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"Friedensbewegung zeigte sich flächendeckend im ganzen Land"

Bewertung der Ostermärsche 2004 durch die Friedensbewegung (drei Erklärungen)

Im Folgenden dokumentieren wir drei Presseerklärungen zum Abschluss der Ostermärsche 2004.


Informationsstelle Ostermarsch 2004

Presseinformation Nr. 9

Mehrere zehntausend Menschen beteiligten sich während der Ostertage in 63 Städten an den traditionellen Ostermärschen der Friedensbewegung. Die lokalen und regionalen Veranstalter zeigten sich mit der Resonanz in der Öffentlichkeit überaus zufrieden. Auch die Beteiligung entsprach ihren Erwartungen.

Nach den zahlreichen Aktionen am Jahrestag des Angriffskrieges gegen den Irak am 20. März und am Europäischen Aktionstag gegen Sozialabbau am 3. April, zeigte sich die Friedensbewegung an Ostern flächendeckend im gesamten Land in ihrer ganzen Vielfalt und Kreativität. Unverkennbar war dabei das wachsende Interesse der Bevölkerung an einem Wechsel zu einer auf Frieden und soziale Gerechtigkeit gerichteten Politik.

Im Mittelpunkt der politischen Forderungen stand die Warnung vor der weiteren deutschen Verstrickung in den zunehmend eskalierenden Krieg im Irak. Einmal mehr habe sich gezeigt, dass Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit mit militärischer Gewalt nicht erreicht werden können. Gefordert wurde eine starke Rolle der UNO, um freie Wahlen zu demokratisch legitimierten Selbstverwaltungsorganen durchführen zu können.

Das Eintreten für ein friedliches und abgerüstetes Europa verbanden die Demonstranten mit der Ablehnung des vorliegenden Verfassungsentwurfs für die größer gewordene Europäische Gemeinschaft. Demnach sollen die Führung von Angriffskriegen und militärische Aufrüstung verfassungsrechtlich abgesichert werden.

Eine immer wiederkehrende Forderung war die nach Abrüstung statt Sozialabbau, was auch mit einer Unterschriftenaktion verbunden wurde. Das erklärt sich einmal aus der gegenseitigen Unterstützung von Friedens- und Gewerkschaftsbewegung, aber auch aus der Erfahrung mit Kürzungen und Streichungen im Sozialbereich sowie einer uneingeschränkten Aufrüstung bei denjenigen Waffensystemen, die zur Führung von Angriffskriegen geeignet sind. Genannt wurde immer wieder der Eurofighter.

Bei Konzentration auf diese Gemeinsamkeiten zeichneten sich die Aktionen auch durch eine große politische Vielfalt aus. Da waren einmal die regionalen Bezüge im Zusammenhang mit dem Bombodrom bei Fretzdorf oder der zivilen Nutzung der Colbitz-Letzlinger-Heide, aber auch Forderungen nach dem Verbot von Rüstungsexporten, einer neuen solidarischen Weltwirtschaftsordnung, der Auflösung der Einsatzkräfte der Bundeswehr, der weltweiten Abschaffung der Atomwaffen, dem Aufbau von Strukturen für gewaltfreie Lösung von Konflikten und für ein funktionsfähiges internationales Strafgericht.

Wir wollen eine friedliche Welt, so Willi van Ooyen, Sprecher der bundesweiten Infostelle Ostermarsch 2004, wir wollen globale Gerechtigkeit, statt militärischer Vorherrschaft, wir wollen zivile Prävention statt Präventivkriege, ein demokratisches und soziales Europa des Friedens statt einer EU-Armee. Die friedensbewegten Menschen sind aufgerufen, am kommenden 1. Mai gemeinsam mit den Gewerkschaften für Abrüstung statt Sozialabbau zu demonstrieren.

Frankfurt am Main, 12. April 2004

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Pressemitteilung
  • Ostermärsche im Zeichen des Irakkriegs
  • Friedensbewegung: "Sprachrohr der Bevölkerungsmehrheit"
  • Grüne und Sozialdemokraten marschieren mit
  • Kritik des Militärbischofs Mixa zurückgewiesen
Kassel, 12. April - Zum Abschluss der diesjährigen Ostermärsche stellt der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag fest:

Der wieder aufflammende Irakkrieg stand im Mittelpunkt der diesjährigen Ostermärsche, die durch rund 70 Städte führten. In zahlreichen Reden wurde darauf hingeweisen, dass die desaströse Lage im Irak einzig und allein die Folge des völkerrechtswidrigen und auf Lügen aufgebauten Krieges sei. Den Besatzungsmächten sei es nicht gelungen, die Situation im Land zu stabilisieren. Die Unzufriedenheit mit dem Besatzungsregime mache sich nun in aufstandsähnlichen Aktionen Luft. Die Ostermarschierer forderten den sofortigen Stopp des Krieges, den Abzug der Besatzungstruppen und die Vorbereitung von Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen. Das Argument, dass dann im Irak das Chaos ausbrechen würde, lässt die Friedensbewegung nicht gelten. "Das Chaos, das ist die Anwesenheit der Besatzungstruppen, das ist die außergesetzliche Willkür des Militärs, das ist die westliche Überheblichkeit, die für immer mehr Menschen im Irak unerträglich wird", sagte Peter Strutynski beim Münchner Ostermarsch am Samstag.

Angesichts der dramatischen Lage im Irak und der anderen Herausforderungen (EU-Militärverfassung, Umwandlung der Bundeswehr in eine Interventionsarmee) kann man mit der Beteiligung an den Ostermärschen nicht rundum zufrieden sein. Am Sonntag und Montag stiegen aber die Teilnehmerzahlen stark an. Insgesamt haben sich an den vier Ostertagen zwischen 15.000 und 20.000 Menschen* aktiv beteiligt. Die Demonstranten haben sich aber als Sprachrohr der Bevölkerungsmehrheit betätigt, die den Irakkrieg immer abgelehnt hat und die auch keine Kriegseinsätze der Bundeswehr in aller Welt wünscht. Es ist erfreulich, dass an vielen Orten auch Kreisverbände der Grünen und manchmal auch SPD-Unterbezirke zu den Ostermärschen aufgerufen haben.

Der Bundesausschuss Friedensratschlag widerspricht entschieden dem Einwand des Militärbischofs Walter Mixa, der sich zu Ostern für "humanitäre" Bundeswehrauslandseinsätze ŕ la Afghanistan und sogar für Einsätze der Bundeswehr im Inneren aussprach. Mit diesen Ansichten setzt sich Mixa nicht nur in Gegensatz zu den vielen christlichen Demonstranten, sondern auch zu den friedenspolitischen Positionen der beiden großen Kirchen und der ökumenischen Kommission "Justitia et Pax". Den Soldaten, für deren Wohl die Militärseelsorge ja da sein soll, erweise Mixa mit seinen radikalen Sprüchen eine Bärendienst.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)

* Die Zahlen erwiesen sich nach nochmaliger Recherche als viel zu niedrig. Man muss von einer doppelt so hohen Teilnehmerzahl ausgehen.

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Pressemitteilung

Bonn, Ostermontag, 12. April 2004

Bilanz der Ostermärsche „ausgesprochen ermutigend“
„Kriegs- und Globalisierungskritik gehören zusammen“

Als „ausgesprochen ermutigend“ bezeichnet das Netzwerk Friedenskooperative die Beteiligung an den diesjährigen Ostermärschen. Vielerorts hätten die TeilnehmerInnen-Zahlen die gedämpften Erwartungen der Veranstalter übertroffen. Schlie+lich waren eine Vielzahl von Demonstrationen zum Jahrestag des Irakkrieges am 20. März und die Großdemonstrationen von Gewerkschaften und Globalisierungskritikern gegen Sozialabbau vorausgegangen.

Dennoch gingen über Ostern etliche Tausende für Abzug der Besatzungstruppen und Frieden im Irak, eine „Friedensmacht Europa“ statt der Festschreibung von Aufrüstung in der Verfassung, für Abrüstung statt Sozialabbau und gegen den Umbau der Bundeswehr zur weltweiten Eingreifarmee auf die Straße – 8.000 allein im brandenburgischen Fretzdorf gegen das geplante „Bombodrom“ der Bundeswehr. Die Ostermärsche haben gezeigt, dass ein stabiler Kern der Friedens- und globalisierungskritischen Bewegung Alternativen zum Krieg und zur ungerechten, hasserzeugenden, globalen Wirtschaftspolitik entwickelt und einfordert.

Angesichts des zunehmenden Desasters der Besatzung im Irak haben die Forderungen der OstermarschiererInnen nach Abzug der Truppen neue Berechtigung erfahren. +berspitzt hatte das Netzwerk Friedenskooperative während der Ostertage „USA raus aus Vietnam!“ gefordert und vor einer Einbindung der NATO im Irak gewarnt. Eine Hoffnung bestehe nur noch in der Übertragung aller Verantwortung auf die UN, die in Absprache mit den wichtigsten irakischen Kräften schnelle Wahlen unter Absicherung durch Blauhelmkontingente vereinbaren könnte. Voraussetzung wäre der Verzicht der USA auf die bisherigen – auch wirtschaftlichen – Kriegsziele, zu dem Europa die Bush-Regierung jetzt drängen müsste.

Aktionen für eine friedensfördernde europäische Politik und die Kritik am EU-Verfassungsentwurf, der militärische Interventionsfähigkeit und Aufrüstung festschreibt, werden von vielen Friedensinititiativen in den kommenden Wochen beim Europawahlkampf fortgeführt. Gerade auch die reale Bedrohung durch den islamistischen Terrorismus erfordere – so die Friedenskooperative – einen Paradigmenwechsel weg von militärischem und hin zum politischen, wirtschaftlichem und sozialem Engagement mit fairer Kooperation zu den Ländern „des Südens“ und besonders zur arabisch-islamischen Welt. Erinnert wird in diesem Zusammenhang an die Dringlichkeit einer politischen Lösung des „Schlüsselkonflikts“ Israel-Palästina, zu der die USA aber auch Europa entscheidend beitragen könnten.

Ausgesprochen positiv bewertet die Friedenskooperative auch das weitere Zusammenrücken von globalisierungskritischer Bewegung, Friedensbewegung und Gewerkschaften, deren Themen sich immer mehr überschneiden.

Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative


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