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"Hinter Zäunen und Polizeiketten verbergen sich die angeblich weltoffenen PolitikerInnen"

Rede von Monty Schädel (Rostock) auf der Protestkundgebung anlässlich des Bush-Besuchs in Stralsund

Am 13. Juli 2006 besuchte der US-Präsident George Bush auf Einladung der deutschen Bundeskanzlerin Stralsund. Die Friedensbewegung begleitete das Ereignis mit einer eigenen Kundgebung. Eine der Redner war der Sprecher der DFG-VK Mecklenburg-Vorpommerns, Monty Schädel (Rostock), der zugleich für das einladende Friedensbündnis sprach.



Very welcome, liebe TeilnehmerInnen der Demonstration,

möchte ich Euch hier in Mecklenburg-Vorpommern und in der Hansestadt Stralsund zurufen.

Gern begrüße ich Freundinnen und Freunde in der Region in der ich zu Hause bin. Auch wenn der Anlass Eures Kommens nicht ein freudiges Ereignis ist. Denn das ihr heute hier seid, hat seinen Grund im Besuch des US-Präsidenten Georg W. Bush hier in dieser Region.

Er kommt hier her, auf Einladung der Kanzlerin der Bundesrepublik, die dem Menschen, der weltweit mit Krieg, Verfolgung, Ausbeutung, Folter und Einschränkung von Grundrechten meint, Freiheit und Demokratie exportieren zu können.

Wie wichtig die viel gepriesenen Vokabeln von Freiheit und Demokratie den Machthabenden in den USA und der Bundesrepublik wirklich sind, ist auch an den Verhältnissen hier hinter uns deutlich zu erkennen. Andere Meinungsäußerungen als die der Regierenden sind nicht erlaubt. Hinter Zäunen und Polizeiketten verbergen sich die angeblich weltoffenen PolitikerInnen. Eine Mahnwache von überprüften Personen in Sichtweite des Präsidenten wurde nicht zugelassen. Und selbst Transparente ohne die Begleitung von Personen wurden nicht zugelassen.
Stattdessen wird der Präsidenten nur ausgesuchte Menschen auf dem Alten Markt zu sehen bekommen. Hier im Osten der Bundesrepublik kennen die Menschen solche Vorgänge.
Sieht so die Demokratie aus, die der Präsident mit seinen Truppen überall auf der Welt einführen will?

Dass die Kanzlerin dem Präsidenten solche Erlebnisse verschaffen wollte, als sie davon sprach, dass sie ihm zeigen wollen wie die Menschen hinter der Mauer lebten und heute leben, wäre mir nie in den Sinn gekommen.

Die Menschen hier hatten schon einmal das Gefühl, dass sie mit dem, was sie Denken und Wollen, nicht wirklich von den Regierenden ernst genommen werden. Auch damals ließen sich die Regierenden von ausgesuchten Personen zujubeln. Für eine demokratische Entwicklung kann das nicht gut sein. Und leider müssen wir die Auswirkungen davon bereits heute vor allem auch hier in der Region erleben.

Nazis mit ihren menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Ansichten machen sich hier breit und versuchen mit populistischen Parolen einerseits aber vor allem Gewalt und Verfolgung andererseits diese verfehlte Politik der jetzigen Regierenden für sich nutzbar zu machen.

Anstelle aber, dass die Demokratie gestärkt und für die Menschen erlebbar gemacht wird, wird auf Abschottung und Jubelparaden gesetzt. Gleichzeitig wird der Widerstand gegen Nazis vor allem im theoretischen und verbal geleistet. Diese fühlen sich dadurch gar bestätigt und treten immer dreister auf.

Gerade in der vergangenen Woche wurde wieder ein besonderer Fall, wie es sie mittlerweile so viele gibt, in der Öffentlichkeit bekannt. In Ostvorpommern wurde ein Jugendlicher Ziel eines Naziangriffs, weil er ein T-Shirt mit antifaschistischem Inhalt trug. Gleichzeitig jedoch wird von Politikern aus der CDU/CSU/SPD/FDP behauptet, es gäbe in der Bundesrepublik keine national befreiten Zonen, Zonen in denen Nazis die kulturelle, personelle u.o. politische Hoheit haben. Gerade in den Dörfern hier in der Region im Nordosten der Republik sollten sich diese Personen mal umschauen. Hier muß endlich ein konsequentes Konzept her, dass demokratische und emanzipatorische Kräfte und Bewegungen unterstützt und nicht kriminalisiert.
Denn Faschismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen!
Nazis müssen klar in ihre Schranken gewiesen werden! Antifaschistischer Widerstand muß Unterstützung aus allen Bereichen der Gesellschaft erfahren und die Kriminalisierung von Antifaschisten muß endlich eingestellt werden!
Wer vorgibt, Nazis nicht zu wollen, muss sich auch endlich von der nationalistisch-faschistischen Traditionspflege distanzieren.

So lange Treffen von Angehörigen der verbrecherischen SS und Wehrmacht unter Beteiligung, Organisation und Würdigung durch Bundeswehrangehörige und z.T. Bundeswehrverantwortlichen geschieht, ist ein wirklicher Bruch mit den Faschisten nicht glaubhaft vermittelbar.

An welche Tradition das deutsche Militär anknüpfen möchte, wird mit dem in diesen Tagen vollzogenen Einmarsch deutscher Truppen in Afrika deutlich. Ein Vorwand für einen Militäreinsatz läßt sich immer finden!
Und während sich hier die PolitikerInnen von Ausgewählten zujubeln lassen, Nazis in die Parlamente drängen und demokratische Grundwerte mit Polizeiknüppeln, Panzern und juristischen Tricks Niedergerungen werden, wird vorgegeben, in Afrika demokratische Verhältnisse zu schützen.
Mit diesem Auftreten der Bundeswehr und der Militärpolitik sowie der Beteiligung an verschiedenen Kriegseinsätzen weltweit, welches nach dem Entwurf des Weißbuches für das Deutsche Militär in den nächsten Jahren weiter ausgebaut werden soll, kommt Deutschland wieder in eine weltweit (mit)entscheidende Rolle.
Wir fordern den sofortigen Rückzug aller deutschen Soldaten aus dem Ausland um dann zum Schritt der Abschaffung der Bundeswehr zu kommen!

Doch nicht nur mit Soldaten direkt wird weltweit (angebliche) deutsche Interessenswahrung betrieben. Über die EU-Verfassung, die durch demokratische Willens und Entscheidungsfindung in mehrere Ländern der EU abgelehnt wurde, soll jetzt neue durch die deutsche Kanzlerin thematisiert werden.
Unter der Ignoranz des Willens breiter Teile der Bevölkerung soll diese Militärverfassung durchgeboxt werden. Aufrüstungsagentur und Battlegroups sollen dafür sorgen, dass Europa eigenständige Militär-/ Expansionspolitik unter der Führung Deutschlands weltweit betreiben kann. Doch wir brauchen keine weitere Macht auf der Welt, die für die Interessen und den Profit von Monopolen, Konzernen und Finanzkapital, Rüstungsindustrie und Banken Krieg führt!

Wohin dieses führt, erleben wir zur Zeit im Irak und in Afghanistan. Unter den Vorwand gegen den Terrorismus zu kämpfen, wird Terror und Folter verbreitet. Wir fordern die Beendigung der Kriege und den Abzug der Truppen aus dem Irak und Afghanistan. Eine völkerrechtswidrige Aggression wurde durchgeführt und heute wissen wir, wie zu Beginn des zweiten Weltkrieges, des Vietnamkrieges und weiterer, dass die Gründe schon damals nur vorgeschoben waren um die Energieversorgung der Welt mitbestimmen zu können.

Mit dem "Patriot Act" wurden in den USA, dem Land, für das der Präsident weltweit Krieg für Demokratie und Freiheit führt, Grundrechte abgeschafft. In Guantanamo wird mit Billigung des Präsidenten gefoltert.

Und obwohl dies alles bekannt ist, werden neue Bedrohungsszenarien von den Kriegswilligen entworfen und propagiert. Jetzt soll es gegen den Iran, später auch mal gegen Syrien und/oder Sudan und/oder andere gehen.
Doch mit Terror und Krieg ist keine Demokratie aufzubauen oder Freiheit zu erlangen.
Wer Frieden will muß Abrüsten und auf Verständigung unter den Menschen setzen. Nur wenn Menschen eine Zukunft haben, werden sie nicht auf Populisten hereinfallen und nur wenn Menschen Demokratie als emanzipatorische Form des Zusammenlebens erleben, werden sie die Demokratie und die damit verbundene Freiheit als erstrebens- und verteidigenswert anerkennen.

Frau Merkel und Herr Bush:
Beenden sie die Kriege und Stoppen sie die Vorbereitung weiterer, dann werden wir sie auch willkommen heißen! Denn nur so haben wir die Chance wirkliche und ehrliche Schritte zur Abrüstung einzuleiten für die Menschen eine Zukunft zu gestalten.

Wir wollen und brauchen Abrüstung und Demokratie statt Sozialabbau und Einschränkung von Grundrechten!

Danke für Euer Kommen!


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