Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

März 2005

Friedensbewegung in den Medien

Die großen überregionalen Zeitungen berichteten über den Abschluss der Ostermärsche mit dem fast schon obligatorischen Hinweis auf ihre gesunkenen Teilnehmerzahlen. Dass es gleichwohl in diesem Jahr eher mehr waren als 2004, wird nicht zur Kenntnis genommen. In der Süddeutschen Zeitung besteht die Ostermarschmeldung v.a. aus einem Bericht über den Protest von 10.000 Demonstranten gegen den geplanten Bombenabwurfplatz „Bombodrom“ bei Wittstock. Es heißt da u.a.:

An der Demonstration nahmen mehrere Landespolitiker aus Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie Prominente wie der Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer und der Schauspieler Peter Sodann („Tatort“) teil. Schorlemmer forderte ein sofortiges Aus für das Bombodrom. Es dürfe nicht sein, dass 60 Jahre nach der Bombardierung deutscher Städte wieder Krieg von deutschem Boden ausgehe, sagte er.
Brandenburgs Staatskanzleichef Clemens Appel (SPD) würdigte das Engagement der Demonstranten , die seit Jahren gegen das Bombodrom protestieren. Die Landesregierung stehe auf der Seite der Anwohner. Mecklenburg-Vorpommerns Umweltminister Wolfgang Methling (PDS) sagte, um das Bombodrom zu verhindern, müssen man den parlamentarischen Weg gehen, aber auch Druck von unten auf die Bundesregierung ausüben.
In anderen Städten lag die Beteiligung an den Ostermärschen deutlich geringer als in Brandenburg. (...) Auch in 65 anderen Städten Deutschlands fanden während der Feiertage Ostermärsche statt, an denen sich nach Angaben der Veranstalter insgesamt „Zehntausende Menschen“ beteiligten. (...)

Aus: Süddeutsche Zeitung, 29. März 2005

Die Frankfurter Rundschau berichtete auf Seite 1 sowie im Hessenteil (hier u.a. über die Ostermärsche in Kassel und Gießen). Der Artikel auf Seite 1 war überschrieben mit "Nein zur EU-Verfassung - Ostermarschierer sehen Aufrüstung gefördert".

Mehr als 30 000 Menschen haben bei den Ostermärschen in 65 deutschen Städten gegen Krieg und Gewalt demonstriert. Sie kritisierten die Irak-Politik der USA, lehnten die EU-Verfassung ab und sprachen sich gegen den Sozialabbau aus.
Beim größten deutschen Ostermarsch bei Wittstock in Brandenburg forderten mehrere tausend Menschen, die Pläne für den Ausbau gegen die militärische Nutzung des "Bombodroms" zu den Akten zu legen. In vielen Städten gingen an den Osterfeiertagen hunderte Menschen auf die Straße. Das Ostermarsch-Büro in Frankfurt am Main zeigte sich mit der bundesweiten Teilnehmerzahl zufrieden.
(...)
Viele der Demonstranten verlangten von der Bundesregierung eine größere Distanz zu US-Präsident George W. Bush und dessen Kampf gegen den Terror, der nach ihrer Auffassung "selbst Terror ist". Sie forderten die Politiker auf, sich anstelle von Rüstungsexporten und Militäreinsätzen mit zivilen Strategien an der Lösung von Konflikten zu beteiligen. Die Friedensdemonstranten lehnen außerdem den Entwurf für eine EU-Verfassung ab, weil diese die Aufrüstung fördere.

Aus: Frankfurter Rundschau, 29. März 2005

"Gegen Kriegseuropa" titelte die "junge Welt" (Autor: Reimer Paul). In dem Artikel heißt es u.a.:

(...) Inhaltlich standen die Kritik am Irak-Krieg und am »Krieg gegen den Terror«, an den deutschen Rüstungsexporten sowie an den Plänen für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union im Mittelpunkt der Osteraktionen. Die Friedensbewegung lehnt insbesondere den Entwurf für eine EU-Verfassung ab, weil diese zur Aufrüstung verpflichtet. Im Artikel 41 heißt es etwa: »Die EU-Mitgliedsstaaten verpflichten sich, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern.« Mit den Ostermärschen wollte die Friedensbewegung außerdem an das Kriegsende, an die Befreiung vom Hitlerfaschismus sowie die Atombombenabwürfe der USA vor 60 Jahren erinnern. Etliche Aufrufe prangerten auch den fortschreitenden Sozialabbau in Deutschland an. »Abrüstung statt Sozialabbau« und »für eine gerechte Welt ohne Hunger und Armut«, hieß es in Berlin.
Veranstalter der Aktionen waren in den meisten Orten Bündnisse aus Friedensgruppen, kirchlichen Initiativen und Gewerkschaften. Die PDS und die neu gegründete Partei »Arbeit und soziale Gerechtigkeit – Die Wahlalternative« unterstützten die Ostermärsche. SPD und Grüne schlossen sich dagegen nur in Ostdeutschland den Aufrufen an. (...)

Aus: junge Welt, 29. März 2005

In derselben Ausgabe erschien auch noch ein Interview mit einem Aktivisten vom Ostermarsch Rhein-Ruhr, Willi Hoffmeister. Auch daraus ein Auszug:

Frage: Sind Sie zufrieden mit dem Verlauf des diesjährigen Ostermarsches Ruhr?
Willi Hoffmeister: Nein und ja. Die Lethargie, die wir an den Informationsständen in Vorbereitung des Ostermarsches bei vielen Passanten etwa in Dortmund erlebten, war schon bedrückend. Über die Anzahl der Teilnehmer läßt sich immer streiten. Ich denke, sie entsprach auch in diesem Jahr dem üblichen Durchschnitt von insgesamt mehreren hundert Personen und der Erfahrung, daß sich Menschen erst bewegen, wenn das Kind im Brunnen liegt. Positiv ist, daß der Ostermarsch Ruhr, wie alle anderen Ostermärsche auch, sein Anliegen beharrlich und mit langem Atem jährlich kundtut.
F: Hat denn die Bevölkerung genug vom Ostermarsch mitbekommen?
An den drei Marschtagen, die quer durch das Ruhrgebiet führten, hat es insgesamt zwölf Kundgebungen mit Reden aus christlichen, sozialen, antifaschistischen und betrieblich/gewerkschaftlichen Kreisen gegeben.
F: Ist es gelungen, jüngere Leute mehr einzubinden?
Ja, und das freut mich besonders. Nach dem Ausscheiden der Jugendverbände aus dem Organisationskreis zu Beginn der neunziger Jahre, hat mit der SDAJ erstmals wieder ein Jugendverband eigenständig mitgearbeitet.
Was waren neben der Ablehnung der EU-Verfassung die maßgeblichen Themen in diesem Jahr?
Der von der Friedensbewegung propagierte Arbeitsslogan »Abrüstung statt Sozialabbau« war auch beim diesjährigen Marsch eine wichtige und richtige Losung. Aber gerade in diesem Jahr, dem 60. nach der Befreiung von Faschismus und Krieg, fand der Aspekt Antifaschismus eine entsprechende Würdigung, besonders bei der Zwischenkundgebung am antifaschistischen Ehrenmal in Gelsenkirchen, beim Abschluß der zweiten Tages in Bochum-Langendreer mit dem antifaschistischen Widerstandskämpfer Peter Gingold und auch beim Friedensfest nach der dritten Etappe in Dortmund. Außerdem hat es eine Kundgebung von türkischen und kurdischen Kriegsdienstverweigerern in Düsseldorf gegeben. Dort sprach neben anderen der Kriegsgegner Mehmet Cetiner, dem die deutschen Behörden derzeit mit Abschiebung drohen. (...)

Aus: junge Welt, 29. März 2005

Im Neuen Deutschland befanden sich auch zwei Beiträge zu den Ostermärschen. In einem ging es um den Ostermarsch an Rhein und Ruhr, im anderen um die größte Veranstaltung, den Ostermarsch gegen das Bombodrom (Autorin: Ellen Krüger). Darin heißt es:

Ob das größte lebende Stoppschild für Tiefflieger ins Guinness-Buch der Rekorde Einzug hält, ist noch nicht bekannt. Auf alle Fälle haben sich die Organisatoren des Ostermarsches in der Kyritz-Ruppiner Heide wieder etwas einfallen lassen. "No Bombs" lautet die Botschaft an die Adresse der Politik. Ein Buchstabe wurde jeweils von 3.00 Menschen gebildet. Nach Schätzungen des Veranstalters waren diesmal 10.000 Demonstranten nach Fretzdorf gekommen, um gegen die Errichtung eines Luft-Bodenschießplatzes zu protestieren.
"Im Aufstehen steckt die Kraft des Aufstands", sagte Friedrich Schorlemmer beim diesjährigen Ostermarsch in Fretzdorf . Es würde ja gar nicht mehr anders gehen, als die Heide friedlich zu nutzen, meinte er angesichts der bisher durchgeführten unzähligen Aktionen der Bürgerinitiativen. Im nächsten Jahr werde es eine großes Fest anstelle der Demo geben, wo die zivile Nutzung der Heide gefeiert wird, prophezeite er. Es gehe beim Kampf um die Heide nicht nur um ein Stück Erde, vielmehr gehe es um etwas Prinzipielles. Es sei an der Zeit, das Denken zu entmilitarisieren, Probleme auf der Erde könnten nicht aus der Luft geklärt werden, so Schorlemmer kämpferisch.
Aus dem Theater in Halle war Peter Sodann angereist. Der Krieg sei heutzutage legitimes Mittel der politischen Klassen geworden, schätzte der Schauspieler ein und fragte: "Was ist los mit diesem Land?" Er vermisse den viel gepriesenen Ruck, der im Zuge der Reformen durchs Land gehen sollte. Was bisher rausgekommen ist, sei lediglich "Kesselflickerei im Namen der Globalisierung. Dabei vermisse ich allerdings Freundschaft, Toleranz und Gerechtigkeit", sagte Sodann.

Aus: Neues Deutschland, 29. März 2005

Auch am zweiten Tag der Ostermärsche berichtete die 20-Uhr-Tagesschau. Im Internet lautete die Meldung wie folgt:

In rund 30 deutschen Städten haben auch heute Friedensdemonstrationen im Rahmen der traditionellen Ostermärsche stattgefunden. Die größte Veranstaltung fand mit mehr als 1000 Teilnehmern in München statt, wie das zentrale Ostermarschbüro in Frankfurt am Main mitteilte.
Die Friedensbewegung forderte eine Ächtung des Irak-Kriegs und lehnt den Entwurf einer Europäischen Verfassung ab, weil sie eine Verpflichtung zu weiterer Aufrüstung und Kriegsführung in aller Welt vorsehe. Außerdem kritisieren die Kriegsgegner gestiegene Rüstungsexporte der Bundesrepublik.
Im Mittelpunkt der Ostermarsch-Aktionen standen Kundgebungen in den Innenstädten - zum Beispiel in Bremen, Düsseldorf, Mainz und München. Die Kriegsgegner machten außerdem mit Friedensgebeten auf ihre Anliegen aufmerksam, mit Mahnwachen, Musik, Flugblättern, Radtouren, gemeinsamen Zugfahrten und Demonstrationszügen.
Traditionell werden die Aktionen von gewerkschaftlichen, kirchlichen und umweltpolitischen Initiativen durchgeführt. Größte Einzelkundgebung soll am Sonntag eine Demonstration im brandenburgischen Fretzdorf gegen die Nutzung des Truppenübungsplatzes Wittstock als Bombenabwurfplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide werden. Höhepunkt der Ostermarsch-Aktionen sind wieder am Montag die Großkundgebungen in Berlin, Frankfurt am Main, Bochum und Hamburg.

Aus: www.tagesschau.de, 26. März 2005

Die Ostermärsche haben begonnen und die Medien berichten ab Karfreitag (25. März) über Funk und Fernsehen (z.B. sogar die Tagesschau), am 26. März auch in den Zeitungen über die ersten Aktionen. In der Tagesschau hieß es u.a.:

Mit Kundgebungen, Gottesdiensten und Fahrradstafetten hat die Friedensbewegung am Karfreitag ihre traditionellen Ostermärsche begonnen. In Chemnitz zogen rund 600 Teilnehmer unter dem Motto "Für ein friedliches und soziales Europa - Gegen Neofaschismus, Militarisierung und Krieg" durch die Innenstadt. Nach Angaben des Ostermarschbüros in Frankfurt am Main sind über die Feiertage insgesamt mehr als 60 Aktionen geplant.
Im schwäbischen Biberach hatten Aktivisten zu einer Mahnwache aufgerufen. Ihr Protest richtete sich unter anderem gegen den Irak-Krieg, bei dem auch eine deutlichere Distanzierung der deutschen Bundesregierung zur Politik der USA verlangt wurde. Besonders bei den ostdeutschen Veranstaltungen rückten auch der Widerstand gegen Sozialabbau und die Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus ins Zentrum.

www.tagesschau.de, 25. März 2005

In der taz war am 26. März zu lesen:

Die traditionellen Osteraktionen der Friedensbewegung haben gestern mit Demonstrationen, Kundgebungen, Gottesdiensten und Fahrradstafetten begonnen. Wie die Informationsstelle Ostermarsch in Frankfurt am Main mitteilte, gab es Veranstaltungen unter anderem in Dortmund, Leipzig, Chemnitz und im hessischen Bruchköbel. Im Mittelpunkt stand die Forderung nach Ächtung des "völkerrechtswidrigen Angriffskrieges" gegen den Irak und dem sofortigen Rückzug der alliierten Truppen. In Chemnitz demonstrierten den Angaben zufolge mehrere hundert Menschen vor allem gegen "Sozialabbau" .
Bundesweit soll es bis Ostermontag in mehr als 60 Städten Demonstrationen und Protestkundgebungen geben. Die Organisatoren rechnen wie in den vergangenen Jahren mit mehreren zehntausend Teilnehmern.

Aus: taz, 26. März 2005

Im "Neuen Deutschland" bekam Mani Stenner von der Bonner Friedenskooperative Raum für einen "Gastkommentar". Darin schreibt er u.a.:

(...) 60 Jahre nach der Befreiung vom Hitlerfaschismus und dem Ende des Zweiten Weltkrieges knüpfen Friedensgruppen an den damaligen untrennbaren Konsens an: Nie wieder Krieg und nie wieder Auschwitz. Der zweite Teil wurde von Joschka Fischer 1999 zur Rechtfertigung der Bomben auf Belgrad benutzt. Aber in unserer Gesellschaft gibt es über die 60 Jahre hinweg noch immer eine große Skepsis gegenüber Krieg und Militär – durchaus ein Verdienst der Friedensbewegung mit ihrer wechselvollen Nachkriegsgeschichte. Friedens- und globalisierungskritische Bewegung arbeiten in jüngster Zeit Hand in Hand, Aktionen werden zum Teil weltweit auf den Sozialforen abgesprochen und viele junge Menschen sind dabei. Wenn schon nicht Supermacht – totzukriegen sind wir nicht.

Aus: Neues Deutschland, 26. März 2005

Die "junge Welt" sorgt sich um die Aktionsfähigkeit bzw. Mobilisierungsstärke der Friedensbewegung und befragte Peter Strutynski, einen Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag:

(...) Frage: Am Freitag starteten in Deutschland die Ostermärsche. An den globalen Aktionstagen gegen den Irak-Krieg am 19. und 20. März demonstrierten auf allen Kontinenten Hunderttausende gegen Krieg und Besatzung. Nur in Deutschland war es ziemlich ruhig. Was ist mit der Friedensbewegung los?
Aus Deutschland sind viele – vor allem aus dem Rheinland und dem Ruhrgebiet – nach Brüssel gefahren, wo sich die zentrale Demonstration, zu der das europäische Sozialforum und die Gewerkschaften aufgerufen hatten, auch gegen den Irak-Krieg und die Militarisierung der EU richtete.
Ansonsten hat es dezentral in Deutschland, wenn überhaupt, nur kleinere Aktionen gegeben. Hier in Kassel haben wir uns mit den Leuten, die zu Hause blieben, darauf konzentriert, für den Ostermarsch zu werben. Der wird ja auch ganz im Zeichen des Irak-Krieges stehen. Viele Friedensgruppen waren offensichtlich der Meinung, man könne nicht so kurz hintereinander zu größeren Aktionen mobilisieren.
F: Man konzentriert sich also lieber auf eine speziell deutsche Tradition. Ist vielleicht in der deutschen Friedensbewegung das Bewußtsein für internationale Organisierung unterentwickelt?
Das hat nichts mit »deutscher Tradition« zu tun. Die Friedensbewegung ist vor allem lokal organisiert. Jede Initiative hat ihre eigene Agenda und kann nicht jeder internationalen Anforderung entsprechen.
F: Auch in Zeiten des Internets nicht?
Nun gut, man kann natürlich aus aller Welt Informationen beziehen. Das machen die meisten auch. Aber das ist ja noch keine internationale Kooperation.
Auf der anderen Seiten gibt es auch bundesweite Organisationen, wie zum Beispiel den Friedensratschlag. Und mit dem haben wir auf der europäischen Ebene in der letzten Zeit sehr wohl die Zusammenarbeit gesucht. Insbesondere haben wir zwei internationale Konferenzen über die EU-Verfassung und die mit ihr verbundene Militarisierung der Union abgehalten.
Es gibt in diesem Jahr zahlreiche Anlässe, zu denen Aktionen und Veranstaltungen geplant sind. Den 60. Jahrestag der Befreiung vom Faschismus zum Beispiel oder die Jahrestage der Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki. Hierzu werden im ganzen Land viele Aktionen vorbereitet. Man kann aber von der Friedensbewegung nicht verlangen, daß sie jedes Wochenende auf der Straße steht. (...)

Aus: junge Welt, 26. März 2006

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Doch neben den Ostermärschen gibt es noch andere Gelegenheit für die Friedensbewegung, auf ihre Militärkritik aufmerksam zu machen. In Kassel fand am 24. März ein großes "feierliches Gelöbnis" mit rund 850 Rekruten und wahrscheinlich ebenso vielen geladenen Gästen statt. Schauplatz: die malerische Kulisse des Schlosses Wilhelmshöhe. Die Friedensbewegung war auch dabei, wie die Frankfurter Rundschau zu berichten wusste:

(...) Es ist das erste öffentliche Rekrutengelöbnis in Kassel seit 20 Jahren, doch die Öffentlichkeit sollte nach dem Willen der Bundeswehr davon lieber nichts erfahren. Nachdem die Frankfurter Rundschau am Samstag [19.03.05] über die geplante Vereidigung berichtet und dabei auch die bloße Möglichkeit von Protesten angedeutet hatte, zog die Bundeswehr eine bereits vorbereitete Pressemitteilung an andere Medien zurück - aus Angst vor Störern.
Doch die Gegner des Gelöbnisses lassen sich so leicht nicht ausladen: Zwar sind sie im Vergleich zu den rund 3000 Schaulustigen, geladenen Gästen und Angehörigen der Rekruten, die das militärische Zeremoniell verfolgen, verschwindend wenige. Aber das große Friedenszeichen, das sie auf dem Hang des Bergparks aus Fackeln errichten, ist eine unübersehbare Mahnung. Auf eine kleine Gruppe von Störern, die sich näher an das Geschehen heranwagen, stürzen sich sofort Feldjäger und Polizei. "Soldaten sind Mörder!", ruft ein junger Mann und muss für das Tucholsky-Zitat den rabiaten Rempler eines Polizisten und einen Platzverweis einstecken. Einige Meter entfernt erklären zwei Gelöbnis-Besucher, wie sie zum Recht auf freie Meinungsäußerung stehen: Den Protestierern, meinen sie, müsse man "gleich richtig aufs Maul hauen".

Aus: Frankfurter Rundschau, 26. März 2005 (Hessen-Teil)

Und in der Regionalzeitung "Hessische Allgemeine" hieß es in dem Bericht (Titel: "Gelöbnis unterm Friedenszeichen") - mit einem großen eindrucksvollen Foto, auf dem über dem militärischen Zeremoniell das Friedenszeichen leuchtete - unter anderem:

(...) Beim ersten feierlichen Gelöbnis in Kassel seit 20 Jahren hätten es durchaus noch mehr Besucher sein können. Doch wegen Bedenken, die Feier könnte durch Proteste aus der Friedensbewegung oder durch Randale gestört werden, hatte die Bundeswehr auf jegliche Vorankündigung verzichtet.
Diese Sorge freilich war unbegründet: Etwa 30 Menschen protestierten friedlich am Rande der Feier und bildeten aus Fackeln das Friedenszeichen auf der Wiese unterhalb des Herkules. (...)

Aus: Hessisch-Niedersächsische Allgemeine, 26. März 2005

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Am 26. März veröffentlichte die in Ulm erscheinende "Südwestpresse" einen Namensartikel von Peter Strutynski, der aus einer leicht gekürzten Fassung der Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum Reform-Papier des UN-Generalsekretärs besteht. Titel: "Fremde Federn: Die Uno fällt hinter ihre eigene Charta zurück".

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Keine Ostern ohne Ostermärsche, ein Ereignis, das sich vor allem in der Regionalpresse nierschlägt - dies aber fast "flächendeckend", denn die Ostermärsche finden in sehr vielen Städten und Regionen statt. Vorabberichte in der überregionalen Presse gab es u.a. in der jungen Welt, mit einem größeren Überblicksartikel am 22. März und einem Interview am 24. März. In letzterem heißt es u.a.:

F: Ist der Ostermarsch nicht ein Relikt aus alten Zeiten, in denen die Friedensbewegung stärker war?
Felix Oekentorp, Mitglied des Bundesvorstandes der Deutschen Friedensgesellschaft/Vereinigte Kriegsdienstgegner (DFG/VK): Ostern ist für Friedensbewegte einer der Höhepunkte des Jahres, auch weil er Gelegenheit bietet, eigene Themen auf die Straße zu bringen. Der äußere Druck, der bei konkret drohenden Kriegen zum Reagieren nötigt, ist hier nicht gegeben, so daß der Ostermarsch langfristige und grundlegende Forderungen thematisieren kann.
F: Schaut man sich auf Ostermärschen um, könnte man meinen, man sei bei einer Altenheimveranstaltung gelandet. Wie wollen Sie junge Menschen für die Friedenspolitik gewinnen?
Das Spektrum der Teilnehmer ist immer auch ein Spiegelbild des Spektrums der Redenden und der Kulturbeiträge. Auf dem Ostermarsch Ruhr wird ein Vertreter der SDAJ reden, eine Ska-Band wird spielen. Das ist nur ein Anfang, aber wir werden diesen Weg weiter beschreiten. Der Ostermarsch ist kein Selbstzweck, und ich gehe schon jetzt davon aus, daß wir auch nächstes Jahr wieder auf die Straße gehen müssen.

Aus: junge Welt, 24. März 2005

In dem Überblicksartikel am 22. März schreibt Reimar Paul u.a.:

(...) Im Mittelpunkt der Aktionen steht die Kritik am Irak-Krieg und am »Krieg gegen den Terror«, an den deutschen Rüstungsexporten sowie an den Plänen für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union. Etliche Aufrufe prangern auch den fortschreitenden Sozialabbau an. Die Ostermärsche erinnern zudem an das Kriegsende und die Befreiung vom Hitler-Faschismus, wie auch an die Atombombenabwürfe vor 60 Jahren. Veranstalter der Ostermärsche sind meistens örtliche Bündnisse aus Friedensgruppen, kirchlichen Initiativen, Gewerkschaften und Parteien.
»In diesem Jahr jährt sich zum sechzigsten Mal der Tag der Befreiung der Welt vom Hitler-Faschismus«, heißt es etwa im Aufruf zum Hamburger Ostermarsch. »Nach sechs Jahren Krieg mit Millionen von Toten und unsäglichem Leid einte die Überlebenden weltweit die Überzeugung: Nie wieder Faschismus – nie wieder Krieg«. Doch die Hoffnung auf eine friedliche Welt habe sich nicht erfüllt, »deshalb bleiben Mahnung und Widerstand gefordert«.
Die Organisatoren des Potsdamer Ostermarsches erinnern an den Angriff der NATO auf Jugoslawien 60 Jahre nach Beginn des Zweiten Weltkriegs. »Das Waffenklirren ist wieder lauter geworden, und die Armut der Menschen wächst, selbst in den hoch entwickelten Industriestaaten«, heißt es in dem Aufruf.
»Eine andere Welt ist nötig, eine andere Welt ist möglich!« Beim traditionellen Ostermarsch an Rhein und Ruhr wollen die Veranstalter gegen die EU-Verfassung mobilisieren. Sie verurteilen das EU-Werk als Militärverfassung, die nicht akzeptiert werden dürfe. Sie wehren sich gegen die Einrichtung eines europäischen Amtes für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten. Laut Paragraph 41 der Verfassung müßen sich die Mitgliedstaaten verpflichten, ihre militärischen Fähigkeiten zu verbessern, sagt Felix Oerkentorp, Mitorganisator des Ostermarsches Ruhr. »Für ein friedliches und solidarisches Zusammenleben in Europa« wollen die Demonstranten von Bochum nach Dortmund laufen und mit dem Fahrrad von Essen nach Herne fahren. In Düsseldorf ist eine gemeinsame Kundgebung der Friedensbewegung aus dem Rheinland geplant.
Besondere Brisanz hat wieder der Ostermarsch im brandenburgischen Wittstock. Trotz jahrelangen Protestes der Bevölkerung soll hier ein Bombenabwurfplatz in Betrieb genommen werden. Auf dem rund 140 Quadratkilometer großen »Bombodrom« will die Luftwaffe künftig Luft-Boden-Angriffe erproben. Wie jedes Jahr startet der Ostermarsch am Sonntag in Fretzdorf, sagte ein Sprecher der Bürgerinitiative »Freie Heide«. Sie setzt sich seit Jahren für eine zivile Nutzung des Geländes ein.
Im Norden Sachsen-Anhalts, in der Colbitz-Letzlinger Heide, befindet sich seit 1997 das Gefechtsübungszentrum Heer, das modernste seiner Art in Europa. Auf einem Areal von 220 Quadratkilometern üben Hunderte Soldaten mit ihrer Kampftechnik vorwiegend für Auslandseinsätze. »Das unter der Heide liegende Trinkwasser, die seit Jahrzehnten geschändete Natur und das menschliche Friedensgebot verbieten Kriegsübungsplätze«, erklärt die Bürgerinitiative Offene Heide.

Aus: junge Welt, 22. März 2005

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Breite Würdigung fand eine Presseerklärung des Bundesausschusses Friedensratschlag zum neuesten Reform-Papier des UN-Generalsekretärs Kofi Annan in der Internetzeitung www.ngo-online.de. Auszüge:

Teile des von UN-Generalsekretär Kofi Annan am 21. März vorgelegten Strategiepapiers "In größerer Freiheit" zur Reformierung der Vereinten Nationen löste beim Bundesausschuss Friedensratschlag "helles Entsetzen" aus. Annan ziehe die Möglichkeit in Betracht, Präventivkriege im Namen der Vereinten Nationen zu führen. In Ziffer 125 heißt es dazu: "Wenn es sich nicht um eine unmittelbar drohende Gefahr, sondern um eine latente Bedrohung handelt, überträgt die Charta dem Sicherheitsrat die volle Autorität für die Anwendung militärischer Gewalt, auch präventiv, um den Weltfrieden und die internationale Sicherheit zu wahren." Sollte sich diese Auffassung durchsetzen, fielen die Vereinten Nationen nach Auffassung des Friedensforschers Peter Strutynski "nicht nur hinter die eigene UN-Charta, sondern auch hinter den Kellogg-Pakt aus dem Jahr 1928 zurück, in dem die Vertragsstaaten erstmals den Krieg geächtet hatten."
(...)
Ärgerlich sei auch die Einseitigkeit der Argumentation Kofi Annans im Kapitel über den Terrorismus. So sehr ihm darin zuzustimmen sei, dass es einer allgemein anerkannten und verbindlichen Definition von "Terrorismus" bedürfe, so wenig könne ihm gefolgt werden, wenn er den Terrorismus auf nicht-staatliche Akteure eingrenze. In Ziffer 91 heiße es ohne jede weitere Begründung: "Es ist an der Zeit, die Debatten über den sogenannten 'Staatsterrorismus' einmal auszuklammern."
"Warum?", fragt Strutynski. "Weil es ihn nicht gibt? Oder weil es nicht opportun ist, darüber zu sprechen? Oder weil bestimmte Regierungen regelmäßig zusammenzucken, wenn die Rede auf den Staatsterrorismus kommt?" Wer über den Terrorismus nicht-staatlicher krimineller Banden spreche, dürfe über den Terrorismus, der im Namen von Regierungen ausgeübt werde, nicht schweigen. (...)

Aus: www.ngo-online.de, 22. März 2005. Den ganzen Artikel finden Sie hier: www.ngo-online.de

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Anlässlich des 2. Jahrestags des Beginns des Irakkriegs (19./20. März) fanden weltweit Proteste statt. Die Medien berichteten vor allem aus dem Ausland - in Deutschland hielten sich die Aktionen in Grenzen.
Die junge Welt berichtete:

Hunderttausende Menschen in aller Welt forderten am Wochenende den sofortigen Abzug der Besatzer aus Irak. Genau zwei Jahre zuvor, in den Morgenstunden des 19. März, hatten die Bagdad mit ihren High-Tech-Waffen ins Visier genommen. Der völkerrechtswidrige Angriff auf das Zweistromland begann. Nun gingen allein in London und Rom, den Hauptstädten der beiden wichtigsten europäischen Aggressoren, bis zu 250000 Menschen auf die Straße. In den USA versammelten sich in allen 50 Bundesstaaten Kriegsgegner, darunter viele »Veteranen« genannte ehemalige Irak-Soldaten. Auch aus anderen Besatzerländern wie Australien, Japan, Polen, Dänemark und Südkorea wurden Demonstrationen gemeldet. Zudem kam es in Istanbul, Athen, Barcelona, Stockholm, Montreal und vielen anderen Städten zu Protesten jeweils Tausender. Aus der Bundesrepublik Deutschland dagegen wurden keine größeren Aktivitäten bekannt. (...)

In einem zweiten Artikel derselben Zeitung wurden die Aktivitäten in den USA gewürdigt:

(...) Erwarteten die Friedensorganisationen des Landes bereits vor Wochenfrist mit 583 angemeldeten Demonstrationen fast doppelt soviele Aktionen wie vor einem Jahr, so übertraf am Samstag die Realität mit mindestens 765 lokalen Demonstrationen in allen 50 Bundesstaaten selbst die optimistischsten Erwartungen.
In New York fand am Samstag die größte Demonstration statt. Rund zehntausend Kriegsgegner protestierten auf einer Kundgebung im Central Park gegen die andauernde Besetzung des Irak. (...)
(...) Am Samstag versammelten sich über 3000 Veteranen und Angehörige von Soldaten im Irak vor Fort Bragg in North Carolina und forderten den Abzug der US-Truppen. Am Sonntag hielt die Organisation »Veterans for Peace« auf dem US-«Heldenfriedhof« Arlington eine eindruckvolle Mahnwache mit über 1500 weißen Kreuzen ab, auf denen Namen, Alter und Rang der bisher gefallenen Soldaten geschrieben standen. In Chicago begleiteten mehrere hundert Polizisten rund 1000 Demonstranten auf einem Marsch über die Dearborn Avenue zur Federal Plaza. Zwei Personen wurden nach Angaben der Behörden festgenommen. In San Francisco versammelten sich mehrere tausend Demonstranten im Dolores-Park und hielten Plakate mit den Fotos von toten US-Soldaten hoch. Trotz der großen Zahl von Aktivitäten und deren offenbar zunehmender Breite bleiben die Teilnehmerzahlen in Grenzen. (...)

Aus: junge Welt, 21. März 2005

Etwas kürzer fiel die Berichterstattung in der Frankfurter Rundschau aus:

(...) Bei Protesten zum zweiten Jahrestag wurden am Samstag in New York dutzende Demonstranten festgenommen. Die Teilnehmerzahl der Hauptkundgebung im Central Park war mit mehreren Tausend niedriger als vor einem Jahr. Auch bei Kundgebungen in Chicago, San Francisco, Los Angeles und anderen Städten wurde der Abzug der US-Truppen aus Irak verlangt.
Zuvor hatten auch in mehreren europäischen Metropolen, darunter London, Rom, Madrid, Barcelona und Istanbul, weit über hunderttausend Menschen demonstriert. In Deutschland gab es kaum nennenswerte Protestaktionen.(...)

Aus: Frankfurter Rundschau, 21. März 2005

Die große Demonstration am 19. März in Brüssel, die ursprünglich auf einen Beschluss des Europäischen Sozialforums zurückging, thematisierte fast ausschließlich soziale Fragen, obwohl auch zum Protest gegen den Irakkrieg aufgerufen worden war. In der Frankfurter Rundschau las sich das so:

(...) Die Demonstranten forderten Änderungen an der geplanten Dienstleistungsrichtlinie. Die jetzige Version sei nicht akzeptabel, weil sie jede soziale Dimension des Binnenmarktes beseitige, sagte Wolfgang Kowalsky vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB). Der EGB hatte gemeinsam mit nationalen Gewerkschaften zu der Protestveranstaltung aufgerufen.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) hatte sich der Demonstration unter dem Motto "Mehr und bessere Arbeitsplätze" angeschlossen. Nach Schätzungen der Veranstalter nahmen mindestens 60 000 Menschen aus allen Teilen der Union an dem Protestzug teil. "Gegen Bolkestein - für eine europäische Sozialcharta", hieß ein Slogan. "Nein zu Sozialabbau, Rassismus und Krieg", stand auf einem anderen Plakat. "Wir lassen uns nicht spalten - Europaweit zusammenhalten", forderten die Gewerkschaften. Die Polizei teilte mit, es habe keinerlei Zwischenfälle gegeben. (...)

Aus: Frankfurter Rundschau, 21. März 2005

Im Neuen Deutschland hieß es zur Brüsseler Demonstration:

(...) Während sich die Gewerkschafter, die deutlich in der Mehrheit waren, vorwiegend darauf konzentrierten, war die Themenpalette der sozialen Bewegungen, politischen Parteien und Friedensgruppen erheblich breiter. Damit auch sie trotz der gewerkschaftlichen Übermacht ihre Anliegen gleichberechtigt vorbringen konnten, hatten sich die Organisatoren für drei Auftaktveranstaltungen entschieden. Alle Kundgebungen fanden entlang der Demonstrationsroute statt, so dass sich anschließend die Blöcke zu einem geschlossenen Zug durch die Stadt formieren konnten.
»Die Bolkestein-Richtlinie muss weg«, betonte Francis Wurtz, Fraktionsvorsitzender der Vereinigten Europäischen Linken im EU-Parlament, der sich zusammen mit der PDS-Europaabgeordneten Gabi Zimmer dem Zug angeschlossen hatte. Aber das sei längst nicht ausreichend. »Wir protestieren auch gegen den Entwurf zur Europäischen Verfassung, denn die unterstützt im Kern die unternehmerfreundliche Politik der EU-Kommission«, betonte er.
Ähnlich sah es Stephan Lindner von der Attac Europa-AG. »Die Verhandlungen über die EU-Verfassung«, meinte er, »müssen neu beginnen – ergebnisoffen und unter Einbeziehung zivilgesellschaftlicher Organisationen und Gruppen.« Denn diese fördere nicht nur eine neoliberale Wirtschaftspolitik, sondern führe auch zur Militarisierung europäischer Politik. »Wenn sich die Mitgliedstaaten im Verfassungsvertrag verpflichten, ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern«, so Lindner, »kommt das einem Aufrüstungszwang gleich.« Für Vanina Giudicelli von der französischen Friedensgruppe »Agir contre la Guerre« war der zweite Jahrestag des Angriffs auf Irak der Hauptgrund, um nach Brüssel zu kommen. »Wir fordern den sofortigen Rückzug der Besatzer aus Irak, aber auch den Abzug der israelischen Truppen aus Palästina«, unterstrich die 30-jährige Lehrerin.
Rund 70000 Menschen aus ganz Europa sollen in der belgischen Hauptstadt dabei gewesen sein. Optimisten sprechen sogar von 100000. (...)

Aus: Neues Deutschland, 21. März 2005

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Die Bonner Friedenskooperative kündigte am 18. März die Ostermärsche an und das "Neue Deutschland berichtete hierüber u.a.:

(...) Die Ostermärsche der Friedensbewegung sind nicht tot zu kriegen. Nach Angaben des Netzwerks Friedenskooperative in Bonn gibt es zwischen Karfreitag und Ostermontag in mehr als 50 Städten Protestkundgebungen, Friedensmärsche, Fahrrad-Demos und sonstige Veranstaltungen.
Im Mittelpunkt der Aktionen steht die Kritik am Irak-Krieg und am »Krieg gegen den Terror«, an den deutschen Rüstungsexporten sowie an den Plänen für eine weitere Militarisierung der Europäischen Union. Etliche Aufrufe prangern auch den fortschreitenden Sozialabbau an. Die Ostermärsche erinnern zudem an das Kriegsende und die Befreiung vom Hitler-Faschismus, wie auch an die Atombombenabwürfe vor 60 Jahren. Veranstalter der Ostermärsche sind meistens örtliche Bündnisse aus Friedensgruppen, kirchlichen Initiativen, Gewerkschaften und Parteien. (...)

Neues Deutschland, 21. März 2005

Über einen regionalen Ostermarsch berichtete vorab schon einmal die Internetzeitung www.ngo-online.de am 18. März:

Der Friedensrat Markgräflerland und der DGB Müllheim-Neuenburg sind die Veranstalter des diesjährigen Ostermarsches am Ostermontag, den 28. März in Müllheim. (...)
Den Veranstaltern des Ostermarsches 2005 geht es darum, die verhängnisvolle Militarisierung der Politik zu kritisieren und fordert Abrüstungsinitiativen statt weiterem Sozialabbau. In dem Aufruf des Friedensrates heißt es: " Statt Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und der Armut wurde mit Hartz IV die Bekämpfung der Arbeitslosen und der Armen zum Programm. Mit dem Sozialabbau im Innern geht Hand in Hand zunehmende Aggressivität nach Außen." (...)

Aus: www.ngo-online.de

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Am 12. März fand in Berlin eine "Irak-Konferenz" statt, über die in der "jungen Welt" berichtet wurde:

Das war ein Schlag ins Kontor für Staatsschutz und »Antideutsche«: Alle Bemühungen, die für Samstag angesetzte Irak-Konferenz in Berlin zu verhindern, waren vergeblich. Nachdem zwei Mietverträge kurzfristig gekündigt worden waren (siehe jW vom 11. und 12. März), hatte der türkische Verein IKAD in Berlin-Kreuzberg seine Räume zur Verfügung gestellt. Gut 250 Gegnerinnen und Gegner des Irak-Krieges nahmen teil, unter den Diskussionsteilnehmern fanden sich US-Amerikaner, Deutsche, Engländer, Iraker, Palästinenser, Syrer – nach grober Schätzung war über ein Dutzend Nationalitäten vertreten. Vor den Türen bildeten sich Menschentrauben, da der Saal nicht alle Interessenten faßte. So mancher gab auf und kehrte um.
Nach einer Schweigeminute für alle Opfer des Krieges erläuterte Prof. Gregor Schirmer die völkerrechtlichen Aspekte des Widerstandes gegen die US-Besatzer. Nach internationalem Recht, so sein Resumee, ist bewaffneter Widerstand gegen die Besatzungsmacht und ihre einheimischen Helfer völlig legitim. Allerdings schränkte er ein: »Schwere Verstöße gegen das humanitäre Kriegsrecht sind Verbrechen – das gilt für die Besatzer wie für Widerstandskämpfer.« Prof. Ernst Woit (Philosphiehistoriker) stellte den Krieg als »Präzedenzfall für die Rekolonisierung« der Drittwelt-Länder dar. Im Irak sei es letztlich »um die vollständige Wiederherstellung der Weltherrschaft der großen Konzerne« gegangen.
(...)
Bis auf anfängliche Störversuche nationalistischer Kurden verlief die Konferenz ohne Zwischenfälle. Etwa ein Dutzend Angehörige der Irakischen Kommunistischen Partei, die sich an der von den USA eingesetzten provisorischen Regierung des Irak beteiligt, demonstrierte friedlich auf dem Bürgersteig.
Ziel der Veranstaltung war es, aus erster Hand Informationen über die Lage im Irak und über den Widerstand zu gewinnen. »Die Konferenz hat sicherlich dazu beigetragen, der deutschen Friedensbewegung neue Impulse zu geben«, sagte Joachim Guilliard, einer der Organisatoren der Konferenz.

Aus: junge Welt, 14. März 2005

Die "Störversuche" gerieten in der "Berliner Zeitung" zum Hauptthema:

Bei einer internationalen Irak-Konferenz in Kreuzberg gab es am Sonnabend Prügeleien zwischen Gegnern des von den USA geführten Irak-Krieges und Befürwortern. (...) Laut Polizei waren Befürworter der USA in die Veranstaltung gelangt und hatten sich dort zu Wort gemeldet, was für Tumulte sorgte. Die Störer wurden von Ordnern herausgedrängt, wobei es zu Handgreiflichkeiten kam, die in drei Körperverletzungs-Anzeigen gipfelten. Vor der Tür hatte sich derweil eine Gruppe Kriegsbefürworter, darunter Exil- Iraker, zu einer unangemeldeten Kundgebung versammelt. Sie wurde von der Polizei aufgelöst.

Berliner Zeitung, 14. März 2005

***

Am Tag der Bundestagsdebatte über den "Rüstungsexportbericht" gab der Bundesausschuss Friedensratschlag eine Pressemitteilung heraus, die in der Internetzeitung www.ngo-online.de gewürdigt wurde:
"Bundesausschuss Friedensratschlag kritisiert rot-grünen Rüstungsboom"

www.-ngo-online.de, 10. März 2005

Anlässlich der Debatte im Bundestag über den bereits im Dezember 2004 herausgegebenen Rüstungsexportbericht 2003 der Bundesregierung veröffentlichten Friedens- und Menschenrechtsorganisationen eine Pressemitteilung. Die Frankfurter Rundschau brachte eine Meldung, worin es u.a. hieß:

(...) Mit der "Lieferung von Kriegswaffen in 78 Länder außerhalb der EU und der Nato" gieße sie "Öl ins Feuer bestehender Konflikte", sagte Holger Rothbauer, Sprecher der Kampagne gegen den Rüstungsexport, am Dienstag in Berlin. Der Bundestag debattiert am Donnerstag über den Rüstungsexportbericht der rot-grünen Bundesregierung.
Zusätzliche Nahrung bekommt die Kritik der Kampagne, an der sich auch Amnesty International beteiligt, durch eine Studie des Berliner Zentrums für Transatlantische Sicherheit im Auftrag der Hilfsorganisation Oxfam. Sie vertritt die These, dass der Ausfuhr von Komponenten für Rüstungsgüter zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt werde. Zwischen 1999 und 2002 habe die Ausfuhr solcher Teile mehr als die Hälfte der Waffenexporte ausgemacht. Die Studie beziffert das Volumen der von Rot-Grün in diesem Zeitraum genehmigten Ausfuhren auf rund 27 Milliarden Euro.
Weil Berlin solche Komponenten als "Rüstungsgüter light" behandele, bekomme etwa China Motoren für U-Boote, obwohl es ein Waffenembargo gebe. (...)

Aus: FrankfurtercRundschau, 9. März 2005

Auf die Oxfam-Studie geht auch die "junge Welt" in ihrem Bericht näher ein:

(...) Die öffentliche Diskussion um Rüstungsexporte, so sie überhaupt stattfinde, drehe sich aber in der Regel nur um die Waffengeschäfte, schreiben die Autoren der Studie. Durch diese Konzentration auf die großen Deals könne die Bundesregierung weiter an ihrem Mythos von einer restriktiven Rüstungsexportpolitik basteln.
Die Ausfuhr der Komponenten ist deutlich einfacher als die von kompletten Waffen oder Waffensystemen. Und sollte der Export in Deutschland dennoch an gesetzliche Grenzen stoßen, geht es vielleicht im nächsten Land: »Nicht Botswana oder Usbekistan sind in diesem Fall die Problemstaaten. Stattdessen müßten Exporte an Frankreich, Großbritannien, die USA oder an ‚Tiger-Staaten’ der Rüstungsproduktion wie Brasilien, Israel, Südafrika und Südkorea mit Vorsicht behandelt werden«, so Christopher Steinmetz vom BITS. »Von da aus gelangen deutsche Komponenten auf Kriegsschauplätze und in Länder, für die es aufgrund der deutschen Rüstungsexportrichtlinien keine Genehmigung geben dürfte.«
Durch solchen Waffenexport light kann die Bundesregierung auch weiter an ihrer angeblichen Ablehnung des Irak-Krieges festhalten. Denn neben weiteren Beispielen belegt die Studie, daß deutsche Rüstungskomponenten dort in großer Zahl zum Einsatz kommen. Britische Panzerhaubitzen rollen auf Ketten der deutschen Firma Diehl Remscheid, britische Infanteriesoldaten morden mit vom deutschen Hersteller Heckler & Koch modernisierten Sturmgewehren, und US-Kampfflugzeuge zielen unter Mitwirkung der Infrarot-Sensortechnik der Firma AEG. Und schließlich sorgen elektronische Zünder von Junghans und Treibladungen des Herstellers Nitrochemie dafür, daß diverse Munitionsarten im Irak zuverlässig explodieren. »Die Zahl der direkten und indirekten Opfer deutscher Wehrtechnik im Rahmen dieses Krieges wird sich sicher nie ermitteln lassen«, so die Autoren der Studie. Aber sicher sei, daß Deutschland einen zuverlässigen Beitrag leiste.

Aus: junge Welt, 9. März 2005

***

Am Wochenende 12./13. März findet in Berlin eine Irak-Konferenz statt. In der "jungen Welt" vom 8. März erschien dazu ein langer Artikel, in dem der Verfasser eine Reihe Breitseiten gegen die Friedensbewegung abfeuert:

(...) Erwartet wird, daß die Antikriegsbewegung nicht ausgerechnet denen, die im Irak einen permanenten ethnischen Konflikt als »föderales« Prinzip einführen wollen und ihre Kollaborateure gegen die patriotische Bevölkerung aufrüsten, die Heuchelei abnehmen, ein Truppenabzug würde den Irak in einen Bürgerkrieg stürzen. Und auch eine Ersatzlösung unter UNO-Flagge darf nicht akzeptiert werden. Die Frage ist nicht, ob Aktivisten der Friedensbewegung diese oder jene politische Kraft im Irak begrüßen oder verurteilen. Die Friedensbewegung sollte sich der Tradition der Solidarität mit nationalen Befreiungskämpfen besinnen und anerkennen, daß die Vertreibung der imperialistischen Gewaltherrscher die primäre Voraussetzung für jegliche Art von positiver gesellschaftlicher Entwicklung ist.
(...)
Die Antikriegsbewegung hat eine größere Massenmobilisierung und einen höheren Grad internationaler Koordination bewirkt. Aber sie hat bisher noch keinen permanenten Charakter angenommen. In den Protestbewegungen entwickeln sich deutlicher als bisher die Widersprüche zwischen den reformistischen und opportunistischen Kräften der Anpassung an die supranationalen Machtstrukturen und an den Interventionismus der »zivilisierten Welt« und solchen Kräften, die in mehr oder minder starkem Maße die Notwendigkeit radikaler Lösungen, Ziele und Kampfforderungen vertreten.
(...)
Aus: junge Welt, 8. März 2005


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