Der Bush-Besuch und die Friedensbewegung
Presseberichte nach der Aktionskonferenz in Kassel
Im Folgenden doukmentieren wir eine Auswahl von Artikeln, die im Anschluss an die Kasseler Aktionskonferenz der Friedensbewegung (17. März) erschienen sind.
Hessisch-Niedersächsische Allgemeine (HNA), 18. März 2002:
Friedensbewegung macht gegen Bush mobil
Kassel. Die deutsche Friedensbewegung will den Berlin-Besuch von US-Präsident George W. Bush im Mai zu einem Schwerpunkt ihrer Proteste gegen einen Militäreinsatz im Irak machen. Eine zentrale Demonstration sei für den 21. Mai in Berlin am Vorabend von Bushs Ankunft geplant, sagte der Sprecher des Bundesausschusses Friedensratschlag, Peter Strutynski, gestern in Kassel.
Bei dem reffen in Kassel beschlossen bundesweite Friedensorganisationen außerdem landesweite Proteste am 22. Mai. Die Kundgebungen seien gegen "kriegsvorbereitungen der USA gegen den Irak" gerichtet, sagte Strutynski.
Mit Skepsis reagierten die Friedensaktivisten auf die Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, einem Krieg gegen den Irak "ohne UN-Mandat" nicht zuzustimmen. Ein UN-Mandat habe auch beim Jugoslawien-Krieg vor drei Jahren und hat auch beim Afghanistan-Krieg nicht vorgelegen, und die Bundesregierung sei doch mit von der Partie gewesen, lautet die Kritik.
Frankfurter Rundschau, 19. März 2002:
Großdemonstration
Friedensbewegung plant Protest zu Bush-Besuch
guz KASSEL, 18. März. Eine Großdemonstration in Berlin und mehrere dezentrale
Aktionen gegen die Außenpolitik der USA plant ein Zusammenschluss deutscher
Friedensinitiativen anlässlich des Deutschland-Besuches von US-Präsident George
W. Bush im Mai. Wie der Bundesausschuss Friedensratschlag am Montag in
Kassel mitteilte, haben sich rund 70 Vertreter lokaler und regionaler
Friedensinitiativen auf ein Konzept für eine Kampagne gegen die "Kriegspläne der
US-Regierung" im Nahen und Mittleren Osten verständigt.
Nach Überzeugung der Friedensbewegung bereitet Washington derzeit die nächste
Phase des so genannten Anti-Terror-Krieges vor, der einzig der "Festigung der
US-Hegemonie und der Vertretung handfester ökonomischer und geostrategischer
Interessen der USA" diene, sagte Friedensratschlag-Sprecher Peter Strutynski.
Die Initiative ruft für Dienstag, 21. Mai, zur Großdemonstration in Berlin auf. Für
Mitwoch, 22. Mai, sind bundesweit verschiedene Einzelaktionen geplant.
junge welt, 19. März 2002
Interview
jW (Jürgen Horn) fragte Dr. Peter Strutynski, Sprecher des
Bundesausschusses Friedensratschlag und
Politikwissenschaftler an der Gesamthochschule
Kassel
F: Am vergangenen Sonntag hat in Kassel der
Bundesausschuß des Friedensratschlags getagt. Worüber ist
beraten worden?
Nachdem wir gehört haben, daß Bush in die Bundesrepublik
kommt, haben wir den Bundesausschuß Friedensratschlag
kurzerhand zu einer Aktionskonferenz »umfunktioniert«. Bei
vollem Saal stand der Bush-Besuch im Zentrum unserer
Beratungen, aber es war nicht das einzige, worüber wir
geredet haben. Wir haben auch eine Resolution zum
israelisch-palästinensischen Bürgerkrieg verabschiedet. Die
Friedensbewegung hat lange genug zu diesem Konflikt
geschwiegen. Zumal sich die USA offenbar den Rücken frei
halten wollen für einen Waffengang gegen den Irak.
F: Was soll während des Besuchs von George W. Bush in
Deutschland geschehen?
Am 21. Mai, am Vorabend des Besuches, wird es in Berlin eine
bundesweite Demonstration und Kundgebung geben. Ich
denke, es ist hierzulande so viel Unmut über die
US-Außenpolitik vorhanden, daß dieser 21. doch zu einem
mächtigen Anlaß für die Friedensbewegung wird, dort zu
demonstrieren. Am Tag darauf, am 22. Mai - Bush wird da
schon im Lande sein - sollen dezentral im ganzen Land
Aktionen stattfinden. Dafür eignen sich auch Orte, wo
Atomwaffen gelagert werden, oder das Eucom in Stuttgart, die
atomare Einsatzzentrale der NATO. Wichtig ist, daß im ganzen
Land etwas los ist.
F: Die NATO führt schon seit längerem Kriege unter Bruch des
Völkerrechts. Was macht die neue Qualität der US-Politik aus?
Neu ist, daß Bush hier ist. Das ist der Anlaß für unseren
Protest, der Grund liegt natürlich tiefer. Der angekündigte und
meiner Meinung nach auch geplante Krieg gegen den Irak hat
einige Dimensionen, die über das hinausgehen, was z. B. in
Afghanistan passiert ist. So soll der Krieg ein Regime
beseitigen. Nicht daß wir mit Saddam Hussein sympathisieren
würden, nur: Wer gibt den USA das Recht, nach eigenem
Gutdünken Kriege gegen Länder zu führen, deren Regime
ihnen nicht passen? Das zweite ist, daß in den letzten Tagen
ein brisantes Geheimpapier aus dem Pentagon bekannt
wurde, das eine gefährliche Neubestimmung der
Einsatzplanung von Atomwaffen vorsieht. Die USA nehmen sich
danach das Recht heraus, auch Atomwaffen gegen Länder
einzusetzen, die selber keine Atomwaffen besitzen. Das heißt,
die USA planen nicht nur einen konventionellen Waffengang,
sondern es ist nicht ausgeschlossen, daß sie neue kleine
Atomwaffen, sogenannte »Mini-nukes«, einsetzen. Dabei ist
»Mini-nuke« eine verharmlosende Vokabel: In Wirklichkeit
enthalten diese Atomwaffen immerhin ein Drittel der
Sprengkraft der Hiroshima-Bombe.
F: Mobilisieren diese Neuigkeiten mehr friedenspolitische
Gruppen als in der Vergangenheit?
Im Prinzip sind die, die am Sonntag in Kassel
zusammenkamen, fast identisch mit jenen, die vor einem
halben Jahr hier waren, als wir den »Globals Action Day«
gegen den US-Krieg in Afghanistan vorbereitet hatten.
F: Es kamen also nur die Graubärte der traditionellen
Friedensbewegung?
Ich habe auch sehr viele junge Leute gesehen: Die
Friedensbewegung ist schon länger dabei, sich zu verjüngen,
ohne daß ich behaupten könnte, wir seien eine
Jugendbewegung geworden.
F: Sie haben die Kritik an der Politik der US-Administration
formuliert. Wie ausgeprägt ist die Kritik an der eigenen
Regierung?
Ein Tag vor dem Treffen in Kassel hat Schröder erklärt, sich
nicht an einem Krieg im Irak beteiligen zu wollen, Fischer hat
das auf dem Grünen-Parteitag am Wochenende wiederholt.
Die Friedensbewegung ist gegenüber solchen Ankündigungen
äußerst skeptisch. Herr Schröder hat gesagt, ein Krieg ohne
UN-Mandat gegen den Irak wäre mit der Bundesregierung
nicht zu machen. Das heißt, ein Krieg mit UN-Mandat wäre also
doch möglich. Wir haben das beim Afghanistan-Krieg erlebt.
Beide Resolutionen des Sicherheitsrates haben kein Mandat
für einen Krieg beinhaltet - und trotzdem wurden sie von der
Bundesregierung in ein eindeutiges UN-Mandat für einen Krieg
umgemünzt.
F: Wie geht es jetzt weiter?
Es wird ein Kontaktbüro in Berlin von dortigen Aktivisten
eingerichtet. Einen Aufruf wird es auch geben. Der wird heißen:
»Wir wollen Ihre Kriege nicht - Herr Präsident!«
Neues Deutschland, 19. März 2002:
Friedensbewegung macht gegen Bush-Krieg mobil
Großdemonstration gegen Politik des US-Präsidenten während seines Besuchs in Deutschland geplant.
Von Reimar Paul
Die Friedensbewegung will während des Deutschlandbesuchs von US-Präsident George W. Bush massenhaft gegen die Kriegspolitik der USA auf die Straße gehen.
Bei einer Aktionskonferenz am Wochenende in Kassel vereinbarten die rund 70 Vertreterinnen und Vertreter von Friedensgruppen für den 21. Mai eine Großdemonstration in Berlin. Gleichzeitig werde zu "dezentralen Aktionen im ganzen Land" mobilisiert, sagte Konferenzsprecher Peter Strutynski. Unter dem Motto "Wir wollen Ihre Kriege nicht, Herr Präsident!" solle durch die Friedensbewegung dem US-Präsidenten der Empfang bereitet werden, den er verdient".
Auf große Empörung stieß in Kassel das kürzlich bekanntgewordene US-Geheimpapier "Nuclear Posture Review", das einen Atomwaffeneinsatz auch gegen Länder einkalkuliert, die selbst über keine Nuklearwaffen verfügen. "Washington erklärt sogar einen atomaren Krieg für führbar und bereitet ihn vor", heißt es im Aufruf zur Demo gegen Bush. In dem Dokument werden Szenarien für regionale Konflikte etwa zwischen China und Taiwan oder im Nahen Osten entwickelt, in welche die USA mit neu zu entwickelnden "Mini-Atombomben" eingreifen könnten.
Die Friedensbewegung ist überzeugt, dass die US-Administration ungeachtet aller Dementis die nächste Phase des sogenannten "Krieges gegen den Terror" schon konkret vorbereitet. Ein Angriff auf den Irak sei längst beschlossen, befürchten viele Friedensaktivisten, Der Kampf gegen Terrorismus und Massenvernichtungswafffen sei dabei nur ein vorgeschobenes Motiv, in Wahrheit handle es sich um einen Krieg zur Verteidigung handfester ökonomischer und geostrategischer Interessen der USA. Der geplante Feldzug gegen den Irak sei eine Bedrohung für des Weltfrieden, heißt es in einer Erklärung der Konferenz. "Wenn das Pulverfass Naher Osten explodiert, regnen die Funken und die Asche auch auf Europa herunter."
Skeptisch reagierten die Versammelten auf die Ankündigung von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Bundesregierung werden einem Krieg gegen den Irak "ohne UN-Mandat" nicht zustimmen. Ein UN_Mandat habe auch beim Jugoslawien-Krieg vor drei Jahren und beim Afghanistan-Krieg nicht vorgelegen, trotzdem sei Deutschland mit von der Partie gewesen, sagte Strutynski. Außerdem werde ein Krieg gegen den Irak nicht besser, wenn sich die Krieg führenden Staaten auf ein tatsächliches oder veremeintliches UN-Mandat beriefen.
Die bundesweite Demonstration in Berlin soll am Vorabend des Bush-Besuches stattfinden. Für den darauf folgenden Tag (22. Mai) werden Kundgebungen, Mahnwachen und andere Aktionen vor US-Konsulaten und militärischen Einrichtungen vorbereitet. Die Kriegspolitik der USA wird auch beherrschendes Thema bei den diesjährigen Ostermärschen sein. Ein Sprecher des zentralen Ostermarschbüros berichtete in Kassel, dass deutlich mehr Osteraktionen als im vergangenen Jahr geplant seien. ...
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