Dieser Internet-Auftritt kann nach dem Tod des Webmasters, Peter Strutynski, bis auf Weiteres nicht aktualisiert werden. Er steht jedoch weiterhin als Archiv mit Beiträgen aus den Jahren 1996 – 2015 zur Verfügung.

Gegen transatlantischen "Schulterschluss" - für eine Politik des Friedens und der Abrüstung

Dokumentation: Pressemitteilungen von Friedens- und Umweltverbänden zum Bush-Besuch

Im Folgenden dokumentieren wir vier Presseerklärungen, die alle anlässlich des Besuchs des US-Präsidenten Bush in Deutschland am 23. Februar 2005 veröffentlicht wurden:

Die Waffen nieder, Mr. Bush! - Schritte zur Abrüstung, Herr Schröder!

Velbert, 23. Februar 2005

Anlässlich des heutigen Treffens Schröder-Bush erklärt der Politische Geschäftsführer der DFG-VK Joachim Thommes: „Der `Bush-Krieg´ in den Städten und Dörfern des Irak fordert jeden Tag eine Vielzahl von Toten und Verletzten. Ein Ende ist hierbei zur Zeit nicht absehbar. Krieg und Militär im Irak lösen ganz offensichtlich keine Probleme - weder im Irak noch sonst wo auf der Welt - sondern schaffen neue Konflikte.“ Daher fordert Thommes ganz konkret: „Schluss mit der Militärgewalt gegen die Zivilbevölkerung durch die sofortige Beendigung der völkerrechtswidrigen Besatzung des Irak! Keine militärische Intervention im Iran! Bestrafung aller für Folter, Misshandlung und Gewaltexzesse Verantwortlichen!“

An die Adresse der deutschen Bundesregierung gerichtet tritt die DFG-VK erneut für einen längst überfälligen Paradigmenwechsel in der deutschen Politik ein. „Es ist nicht wahr, dass die Welt durch eine militärisch basierte europäische Gegenmacht friedlicher wird - das Gegenteil wird der Fall sein“, so Thommes. „Der Aufbau von globalen Kriseninterventionstruppen, die auch unabhängig von den USA eingesetzt werden können und sollen(!), ist der falsche Weg und löst keines der drängenden Probleme der Weltgemeinschaft.“

Die DFG-VK stellt sich daher hinter die Forderungen des Mainzer Aktionsbündnisses `Not welcome Mr. Bush´ und ermuntert die Regierung, sich endlich mit der Friedensbewegung in einen offenen und öffentlichen Dialog über die Ziele und Methoden deutscher „Sicherheits“politik einzulassen. „Der neue Weg führt schrittweise weg von einer militärisch basierten Politik - hin zu einer wirklichen Friedenspolitik, welche Kriegsursachen erkennt und Konflikte zivil bearbeiten hilft. Sicherheit gegen Terror bietet im Wesentlichen nur ein ehrlicher und konstruktiver nicht-militärischer Einsatz gegen die wirklichen Kriegsursachen. Krieg gegen den Terror ist Schwachsinn!“, konstatiert Thommes. Deshalb tritt die DFG-VK ein:
  • Für eine gleichberechtigte wirtschaftliche, soziale und nachhaltige Entwicklung
  • Für ein ziviles und soziales Europa, gegen die Verpflichtung zur Aufrüstung in der EU-Verfassung
  • Für die Anerkennung und Bekämpfung der Ursachen von Terrorismus, wie: Armut, Perspektivlosigkeit, Ausbeutung, Ungerechtigkeit und ökologischer Raubbau
Europäische Politik muss Friedenspolitik sein - Abrüstung statt Sozialabbau! Eine friedliche Welt ist möglich.

Die Waffen nieder, MR. Bush! - Schritte zur Abrüstung, Herr Schröder!

Joachim Thommes
Politischer Geschäftsführer der DFG-VK


Greenpeace-Protest in Mainz:

Auch Bush soll abruesten

Schlauchbootfahrer demonstrierten unter Staats-Limousine

Mainz, 23. 2. 2005 - Gegen die Atomwaffenpolitik von US-Praesident George W. Bush haben Greenpeace-Aktivisten heute Vormittag anlaesslich seines Besuchs in Mainz protestiert. Zwei Schlauchbootfahrer fuhren bis unter die Theodor-Heuss-Bruecke und entrollten dort ein Banner mit der Aufschrift: "No nuclear weapons in the USA and elsewhere - No more wars, Mr. Bush! - Greenpeace". Zur gleichen Zeit fuhr die Stretch-Limousine mit den US-amerikanischen Flaggen an der Motorhaube ueber die Bruecke Richtung Mainzer Schloss. Am Hauptbahnhof entrollten Kletterer in grosser Hoehe ein vier mal zehn Meter grosses Banner mit der gleichen Botschaft.

Die Demonstranten warnten damit vor der Gefahr, dass die USA mit der einseitigen Durchsetzung ihrer Interessen die neuen Verhandlungen ueber den Atomwaffensperrvertrag zum Scheitern bringen und ein neues atomares Wettruesten anheizen. "Die Sicherheitspolitik von Bush ist scheinheilig", sagt Greenpeace-Abruestungsexperte Wolfgang Lohbeck in Mainz. "Er brandmarkt Staaten, die sich trotz des Sperrvertrags Atomwaffen beschaffen. Dabei verschweigt er den Kern des weltweiten Sicherheitsproblems - die fehlende Abruestung der Atommaechte. Denn die USA haben sich in dem Vertrag ebenfalls verpflichtet. Sie muessen ihre Atomwaffen verringern, lehnen dies aber inzwischen ab. Dies ist ein Spiel mit der nuklearen Katastrophe." Angesichts dieser Gefahr sind die Verhandlungen, die im Mai in New York beginnen, von ausserordentlicher Bedeutung.

Die USA brechen mit ihrer Weigerung, ihr Atomwaffenarsenal abzuruesten, den auch von ihnen unterzeichneten Atomwaffensperrvertrag zur Verhinderung und Verbreitung von Atomwaffen, "Non Proliferation reaty", NPT). Darin haben sich im Jahr 1970 Staaten ohne Atomwaffen verpflichtet, auf diese zu verzichten. Die offiziellen fuenf Atommaechte USA, Russland, Grossbritannien, Frankreich und China sollen dagegen ihre Arsenale schrittweise abbauen. "Doch die Realitaet sieht anders aus: Inzwischen werden einseitig 'Schurkenstaaten' der Weiterverbreitung oder Beschaffung von Atomwaffen bezichtigt und geraten ins Fadenkreuz von Kriegsszenarien", so Lohbeck. Die Verpflichtungen der USA und der anderen Atommaechte spielen keine Rolle mehr.

"Das Beispiel Nordkorea zeigt, dass die aggressive Politik der Bush-Regierung die Weiterverbreitung geradezu anheizt: Wer keine Atomwaffen hat, wird angegriffen, wer noch keine hat, wird mit Krieg bedroht. Nur wer sie hat, wird verschont. Das ist derzeit die unverantwortliche Botschaft der USA an atomare Schwellenlaender", erklaert Lohbeck.

Auch die Bundesregierung ist in dieser Frage gefordert. Angesichts neuer Erkenntnisse ueber die in Deutschland gelagerten US-Atomwaffen hat Greenpeace Aussenminister Joschka Fischer und Bundeskanzler Gerhard Schroeder aufgefordert, sich fuer den Abzug dieser Bedrohung von deutschem Boden einzusetzen. Wie letzte Woche bekannt wurde, lagern 150 Wasserstoffbomben in Deutschland, 480 in Europa - dreimal so viele wie bislang angenommen.

Marion Struck-Garbe
Greenpeace e.V.


"Die Wahrheit liegt auf der Straße"

"Friedensratschlag" zum Bush-Besuch - Presseerklärung

Kassel, 22. Februar – US-Präsident George W. Bush hat auf seiner Europa-Tour seine erste Visitenkarte in Brüssel abgegeben. In einer Rede im Hotel "Concert Noble" hat er vor geladenen Gästen aus NATO und EU wiederholt, was zu den Grundpfeilern der amerikanischen Außenpolitik gehört: Der Kampf gegen den Terror werde als weltweiter Krieg geführt, die USA fahren fort, den Nahen und Mittleren Osten sowie Zentralasien nach ihren Vorstellungen neu zu ordnen, Iran und Syrien werden ultimativ aufgefordert, ihre Atomwaffenprogramme bzw. ihre "Unterstützung" des internationalen Terrorismus einzustellen und der Export von "Demokratie und Freiheit" ("spreading liberty") wird weltweit voran getrieben.

Unter transatlantischer Partnerschaft versteht Bush die bedingungslose Unterstützung der europäischen NATO- und EU-Regierungen für sein Programm. "Our alliance is determined to defend our security", sagte Bush gestern und meint damit den militärischen Schulterschluss mit Europa im Anti-Terror-Krieg.

Es ist beschämend, dass die Regierungschefs der EU ihrem Gast nicht widersprechen. Im Gegenteil: Sie kuschen und machen sich überall zum Erfüllungsgehilfen der US-Regierung.
  • Auch ehemalige Gegner des Irakkriegs wie Deutschland akzeptieren die durch den Bruch des Völkerrechts geschaffenen Tatsachen des Besatzungsregimes und beteiligen sich an dessen Aufrechterhaltung
  • Die EU tut alles, um ihre militärischen Kapazitäten auszubauen – angeblich für den "Krieg gegen den Terror"
  • Die EU hat sich eine Sicherheitsstrategie gegeben, nach der Präventivkriege nicht ausgeschlossen werden
  • Deutschland und andere NATO-Staaten verstärken ihre militärische Präsenz z.B. in Afghanistan, um die überstrapazierten US-Truppen zu entlasten.
Das alles ist keine "Partnerschaft", sondern Komplizenschaft.

US-Präsident Bush wird die Wahrheit über seinen katastrophalen und gefährlichen Kriegskurs nicht aus dem Mund der Regierenden erfahren. Deshalb ist die Friedensbewegung gezwungen, stellvertretend für die – nach neuesten Umfragen 80-prozentige - Mehrheit der Bevölkerung, die diesen Kurs ablehnt, heute und morgen auf die Straße zu gehen. In über 50 Städten in Deutschland finden am Dienstag Protestkundgebungen, Demonstrationen oder andere Aktionen statt; am Mittwoch werden Tausende in Mainz zeigen, was sie von der Bush-Politik und der EU-Kumpanei halten. Die Wahrheit über diese Politik liegt auf der Straße und nicht in den Salons der Diplomaten.

Für den Bundesausschuss Friedensratschlag:
Peter Strutynski (Sprecher)


Warnung vor "Ära der transatlantischen Einigkeit"

Demonstrationen der Friedensbewegung einig mit Protesten in USA

PE Friedenskooperative zum USA-EU-Gipfel und Demo Mainz

Die Mainzer Großdemonstration ist nach den letzten Gesprächen zwischen Veranstaltern, Polizei und Ordnungsamt gesichert. Beanstandete rigorose Auflagen wurden von den Behörden zurückgenommen. Befürchtet werden weiterhin Behinderungen und Verspätungen bei der Anreise zur Demonstration, die mittags in der Mainzer Innenstadt startet.

Die Demonstrationen der Friedensbewegung in Brüssel, Mainz und mehr als 60 weiteren deutschen Orten (und letzten Samstag in Rom) wollen die USA daran erinnern, dass der bisherige Kriegskurs ihres Präsidenten in Europa abgelehnt und die angekündigte "Verbreitung der Freiheit" in der Welt als Bedrohung empfunden wird. Friedens- und globalisierungskritische Gruppen sehen sich hier einig mit vielen ebenso denkenden Menschen in den USA. Sie wollen sich am "transatlantischen Dialog" beteiligen und setzen dabei andere Akzente als die in Brüssel versammelten EU-Regierungschefs und Kanzler Schröder in Mainz.

Der neue Tonfall gegenüber Europa ändert nicht den politischen und militärischen Kurs der Supermacht USA. Die US-Regierung will schlicht "burden sharing" – politisch, finanziell und militärisch. Vor der von Präsident Bush beschworenen "neuen Ära der transatlantischen Einigkeit" kann nur gewarnt werden. Sie bedeutet verstärktes militärisches Engagement in Irak, Afghanistan und anderen Schauplätzen des "Kriegs gegen den Terror" sowie Kumpanei bei der Destabilisierung unerwünschter Regime wie des Iran oder Syriens. Präsident Bush ist weiterhin nicht als der "gefährdetste" (Einsatzleitung der Polizei) sondern als der gefährlichste Mann der Welt anzusehen, dessen Politik einen Flächenbrand im Nahen und Mittleren Osten zu bewirken droht.

Während die US-Regierung möchte, dass USA und Europa künftig "mit einer Stimme" (der us-amerikanischen) sprechen, setzen die EU- Regierungen eigene wirtschafts- und machtpolitische Interessen dagegen. Soweit gibt es deutliche Differenzen beim Gipfeltreffen EU- USA, die sich z.B. auf Rüstungsexporte nach China, den "richtigen" Umgang mit dem Iran wie auch die Rolle der amerikanisch dominierten NATO erstrecken.

Kanzler Schröder liegt mit seiner Relativierung der NATO zwar richtig: die NATO ist so gut wie tot. Motiv bei ihm und anderen EU-Chefs ist aber die Stärkung eigener militärischer EU-Fähigkeiten in Konkurrenz zur USA. Die Friedensbewegung dagegen sieht die Chancen für einen positiven Einfluss der Europäischen Union nicht in eigener Aufrüstung sondern konsequenter Stärkung der friedenspolitischen Kapazitäten ziviler Konfliktbearbeitung und fairer Kooperation mit den Ländern des Südens und der arabisch-islamischen Welt. Ein in diesem Sinne starkes Europa könnte im transatlantischen Dialog die USA beeinflussen, den Weg zurück in die UN-Institutionen und die Achtung internationalen Rechts zu finden.

Zu befürchten ist, dass der Kanzler dem US-Präsidenten umfangreiche Konzessionen für den militärischen "Krieg gegen Terror", Bundeswehr- Engagement in Afghanistan und für (wenn nicht im) Irak machen wird, um so das Plazet für den Wunsch auf einen ständigen deutschen Sitz im UN-Sicherheitsrat zu erhalten. Schröder bringt die Bundesrepublik so auf die Rutschbahn in den Kombattanten-Status bei jetzigen und künftigen völkerrechtswidrigen US-Kriegen.

Manfred Stenner
Geschäftsführer des Netzwerk Friedenskooperative


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