Maulkorb für die Friedensbewegung!
"Eine Zensur findet nicht statt." Art. 5 Abs. 2 Grundgesetz. Pressemitteilung
Kassel, den 17. Mai 2002
Wenn es um die Solidarität mit dem US-Präsidenten Bush geht, hört die
Gemütlichkeit im bayerischen Innenministerium und in manchen Medien auf.
Diesen Eindruck hat nach Aussage des Sprechers des Bundesausschusses
Friedensratschlag, Dr. Peter Strutynski, die Friedensbewegung in diesen
Tagen. Zwei Vorfälle geben Anlass zur Besorgnis.
1) In Bayern geriet die beamtete Lehrerin und Friedensaktivistin Sophia
Deeg ins Visier des Verfassungsschutzes und wird wegen ihres Engagements
vor die Bezirksregierung Oberbayern zitiert. Der Grund: Sie hatte sich
als Friedensvermittlerin über Ostern mehrere Tage im Hauptquartier von
Yassir Arafat in Ramallah aufgehalten. In einem Brif der Regierung heißt
es u.a.: "Insbesondere in sicherheitspolitisch angespannten Zeiten ...
bringt es bereits die Tätigkeit in organisierten Friedensbewegungen mit
sich, nähere Auskünfte hierüber einzuholen." (zit. nach Frankfurter Rundschau,
16.05.2002)
2) Doch die Meinungsfreiheit hat scheinbar auch in dieser Zeitung enge
Grenzen. Der Frankfurter Rundschau wurde gestern (16.05.2002) von ihren
Verlegern untersagt, eine bezahlte Anzeige abzudrucken, die von rund 400
Einzelpersonen und Friedensorganisationen unterschrieben wurde. Es
handelt sich um einen Aufruf der Friedensbewegung zu den Aktivitäten
anlässlich des Bush-Besuchs in Deutschland. Motto: "Wir wollen ihre
Kriege nicht, Herr Präsident! ... Wir wollen überhaupt keinen Krieg."
Für die Friedensbewegung stellt dieses Verbot einen einmaligen Skandal
dar. Da es für parteiunabhängige Bürgerbewegungen generell schwer ist,
sich in den großen Medien Gehör zu verschaffen, setzen sie von Zeit zu
Zeit darauf, ihr Anliegen über das Mittel bezahlter Anzeigen bekannt zu
machen. Nun wird ihnen selbst diese Möglichkeit genommen. Was bleibt da
noch von der garantierten Pressefreiheit, wenn Verleger ihre Macht so
ungeniert einsetzen?
Es wirft ein bezeichnendes Licht auf die politische Kultur dieses
Landes, wenn Stimmen und Bewegungen, die sich mit der gegenwärtigen
Rolle der USA in der Weltpolitik kritisch auseinandersetzen,
eingeschüchtert oder mundtot gemacht werden sollen. Offenbar soll der Staatsbesuch des Präsidenten des mächtigsten Staates
der Welt hier zu Lande reibungslos und ohne Trübung der guten Stimmung über die Bühne
gehen. Allmählich dämmert uns, dass der "uneingeschränkten Solidarität"
die eingeschränkte Demokratie auf dem Fuße folgt.
Dr. Peter Strutynski
(Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag und einer der Sprecher
des bundesweiten Koordinierungskreises "Achse des Friedens")
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