Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

1. bis 6. April 2003

Friedensbewegung in den Medien

Am Abend des 3. April errichteten Friedensaktivisten an dem zentralen Platz in Kassel ein symbolisches Gräberfeld. In der Regionalzeitung HNA erschien am 5. April ein Foto, andere Zeitungen folgten einer dpa-Meldung und die Frankfurter Rundschau berichtete ohne Foto:

Rund 100 Holzkreuze hat das Kasseler Friedensforum aus Protest gegen den Irak-Krieg auf einem zentralen Platz der Stadt aufgebaut. Das Mahnmal soll an die zivilen Opfer des Krieges erinnern, sagte der Sprecher vom Bundesausschuss Friedensratschlag, Peter Strutynski, am Freitag. Jedes Kreuz stehe für sieben Tote. Unabhängigen Quellen zufolge seien bislang 733 Zivilisten getötet worden. Die Stadtverwaltung wollte die Aktion vor dem Museum Fridericianum zunächst nur über das Wochenende dulden.
FR, 5. April 2003

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Die Studierenden an den deutschen Universitäten sind in geradezu provozierender Weise jeglichem politischem Engagement gegen den Krieg abhold. Der folgende Bericht aus der Fachhochschule Darmstadt, wo ESG und KHG zu einer halbstündigen Demonstration auf dem Campus aufgerufen hatten und dabei vom engagierten FH-Rektor Clemens Klockner unterstützt wurden, zeigt, wie schwer die angehenden Ingenieure aus der Reserve zu locken sind.

Auf der Rasenfläche zwischen dem A- und E-Gebäude der Fachhochschule waren gestern die Umrisse eines Peace-Zeichens mit Holzspänen markiert. Bunte Fahnen mit der Aufschrift „Pace“ (italienisch für Frieden) säumten den Platz, und aus einem Lautsprecher war John Lennons „Give Peace a Chance“ zu hören.
Unter dem Motto „Nein zum Krieg – Give Peace a Chance“ hatten katholische und evangelische Studentengemeinde sowie der Asta zu einer halbstündigen Demonstration aufgerufen, bei der die Studierenden eine Menschenkette in Form eines Peace-Zeichens bilden sollten.
(...) FH-Rektor Clemens Klockner hatte dazu aufgefordert, die Aktion während der Vorlesungszeit durchzuführen und nicht erst am Nachmittag, wenn nur noch wenige Studenten auf dem FH-Gelände seien.
Seit Kriegsbeginn findet jeden Mittwoch um 12 Uhr ein Gebet in einem Ruheraum, dem so genannten Hallraum, statt, so dass auch eine Form des Protestes in der Stille möglich ist.
(...) Mit einem Mikrofon startete Pfarrer Andreas Schätzel um 11.30 Uhr den Aufruf – und langsam, ein wenig zaghaft und teilweise noch darüber diskutierend, ob es nicht besser wäre, in die Mensa zu gehen, statt in der Kälte herumzustehen, nahmen die ersten Studenten ihren Platz auf dem markierten Zeichen ein. Nicht jeder war bereit, mitzumachen und bevorzugte daher einen sicheren Zuschauerplatz von einem Fenster aus. Bis 12 Uhr hatten sich aber genügend Kriegsgegner eingefunden und bildeten das Friedenszeichen, himmelwärts durch vereinzelte Sonnenstrahlen und Regentropfen unterstützt.
Darmstädter Echo (Online), 3. April 2003

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Leipzig lässt nicht locker! 45.000 waren es diesmal bei der Montagsdemo. Die Leipziger Volkszeitung schreibt u.a.:

Erneut zogen gestern tausende Menschen um den Ring und forderten ein Ende der Kämpfe im Irak. "Wir sind der Meinung, dass der Krieg schon viel zu lange gedauert hat", begrüßte Winfried Helbig vom Aktionskreis Frieden die nach Veranstalter-Angaben wieder 45.000 Teilnehmer auf dem Augustusplatz.
Vor der Oper sang der afrikanische Chor Engenga. Dann stellte Nikolaipfarrer Christian Führer die US-Amerikanerin Amelia Boynton Robinson vor, eine Weggefährtin Martin Luther Kings. Die 93-Jährige hatte gestern die Kirchgemeinde besucht und überbrachte nun unter großem Jubel Grüße von allen Amerikanern, die gegen den Krieg sind. "Es ist mir eine Ehre, heute in Leipzig vor so vielen friedliebenden Menschen zu sprechen", sagte sie.
(...) In der Menge bestimmten erneut tausende Jugendliche das Bild. Einige schwenkten Irak-Fahnen, die meisten hielten Friedenstauben und Luftballons hoch. "Entscheidend ist, das alle gegen das sinnlose Morden sind", meinte der Gymnasiast Matthias Pattke aus Schkeuditz. Medientechnikerin Doreen Hinze aus Gohlis fand: "Es ist nicht zu ändern, dass Bush militärisch gewinnen wird. Aber wenigstens soll er nicht in der öffentlich Meinung siegen."
Etliche politische Gruppierungen - von attac bis zur PDS - forderten ein sofortiges Verbot aller Militärflüge über Sachsen. (...)
Leipziger Volkszeitung, 1. April 2003

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Die Tagung des Bundesausschusses Friedensratschlag am 30.März findet ihren Niederschlag in einer Reihe von Artikeln, in denen auf die nächsten Aktivitäten der Friedensbewegung hingewiesen wird.

Die Friedensbewegung will mit einer weiteren Großdemonstration in Berlin am 12. April und einem gleichzeitigen bundesweiten Aktionstag für Frieden und gegen den Irak-Krieg demonstrieren. Der Bundesausschuss Friedensratschlag kündigte am Montag in Kassel außerdem eine Renaissance der Ostermärsche in Deutschland an. Mit rund 60 verschiedenen Märschen werde sich ihre Zahl gegenüber dem Vorjahr verdoppeln.
Als "feige" kritisierte der Bundesausschuss die Politik der Bundesregierung gegenüber den USA. In Kriegszeiten reiche es nicht mehr aus, Nein zum Krieg zu sagen, man müsse auch die entsprechenden Konsequenzen ziehen. In einem Appell wird die Regierung aufgefordert, den britischen und US-Militärflugzeugen keine Überflugrechte mehr zu gewähren und Militärtransporte aus und nach Deutschland zu untersagen.
Frankfurter Rundschau, 1. April 2003

In anderen Zeitungen, die sich auf eine andere Agenturmeldung stützen, wird das Ratschlagsergebnis mit einem Hinweis auf die Leipziger Montagsdemo (wieder mit 25.000 Menschen!) verbunden:

(...) Rund 25.000 Menschen demonstrierten am Abend in Leipzig gegen den Irak-Krieg. Die Demonstranten zogen bei der traditionellen Montagsdemonstration von der Nikolaikirche durch die Innenstadt. Anschließend fand auf dem Augustusplatz eine Abschlusskundgebung statt.
Überall in Deutschland werde die Friedensbewegung den Tag zudem für dezentrale Aktionen nutzen. Weltweit hatten auch am vergangenen Wochenende erneut hunderttausende Menschen gegen den Irak-Krieg demonstriert.
Der Friedensratschlag forderte in einem am Sonntag in Kassel beschlossenen Appell die Bundesregierung auf, "den Krieg als völkerrechtswidrige Aggression eindeutig zu verurteilen und sich aktiv für eine Resolution der UN- Generalversammlung einzusetzen, in der die Angreifer zum Rückzug aufgefordert werden". Zudem sollten den Militärflugzeugen der USA und Großbritanniens von Deutschland keine Überflugrechte mehr gewährt werden.
Darmstädter Echo, 01.04.2003


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