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1. bis 9. März 2003

Friedensbewegung in den Medien

Eine Massendemonstration für den Frieden und gegen den Irak-Krieg fand am Sonntag, den 9. März, in Indonesien statt. Dazu zwei doch sehr unterschiedliche Meldungen, einmal von AP, zum anderen von der Nachrichtenagentur Reuters:

Rund 100.000 Indonesier haben am Sonntag nach Medienberichten für Frieden und gegen einen Krieg in Irak demonstriert. An der Kundgebung in der zweitgrößten indonesischen Stadt Surabaya nahmen auch Regierungsmitglieder wie Außenminister Hassan Wirayuda teil. Anders als bei früheren Friedensdemonstrationen gab es keine antiamerikanischenReden und Spruchbänder. In der vom Fernsehen im bevölkerungsreichsten muslimischen Land ausgestrahlten Kundgebung wurde aus dem Koran zitiert und Aufrufe für den Weltfrieden verlesen.
AP, 9. März 2003

Mit einem Massengebet haben am Sonntag bis zu 800.000 Moslems in Indonesien gegen einen Irak-Krieg protestiert. Die Veranstaltung in der Stadt Surabaya war die bisher größte Veranstaltung in dem moslemischen Land gegen einen von den USA angeführten Krieg. Aufgerufen zu dem Massengebet hatte die wichtigste gemäßigte islamische Organisation des Landes, Nahdlatul Ulama. "Wir verteidigen nicht (Iraks Präsident) Saddam Hussein, wir verteidigen lediglich die Menschlichkeit, die Gerechtigkeit und die Weltordnung", sagte einer ihrer Sprecher. Indonesiens Außenminister Hassan Wirajuda äußerte bei dem Gebet die Hoffnung, Veranstaltungen dieser Art könnten US-Präsident George W. Bush noch zu einer Änderung seiner Politik bewegen.
Die Veranstaltung, die auf einem Militärgelände abgehalten wurde, verlief friedlich. Während die Veranstalter von 800.000 Teilnehmer sprachen schätze ein Militärsprecher die Zahl auf mehr als 700.000.
Reuters, 9. März 2003

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Der Internationale Frauentag (8. März) stand in diesem Jahr ganz unter dem Zeichen des drohenden Krieges gegen Irak. Vielerorts gerieten die Frauentagsveranstaltungen zu Demonstrationen für den Frieden. So auch in Washington, worüber die französische Nachrichtenagentur AFP berichtete:

Zum Internationalen Frauentag sind am Samstag in den USA mehrere tausend Demonstranten zu Anti-Kriegsprotesten in Washington vor das Weiße Haus gezogen. Nach einem kilometerlangen Marsch durch die US-Hauptstadt umzingelte die in Lila gekleidete Menge den Sitz der Regierung. Die Polizei riegelte die Haupteingänge ab. Mit lila Schildern und Flaggen in den Händen sangen die Demonstranten "Give peace a chance" und führten zu "Friedenstrommeln" Tänze auf. Angeführt wurde der Protest durch eine Gruppe junger Frauen; dahinter folgten selbsternannte "Rasende Omas", die von einem Lastwagen herunter Protestlieder gegen einen drohenden Krieg in Irak anstimmten.
AFP, 08.03.2003

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Weltweit gehen die Proteste gegen den drohenden Irakkrieg auch an diesem Wochenende weiter. Heute Berichte aus Japan, Italien, Stuttgart und Berlin sowie aus Brüssel.

In Japan haben am Samstag 30.000 Menschen gegen die proamerikanische Haltung ihrer Regierung in der Irak-Frage demonstriert. Die Teilnehmer des Protestzugs im Zentrum der japanischen Hauptstadt Tokio warfen der Regierung vor, Japan an die USA zu "verkaufen". Umfragen zufolge lehnen 84 Prozent der Bevölkerung einen Krieg ab.
In Italien demonstrierten nach Angaben der Veranstalter 50.000 Menschen vor einem US-Stützpunkt in der Nähe von Pisa. "Wir sind hier, um zu sagen, dass der Krieg gestoppt werden kann und muss", sagte Piero Bernocchi von der Gewerkschaft Cobas. "Der Stützpunkt Darby sollte geschlossen und ein Platz des Friedens werden."
In Stuttgart versammelten sich rund 300 Menschen vor der Kommandozentrale der US-Streitkräfte in Europa (EUCOM). "Ob mit oder ohne UN-Mandat: Der Krieg ist ein Völkerrechtsbruch, weil er ein Präventivkrieg ist", sagte der Sprecher der ökumenischen Aktion, die zu den Veranstaltern gehörte. Die Teilnehmer blockierten zwei Zufahrtsstraßen.
In Berlin hielten in Deutschland lebende Amerikaner vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche eine Mahnwache ab. Dabei forderten sie alle Staaten und die Uno auf, eine friedliche und völkerrechtliche Lösung des Irak-Konflikts herbeizuführen.
Vor dem EU-Sitz in Brüssel demonstrierten 4.000 Kurden. Sie fürchten, dass türkische Truppen im Falle eines Krieges in den Nordirak einrücken könnten, der hauptsächlich von Kurden bewohnt wird. Die demokratische Entwicklung in dieser Region müsse von der EU und der Uno geschützt werden, forderten sie. Das Gebiet solle seine weitgehende Autonomie beibehalten. Ein eigener kurdischer Staat werde nicht angestrebt, hieß es.
Netzeitung (www.netzeitung.de), 8. März 2003

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Am 6. März fand in der Dresdner Frauenkirche eine eindrucksvolle Pressekonferenz der Initiative "Deutschland sagt Nein" statt. Überregionale Medien nahmen wenig Notwiz davon. Die Nachrichtenagentur AP meldete u.a.:

Die Friedensbewegung "Friedliche Lösungen e.V." hat von Dresden aus an US-Präsident Georg W. Bush appelliert, keinen Krieg gegen Irak zu führen. In der Frauenkirche sagte der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel am Donnerstag, Freundschaft zu den Vereinigten Staaten dürfe nicht bedeuten, dass man "schweigt, wenn der Freund dabei ist, einem Irrtum zu erliegen".
Nach Angaben von Georg Wedemeyer, Sprecher der im Januar in München gegründeten Friedensinitiative, haben nach einem Aufruf: "Deutschland sagt Nein zum Krieg gegen den Irak" 48.657 Menschen die Summe von insgesamt 85.558,72 Euro auf ein Spendenkonto eingezahlt. Sie wollten so ihre ablehnende Haltung deutlich machen. Die Gelder sollen an humanitäre Organisationen wie "Ärzte ohne Grenzen" weitergeleitet werden.
Vogel unterstrich, dass er kein Feind der USA sei und erinnerte an den wichtigen Beitrag der Amerikaner in der Zeit von 1941 bis 1945 zur Befreiung Deutschlands und Europas von der NS-Gewaltherrschaft und an das Mitwirken der USA bei der deutschen Wiedervereinigung. Er sage als Pazifist dennoch Nein zu einem Krieg.
AP, 6. März 2003

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Bisweilen ist es schwierig Unterschriften an die richtige Adresse zu bringen. Nicht weil die Unterzeichner die Adresse nicht wüssten, sondern weil die Adressaten am Empfang nicht interessiert sind. Seit drei Monaten bemüht sich z.B. der Bundesausschuss Friedensratschlag, zig-tausende Unterschriften gegen den Irak-Krieg der Bundesregierung zu übergeben. Bisher ohne Erfolg. Nicht viel besser erging es einer Paderborner Friedensinitiative, wie folgender Bericht aus der "Neuen Westfälischen" zeigt (Auszüge):

Vertreter der Paderborner Initiative gegen den Krieg haben in Wohngebieten der Angehörigen der britischen Streitkräfte einen Aufruf verteilt. Darin werden die Soldaten aufgefordert, nicht an dem geplanten Krieg gegen den Irak teilzunehmen.
Wie berichtet, hatte die Initiative Mitte Januar damit begonnen, Unterschriften unter einen "Internationalen Aufruf von Veteranen und Soldaten an die Mitglieder der bewaffneten Streitkräfte" zu sammeln. Der von Vietnam- und Golfkriegsveteranen verfasste Brief wurde in Paderborn bislang von 621 Bürgerinnen und Bürgern unterzeichnet. Der Versuch, die Unterschriften mit dem Brief dem Standortkommandanten Paderborn/Sennelager zu überreichen, scheiterte bisher. Ebenso wenig sei der zugesagte Kontakt seitens des Presseoffiziers der britischen Garnison bisher zustande gekommen, teilte die Initiative mit.
Angesichts der weltweiten Proteste der vergangenen Wochen beschloss die Initiative, den Aufruf nunmehr den eigentlichen Adressaten, nämlich den Soldaten und ihren Familien zukommen zu lassen. (...)
Neue Westfälische, 6. März 2003

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Die weltweite Bewegung gegen den Krieg wird maßgeblich von jungen Menschen getragen. Am 5. März waren es wieder Tausende:

In der Schweiz, in Spanien und Australien gingen Tausende von Schülern aus Protest gegen einen Irak-Krieg auf die Straße. Allein in Lausanne demonstrierten nach Angaben der Veranstalter über 4.000 Jugendliche, die Polizei sprach von 1.000. Die australischen Schüler wandten sich vor allem gegen die militärische Unterstützung des US-Aufmarschs am Golf durch ihre eigene Regierung.
Im Zentrum von Madrid versammelten sich tausende junge Menschen hinter einem Banner mit der Aufschrift "Keinen einzigen Euro, keinen Soldaten und keine Kugel für diesen Krieg". Zum Abschluss der Kundgebung startete die Friedensgruppe "Kultur gegen Krieg" eine Unterschriftenkampagne gegen die spanische Irak-Politik. Ministerpräsident José Maria Aznar ist einer der engsten Verbündeten von US-Präsident George Bush. "Wir hoffen auf mindestens zehn Millionen Unterschriften, das entspräche der Anzahl der Stimmen, die Aznar bei der letzten Wahl bekommen hat", sagte eine Sprecherin der Initiative.
AP-Meldung, 05.03.2003

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Auch in den USA fanden am 5. März landesweit Protest an den Universitäten statt. AP berichtete:

An Protesten gegen einen möglichen Irak-Krieg haben sich in den USA landesweit tausende Studenten beteiligt. An der kalifornischen Stanford-Universität unterstützten Professoren die Aktion am Mittwoch, indem sie Seminare absagten. In Madison im Staat Wisconsin demonstrierten nach Angaben der Organisatoren 5.000 Studenten, die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 2.000. Studenten an mehr als 350 Schulen und Hochschulen in den USA hatten ihre Teilnahme an den Protesten angekündigt. Über die landesweite Beteiligung lagen indes keine Angaben vor.
AP, 06.03.2003

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Leipzig war mit seiner Montagsdemonstration am 3. März wieder Spitzenreiter unter den Demo-Städten gegen den Krieg. Auffällig, dass sich das in den überregionalen Zeitungen nicht mehr niederschlägt. Die "junge Welt berichtete wenigstens kurz:

In Leipzig sind am Montagabend nach Veranstalterangaben wieder rund 20.000 Menschen für Frieden und gegen den drohenden Irak-Krieg auf die Straße gegangen. Die Demonstranten zogen im Anschluss an das traditionelle Friedensgebet in der Nikolaikirche durch die Stadt zum Augustusplatz. "Es gibt noch eine Chance, diesen Krieg zu verhindern", sagte Sebastian Krumbiegel, Sänder der Band Prinzen, bei der Abschlusskundgebung. (...)
junge Welt, 5. März 2003

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Auch die Narren haben sich etliches einfallen lassen, um ihre Ablehnung des Krieges zu zeigen. Am Rosenmontag wurde es richtig politisch:

Unter "Helau-" und "Alaaf"-Rufen zogen kilometerlange Umzüge durch die Innenstädte der närrischen Hochburgen Köln, Düsseldorf und Mainz. Richtig derb fertigten die Narren die deutsche Opposition und ihre Haltung zum Irak-Konflikt ab: CDU-Chefin Angela Merkel steckte im Hintern von US-Präsident George W. Bush und schwenkte das Sternenbanner.
dpa-Meldung am 3. März 2003

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Das erste Märzwochenende war wieder geprägt von zahlreichen Friedensdemonstration, die überall in der Welt stattfanden. Der Nachrichtendienst Yahoo fasste die größten zusammen:

In vielen Ländern der Welt sind am Samstag abermals Hunderttausende aus Protest gegen den drohenden Irak-Krieg auf die Straßen gegangen. In der südpakistanischen Stadt Karachi kam es zu einer der größten Demonstration in der Geschichte des muslimischen Landes. In der marokkanischen Stadt Casablanca zählte die Polizei 160.000 Demonstranten.
Die Veranstalter in Karachi hatten zu einem «Millionen-Marsch» aufgerufen, gekommen waren viele Zehntausend. «Amerika ist der Terrorist», riefen einige. Frauen und Männer zogen in getrennten Reihen durch die Innenstadt, von den Frauen saßen viele in Pferdewagen. «Es ist eine gewaltig, beeindruckende Menge», sagte der stellvertretende Polizeichef Tariq Jamil.
In Casablanca waren nach Angaben der Organisatoren die meisten der Protestierenden Anhänger fundamentalistischer muslimischer Parteien. «Hier zeigen die Marokkaner ihre Wut über die Dummheit der amerikanischen Regierung», sagte ein Mitglied der Nationalen Kommission zur Unterstützung Iraks. Die Regierung Marokkos ist ein Verbündeter der USA.
In Sanaa in Jemen riefen mehr als 20.000 Studenten antiamerikanische Parolen. «Wir sind hier, um unsere Solidarität mit Irak zu zeigen. Wir sind bereit, nach Irak zu gehen und gegen die Amerikaner zu kämpfen», sagte ein Teilnehmer der Nachrichtenagentur AP. Die Sicherheitskräfte hinderten den Demonstrationszug daran, zur US-Botschaft vorzudringen.
Unter den knapp 10.000 Demonstranten im indischen Hyderabad waren viele Menschenrechtler, Schriftsteller und Politiker. Es war bereits die dritte Antikriegsdemonstration in Indien in den vergangenen vier Tagen.
Mit Friedensparolen zogen zehntausende Japaner durch Hiroshima. In einem Park bildeten 6.000 Demonstranten die Buchstabenkombination «No War - No DU» (»Kein Krieg - kein 'DU'»). DU steht im Englischen für abgereichertes Uranium. Geschosse mit dem radioaktiven Metall hatten die Amerikaner 1991 gegen Irak eingesetzt. 300 nackte Frauen bildeten auf einem Sportplatz im australischen Sydney ebenfalls die Worte «No War».
www.yahoo.de, 2. März 2003

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Auch in Deutschland fanden wieder größere Aktionen statt, wie die Tageszeitung "junge Welt" zu berichten wusste:

In Hamburg waren es rund 7000 Menschen, die am Samstag ihre Ablehnung des von den USA angekündigten Krieges gegen den Irak öffentlich machten. An der Kundgebung, zu der SPD, Grüne und Gewerkschaften aufgerufen hatten, nahmen auch führende Politiker der Berliner Regierungsparteien teil. SPD-Generalsekretär Olaf Scholz wies Populismus-Vorwürfe im Zusammenhang mit der Haltung der Bundesregierung gegen einen Irak-Krieg zurück. Krista Sager, Fraktionsvorsitzende der Grünen, rief zu einer Fortsetzung der Proteste auf. »Wer den UN-Inspektoren nicht die Zeit geben will, die sie brauchen, dem geht es nicht um Massenvernichtungswaffen, sondern um etwas ganz anderes«, betonte sie. Im Anschluß an die Kundgebung auf dem Hamburger Gänsemarkt zogen nach Angaben der Initiative Jugend gegen Krieg etwa 2000 Demonstranten vor das SPD-Parteibüro in der Kurt-Schumacher-Allee. Sie protestierten gegen die Bundesregierung. Sie lasse zu, daß Deutschland zu einer Schaltzentrale für einen US-Krieg gegen den Irak werde.
In Göttingen folgten am Samstag rund 2000 Menschen einem Demonstrationsaufruf von Gewerkschaften, Kirchen, Friedens- und Flüchtlingsinitiativen. »Wir wollen keine Politik, die aus machtstrategischen und wirtschaftlichen Interessen andere Staaten mit Krieg überzieht«, sagte der DGB-Regionsvorsitzende Sebastian Wertmüller bei der Kundgebung auf dem Marktplatz. Ein Abtreten von Saddam Hussein sei zwar wünschenswert, »aber nicht um den Preis einer Vernichtung der restlichen Infrastruktur des Irak und der völligen Destabilisierung der Region«. Vertreter der irakischen Opposition riefen die Regierungen aller Länder auf, nicht gegen den Willen ihrer eigenen Völker einem Krieg zuzustimmen. Das jahrzehntelange Leiden der Menschen im Irak müsse durch die Aufhebung des Wirtschaftsembargos und freie Wahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen beendet werden. (...)
Auf der Europabrücke zwischen Strasbourg und dem deutschen Kehl demonstrierten am Samstag Deutsche und Franzosen gemeinsam gegen einen Irak-Krieg. Zu der Aktion hatten deutsche und französische Gewerkschaften sowie Friedensgruppen und das Netzwerk ATTAC aufgerufen. Nach Angaben der Veranstalter nahmen rund 4000 Menschen an der Kundgebung teil. Auch in Rostock fand am Samstag erneut eine Friedenskundgebung statt, zu der unter anderem die PDS aufgerufen hatte.
Aus: junge Welt, 3. März 2003

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Dieselbe Zeitung berichtete auch über eine weitere Aktion vor der US-Airbase Spangdahlem.

(... )Zunächst hatten sich am Samstag vormittag etwa 250 Menschen auf dem Trierer Hauptmarkt eingefunden, um gegen einen drohenden Irak-Krieg zu demonstrieren. Hier kritisierte Thorsten Klein von der Katholischen Jugend, daß zwischen Rhetorik und den Taten der Bundesregierung eine erhebliche Lücke klaffe. Abzulesen sei dies an dem geplanten Umbau der Bundeswehr zu einer Interventionsarmee und einer de-facto-Kriegsbeteiligung.
Markus Pflüger, Sprecher der AG Frieden Trier, kritisierte das Regime von Saddam Hussein scharf, forderte aber gleichzeitig eine Politik ein, die auf »zivile Inspektionen statt militärische Intervention« setze. Auch er bezeichnete ein Nein zum Krieg als leere Rhetorik, wenn gleichzeitig die Nutzung des deutschen Staatsgebiets für Kriegsvorbereitungen erlaubt werde. Bezeichnend sei auch, wie die SPD-FDP-Landesregierung auf die Übergabe von 1500 Protestunterschriften gegen den geplanten Ausbau in Spangdahlem reagiert habe: »Die Landesregierung unterstützt die US-Streitkräfte in ihrem Bemühen, die beiden Flugplatzstandorte Ramstein und Spangdahlem bis zum Jahre 2005 auszubauen, um damit zur notwendigen Planungs- und Einsatzsicherheit beizutragen«, hieß es im Antwortschreiben aus Mainz.
Zu einer anschließenden Sternfahrt nach Spangdahlem machte sich rund ein Drittel der Kundgebungsteilnehmer auf. An der Airbase angekommen, stießen zu der Gruppe aus Trier, Friedensbewegte aus den Orten Daun, Wittlich, Bitburg, Binsfeld sowie aus Luxemburg und dem Saarland hinzu. Für den Tag X planen die Kriegsgegner eine Kundgebung in Trier. Am darauffolgenden Samstag soll erneut der Luftwaffenstützpunkt Ziel von Protesten sein.
Unterdessen erklärten nach einem Bericht der Tageszeitung Trierischer Volksfreund deutsche und US-amerikanische Stellen erstmals, daß der Bau eines Hospitals auf der Airbase Spangdahlem gestoppt wurde. Noch unklar ist, ob die vom US-amerikanischen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld angeordnete Maßnahme im Zusammenhang mit einem Beschluß steht, der nicht nur die Investitionen in US-Stützpunkte in Deutschland, sondern generell alle Standorte in Übersee auf den Prüfstand stellt. (...)
Aus: junge Welt, 3. März 2003

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Der Mannheimer Morgen berichtete über eine Aktion in Heidelberg vom 1. März.

Rund 5000 Menschen haben in Heidelberg gegen einen Krieg gegen den Irak demonstriert. Der Zug bewegte sich vom Bismarckplatz zum US-Hauptquartier in der Römerstraße. Mit einer Menschenkette umzingelten die Demonstranten die Kaserne. Die dreistündige Veranstaltung verlief ohne Zwischenfälle.
"Millionen von Menschen stehen in diesen Tagen auf, um gegen den geplanten Mord- und Raubüberfall auf den Irak ihr entschiedenes Veto einzulegen", rief Harry Siegert vom Deutschen Gewerkschaftsbund den Demonstranten zu. In der Abschlusskundgebung vor den hermetisch verschlossenen Pforten des amerikanischen Hauptquartiers verwahrte sich der Evangelische Dekan Dr. Steffen Bauer dagegen, "diesem Krieg einen quasi religiösen Anstrich zu geben. Dieser Krieg ist genauso wenig Gott gewollt wie jeder andere auch". Wenn es zu einem Krieg käme, "dann resultiert er nicht aus Gottes Willen, sondern aus einer völlig verfehlten Politik der vergangenen Jahre, die auch mit dem Namen des Vaters des heutigen US-Präsidenten zu tun hat". Bauer verurteilte die Terroranschläge vom 11. September als "unvorstellbar grausam". Man werde den Terror aber nicht dadurch besiegen, "indem wir durch Kriege noch mehr Hass in dieser Welt hervorbringen". Der amerikanische Vietnam-Veteran Dave Blalock bezeichnete die US-Armee als "größte Terrororganisation dieser Welt". (...)
Aus: Mannheimer Morgen, 3. März 2003

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Wieder soll die "Provinz" nicht fehlen. Diesmal ein Bericht aus Worms (Ulrike Schäfer in der Wormser Zeitung):

Fast 400 Leute, darunter Gruppen wie verdi, Pax Christi, BDKJ, die Jugendbauhütte Wormser Süden, viele ältere, aber auch viele junge Menschen und sehr viele türkische Bürger, waren es, die sich am Samstagmorgen am 118er Denkmal einfanden, um gegen einen Krieg im Irak zu demonstrieren. "Ihr reiht euch ein in die weltweite riesige Friedensbewegung", begrüßte Ludger Sauerborn vom Organisationsteam, das sich im Forum Soziale Gerechtigkeit gebildet hatte. (...) Es gehe bei diesem Krieg, der durch nichts zu rechtfertigen sei, um die Frage, ob die Weltgemeinschaft Frieden durch Recht und Gerechtigkeit wolle oder ob sie Gewalt und das Recht des Stärkeren akzeptiere.
Unterwegs durch die Fußgängerzonen schlossen sich weitere Menschen dem Zug an, an dessen Spitze ein türkischer Junge ein Plakat mit der Aufschrift trug: "Wir wollen keinen Krieg". Da das Mahnmal für die Opfer des Faschismus renoviert wird, wurde am Schlossplatz ein Zwischenstopp eingelegt. Dr. Busso Diekamp trug Kästners "Primaner in Uniform" vor, Wolfgang Borcherts hämmernden Appell zum Nein-Sagen und die ergreifenden Friedensvisionen des Propheten Micha; Uschi Freese las über die Soldaten John und Achmed, die mehr verbindet als trennt, ein Muslime rief auf zur Solidarität über Länder- und Glaubensgrenzen hinweg.
(...) Sahin Cokbilir und Pierre Tschoulas Trommelgruppe gestalteten die anschließende Kundgebung musikalisch.
Zwar müsse man den Diktator Saddam Hussein zwingen, seine Waffen zu zerstören, betonte MdB Klaus Hagemann, doch zum Krieg gegen den Irak gebe es nur ein klares Nein. (...)
Pfarrer Axel Held zitierte ein Wort Eisenhowers, der Krieg als einen Diebstahl an Hungernden und Frierenden definierte und wies auf die dramatische Lage der irakischen Bevölkerung hin. Dieser Krieg sei völkerrechtswidrig, sagte Held, vor allem aber müsse man sich hüten, Krieg als Mittel der Politik wieder ethisch zu legitimieren. Heiner Boegler, Kartellvorsitzender des DGB, knüpfte an die Erfahrungen an, die Deutschland und Europa durch den letzten Krieg gewonnen hätten, den USA warf er Neo-Kolonialismus vor. Froh sei er, dass immer mehr Wormser "Flagge zeigten" und mahnte alle, sich nicht entmutigen zu lassen. "Falls doch ein Krieg losbricht, müssen wir erst recht aufstehen."
Main-Rheiner, Wormser Zeitung, 3. März 2003

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Auchn in Schleswig-Heolsetin tat sich etwas.

(...) "Die Frage des Krieges ist keine Frage an die Welt, sondern an jeden selbst." Unter diesem Motto standen am Wochenende zwei "Demos für den Frieden" in Preetz und Lütjenburg, zu denen rund 300 Personen gekommen waren.
In Preetz war es die AG Frieden der Beruflichen Schulen, die in Zusammenarbeit mit der Schülervertretung des Preetzer Schiller-Gymnasiums dafür sorgte, dass über 200 Menschen auf dem Marktplatz zusammen kamen. "Das ist wesentlich besser gelaufen als erwartet", freute sich dann auch Mitorganisator Michael Wolfgramm über die Resonanz vor allem auch bei den jungen Leuten, die nach seiner Schätzung über die Hälfte der Teilnehmer bildeten. (...)
"Wer denkt, die Anti-Kriegs-Demo in Berlin hat schon ausgereicht, um die Menschen zu mobilisieren, der irrt", sagte Rainer Buttkus vom "Friedensforum Lütjenburg", dessen Aufruf am Sonnabend vor dem Lütjenburger Rathaus rund 80 Zuhörer gefolgt waren. Im Anschluss an den Friedensappell bewegte sich ein Zug durch die Lütjenburger Innenstadt. Ziel sei es, die Menschen vor Ort überparteilich mobil zu machen, mit ihnen zu diskutieren und sie in die Friedensbewegung einzubinden, so die Initiatoren. Neben dem Gastgeber beteiligten sich der Jugendverein "ProFAN" aus Schönberg, die "Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend" und die "AG Frieden" aus Preetz an der Demonstration gegen einen Irak-Krieg.
Kieler Nachrichten, 3. März 2003


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