser im eigenen Gebiet Herrschaft und Macht und Geld erringen zu können. Setzen Sie statt Gold und Silber Erdöl, Bauxit, Uran und was Sie wollen, haben Sie einen der vier Kriegsgründe der NATO seit 1999 - Sicherung der Ressourcen steht da – nichts weiter als „Wir nehmen uns was wir brauchen, denn wir haben jedes Recht im Gefälle der Macht.“
2001 erklärten Rot-Grün Herr Schröder und Herr Fischer die unbedingte Solidarität mit den Vereinigten Staaten von Amerika, als wenn sie die Lügerei um den Angriff gegen Afghanistan völkerrechtswidrig nicht gekannt hätten. Man hat 2003 genauso freigegeben die Unterstützung für den Krieg gegen den Irak über die Drehscheibe Frankfurt. Man war nicht gegen den Krieg, man wollte lediglich mit der Unterstützung von Friedenswilligen im Volk die nächste Wahl gewinnen. Und wir sagen: Rot-Grün oder jetzt Rot-Schwarz – Wir werden Euch die Tour vermasseln. Wir brauchen keine Politiker, deren Kopf auf einem Hals sitzt, der ähnelt einem Rechtsgewinde, wie bei einem Schraubenzieher, um sich am Wein der Macht nur gründlich zu besaufen.
Die allerschlimmste Lüge lautet, dass wir dabei sind, gar keine Kriege mehr zu führen, sondern im orwellschen Neusprech nur noch humanitäre friedensstiftende Maßnahmen ergreifen. Eindeutig ist das Töten von Menschen, nicht das Retten von Menschen. Eindeutig ist Kriegsvorbereitung, nicht Abrüstung. Eindeutig ist Krieg, nicht Frieden und Lüge, nicht Wahrheit und Menschlichkeit, nicht Grausamkeit.
Man hat uns hinein gelogen in die humanitären Kriege, als Rot-Grün, als Herr Fischer und seine Mannen uns erklärten, wir müssten Auschwitz verhindern im Kosovo. Man präsentierte uns den Hufeisenplan, von dem jeder damals bereits wissen konnte, dass er niemals existierte, dass die Verbrechen von Milosevic die konsequente Antwort dessen waren, dass man die NATO zur Luftunterstützung der UCK von Seiten der Albaner bereitstellte und in Rambouillet so verhandelte, dass kein Serbe den Vertrag am Ende hätte unterschreiben können. Madeleine Albright wollte ihren Krieg in Serbien, und den Schlamassel haben wir bis heute: Vielleicht jetzt gerade müssen wir als Europäer unablässig lang das eine Zehntel von Serben im Kosovo schützen. Nichts ist gelöst worden indem wir humanitäre Kriege führten. Zum ersten Mal deutsche Bomber über Belgrad! Welch ein Albtraum, welch eine unverschämte Lügerei und welche Unerträglichkeiten!
Man fragte 1998 Madeleine Albright, Außenministerin unter Clinton, ob ihr der Tod von 500.000 irakischen Kindern unter fünf Jahren die Aufrechterhaltung des US-Waffenembargos gegen den Irak wert sei. Wie glauben Sie antwortet eine Außenministerin eines westlichen Staates auf die Ermordung von 500.000 Kindern unter fünf Jahren? „Yes Sir“, war ihre Antwort und Punkt. Sind es nicht kriminelle, die uns da regieren, unverantwortliche Zyniker der Macht! Und was war, als ihr Chef Clinton ’95 Al-Shifa bombardieren ließ, rein auf Verdacht hin, ein Chemiewerk im Süden des Sudan mit der Unterstellung, es produziere Waffen. Es produzierte Medikamente. Und was macht ein amerikanischer Präsident, wenn er das einzige pharmazeutische Werk in einem Drittweltland in Grund und Boden bombardieren lässt? Baut er es wieder auf, entschuldigt er sich, gibt er Medizinersatzmittel bereit? Nichts von alledem! Mit der Folge, dass wieder, wir können schätzen, hunderttausende von Menschen krepieren, an Malaria, an Schlafkrankheit, an was Sie wollen, dass die Rinderherden dezimiert werden durch jede Seuche. So beginnt zum Teil die Ursache für das Desaster in Darfur. Aber wieder müssen wir humanitär eingreifen. Statt die Verbrechen vor Ort zu benennen. Dafür wären die Medien gut, dass sie Ihre Kamera mal darauf richteten, wie es aussieht, was sie machen.
Wir könnten in dieser Auseinandersetzung politisch endlos weitermachen, Punkt für Punkt abarbeiten. Wir sind gegen den Krieg aus einer einzigen Begründung: Sie steht zur Einfahrt hierher auf dem Plakat oder dem Transparent an der Straße: Es ist das fünfte Gebot „Du sollst nicht töten!“ Ich war gerade erschüttert, hier in der Kirche von Fretzdorf, zum ersten Mal in meinem Leben, einem Moses zu begegnen, der unter der Last der Kanzel fast zusammenbricht und der sich stützen muss wie wär’ es seine letzte Krücke. Auf der Tafel der zehn Gebote auf der steht „Du sollst nicht töten!“
Wie schwer in unserer mörderisch wütenden Friedenspolitik ist es, daran zu erinnern, dass „Du sollst nicht töten!“ mit Sicherheit heißt: „Du sollst nicht mit 18 Jahren dich zwingen lassen zu trainieren, wie man am effizientesten mordet!“
Es gibt eine Menge wirtschaftlicher Gründe, gegen den Krieg und gegen jede Kriegsvorbereitung zu sein. Wir in Deutschland zahlen ungefähr dreißig Milliarden Euro nur für Rüstung jedes Jahr. Das bedeutet etwa täglich 100 Millionen Euro, die wir verpulvern. Jeder kann sich in Neuruppin ausrechnen, was man mit 100 Millionen Euro machen könnte. Und das ist nur ein Zehntel von dem, was die Amerikaner verschwenden: über dreihundertfünfzig Milliarden Dollar jedes Jahr nur für Rüstung plus Zusatzhaushalte 100 Milliarden, 80 Milliarden – so what? Allein die USA geben für Rüstung mehr aus, als die halbe Welt. Man will den Hegemonialanspruch. Wie anders könnte es aussehen, und wir wüssten es genau als die Russen hier abzogen, und ihr Bombodrom zurückließen. Damals ’89 erklärte Gorbatschow ein Ende aller Rüstung - Abbau des Warschauer Paktes genauso wie der NATO, die Stalinnote 1952, der Rapazki-Plan 1956 - kein NJET von russischer Seite, sondern NO von amerikanischer Seite! Man wollte den kalten Krieg gewinnen. Man wollte Hegemonialansprüche für den globalisierten Kapitalismus durchsetzen. Da stehen wir heute. Deshalb musste es eine NATO-Osterweiterung geben unter Kohl. Und deshalb belügt man uns bis zum heutigen Tag und erklärt das für eine Erfolgsstory. Als Bush Senior ’91 erklärte, wir haben den kalten Krieg gewonnen, gab es keinen deutschen Politiker, der ihm sagte, was denn der Preis dafür war. Fünfzig Millionen Menschen, die verhungern, jedes Jahr. Das ist der Preis für den gewonnen kalten Krieg. Ich muss zugeben, um diesen Preis wollte ich niemals Sieger sein. Wir hätten den ganzen kalten Krieg über was Besseres zu tun gehabt.
Dann höre ich Grünenpolitiker sagen, aber wir müssen eine zuverlässige berechenbare Außenpolitik etablieren. Wir dürfen aus der NATO gar nicht heraus. Wenn wir zur Erkenntnis kommen, dass wir im Grunde einer kriminellen Vereinigung angehören, nur aus wenig Wachsamkeit beim Eintritt, kommt es einem Verbrechen gleich, in diesem Verband noch weiter zu bleiben. Der Austritt wird zur Pflicht.
Wir haben in ganz Europa keine Feinde mehr. Und wenn die Rüstung bedeutet, die Verwüstung der Welt - Millionen Opfer an Toten, mehr als der ganze zweite Weltkrieg in Ostasien und Europa an Menschen gefressen hat sechs Jahre lang, im Auswurf der Vernichtungskapazität aller großindustrialisierten Nationen - ist deutlich in welchen Dimensionen wir heute nicht Sicherheit, sondern politischen Wahnsinn zum Machterhalt und Machtgewinn definieren. Damit muss im PRINZIP Schluss sein.
Und wenn all das noch diskutabel wäre, modifizierbar, differenzierbar, gibt es an diesem Punkt nun kein Wenn und Aber mehr: Was die Kriegsvorbereitung mit den Achtzehnjährigen auf den Kasernenplätzen überall auf Erden macht, bedeutet, dass wir den Krieg, wie einen Kraken unsere Kultur umgeben lassen bis dass er jeden zivilen Impetus ins Gegenteil wegsaugt. Wir führen am Ende Krieg unter den ewigen Begriffen Gerechtigkeit, Fortschritt, Freiheit, Menschlichkeit und was wir anrichten ist in jedem Punkt das Gegenteil: Es verbreitet sich im Kampf gegen den Terrorismus auf diese Art der Terror. Es verbreitet sich auf diese Art beim Fortschritt für die Demokratie Zwang und Diktatur. Es verbreitet sich bei dieser Art der Verbreitung von Menschlichkeit Unmenschlichkeit und Würdelosigkeit. Dies alles ist ein gegenfinaler Irrsinn, den jeder erkennen könnte, und von dem ich möchte, dass er im Bundestag von den Linksparteien zumindest und von denen die noch denken können, klar und eindeutig zur Sprache gebracht wird.
Was denn lernt ein Achtzehnjähriger, wenn man ihn hernimmt, zum Killerprofi sich ausbilden zu lassen? Sollten wir nicht sagen ungerührt mit Tucholsky und Karl von Ossietsky „Soldaten sind Mörder“, denn wozu erzieht man sie außer, dass ihre aus dem Tierreich noch stammende Tötungshemmung durch rein mechanisiertes Training heruntergefahren wird zur vollkommenen Empfindungslosigkeit, zu töten auf Befehl. Das soll gelernt werden. Ich höre sagen, dass unsere Soldaten ja weiter Bürger in Uniform bleiben. Der Krieg macht aus ihnen eine Gegenwelt, Angehörige der Steinzeit mitten im Atomzeitalter, macht aus ihnen latente Bestien, die nur auf den Befehl warten, wie Schläfer, sich selber von der Kette zu lassen. Keine Armee der Welt gibt es, in der man Befehlsverweigerung aus Gewissensgründen trainiert und lernt, wie man unmenschliche Befehle verweigert. Nirgendwo. Ein Soldat hat zu lernen, dass er verantwortlich ist für die Ausführung des Befehls, nicht für den Inhalt. Das wird delegiert. Wie wenig in irgendein Rechtssystem dieses Denken passt, könnten wir Deutschen, hätten wir Deutschen lernen sollen 1947 in Nürnberg. Damals konnten die amerikanischen Ankläger den Nazigranden gegenüber die Frage erheben, ob sie sich denn das selber glauben - Befehl ist Befehl?! Was denn mit ihnen los sei, man schiebt sich einen Stahlhelm über das Gehirn und hört dann auf zu denken. Man zieht sich eine Uniform an und gibt seine Menschlichkeit an der Garderobe zum Wallhall einfach ab. Man schiebt sich einen Koppel um den Bauch auf dem steht „Gott mit uns!“ und hat das Recht zu jeglichem Verbrechen. Ist nicht die Delegation der Verantwortung an die nächsthöhere Befehl ausgebende hierarchische Ebene unverantwortlich und unmenschlich im Kern, dann ist der Gehorsamsbegriff des Militärs inhuman im Kern. Und dies sollten wir unseren amerikanischen Verbündeten jenseits des Teichs genauso zurückmelden, wie sie es ’47 gesagt haben.
Den ganzen kalten Krieg hat man uns beibringen wollen, dass wir die Abscheulichkeiten alle nur lernen, um sie niemals tun zu müssen. Jetzt titelt der Spiegel im letzten Jahr: „Die Deutschen müssen lernen wie sie töten“. Wir sagen, wir werden das niemals mehr lernen wollen. Wir wollen eine Politik, die das nicht mehr im Programm hat, die Option des Krieges.
Nehmen sie als Beispiel für das, was militärischer Gehorsam aus Menschen macht, nicht nur die Experimente von Stanley Milgram aus den siebziger Jahren in Stanford und in der Yale-Universität, nehmen sie ein kleines Interview von 1995 auf RTL: Günter Jauch befragt den Bomberkommandanten vom 9.August 1945 über Nagasaki. „Major Sweeney, was haben sie gedacht, ein halbes Jahrhundert geht hin und Sie …“. Er hat nicht gefragt, „Major Sweeney, sie haben mit eigener Hand gleich ihrem Staffelkameraden Major Tibbets drei Tage vorher über Hiroshima mehr Mensche getötet mit eigener Hand, als jeder in der Geschichte der Menschheit bislang. Wussten Sie, dass ein Dutzend Jahre später noch japanische Frauen beim Gebären eines Kindes nicht fragen, ist es ein Junge oder ein Mädchen, sondern, hat es Erbschäden oder nicht. Das zwanzig Jahre später in den Kliniken von Japan immer noch Menschen strahlen, vergiftet und verseucht, sich verröcheln werden in einem Leben, das Sie gestohlen haben.“ Major Sweeney antwortete ganz simpel: “Was soll das? Jeder Soldat der Welt hätte dasselbe getan. Befehl ist Befehl.“ Und sein Präsident erklärt, ich werde mich für Amerika niemals entschuldigen.
Was macht man aus Menschen? Die US-Army hat im Moment einhunderttausend Fälle von posttraumatischem Stress-Disorder. Von Menschen, die aus dem Ruder laufen, weil man sie gelehrt hat, jede Grenze zu überschreiten. Wenn man einmal tötet, gibt es kein Halten mehr. Man überschreitet die Hemmung, die, ich sage noch mal, aus der Zeit der Wölfe und Schimpansen in uns liegen könnte. Wir hören nicht bloß auf, Menschen zu sein, wir werden schlimmer als die Bestien, weil wir all das was furchtbar ist, lernen mit System, mit Gefühllosigkeit, mit Zerstörung des Mitleids, und dann kommen Menschen nach Hause, die von all dem was sie tun sollten oder mussten oder glaubten, man könne es ihnen abverlangen, kein Wort mehr sagen dürfen. Ich hab eine Reihe von Feldpostbriefen aus dem so genannten zweiten Weltkrieg von Männern gelesen, die genauso schrieben: „Frau, feiere Weihnachten, aber was wir hier machen, kann ich dir nicht sagen. Und wenn es zurückkommt auf Deutschland, ist es wie ein Gericht Gottes.“ Wie heilt man Menschen, die traumatisiert wurden -nicht durch das was man ihnen zugefügt hat- sondern durch das, was sie anderen zufügen mussten. Es zerspaltet ihre Seele. Es teilt sie in ganz verschiedene Marionettenpersönlichkeiten, die keine geistige Synthese mehr finden.
Es wäre die große Chance, dass endlich eine Generation aufsteht, die nicht mehr durch den Schlachthof den Eintritt in die Geschichte finden muss. Und diese Generation, hätten wir die Chance in Deutschland endlich zu bekommen, ersparen wir unseren Kindern und Kindeskindern den Krieg ein für alle mal, sagen wir mit Wolfgang Borchert, ganz ähnlich, wie es da steht auf der Rückseite -nicht des Kriegerdenkmals von Fretzdorf- sondern des Kriegserinnerungsmals. Er schrieb ’47 in Basel lungenkrank und sterbend sein Vermächtnis:
Mann an der Werkbank, wenn sie wiederkommen
und dir sagen, du sollst statt Wasserrohren und Kochgeschirren
Kanonenrohre und Handgranaten ziehen.
Mann an der Werkbank, sag nein!
Und wenn sie kommen, Pfarrer in der Kirche
und sagen, du sollst wieder den Krieg rechtfertigen und heilig sprechen
und die Waffen segnen.
Pfarrer auf der Kanzel, sag nein!
Und Mutter, wenn sie zu dir kommen und sagen,
du sollst gebären, Jungs für die Schützengräben, Mädchen für die Spitäler,
für den nächsten Krieg.
Mutter in der Ukraine, Mutter in Deutschland, sag nein !
Denn wenn ihr nicht nein sagt, wird das alles noch viel schlimmer wiederkommen!
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