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"Das Friedens-Wunder von Düsseldorf"

Über 7.000 Menschen demonstrierten in der Landeshauptstadt gegen den Irak-Krieg

Pressemitteilung

Über 70 Unterstützer hatten zum Düsseldorfer Friedenstag am 1. Februar eingeladen, darunter die Kirchen, alle Düsseldorfer Friedensgruppen, attac, Gewerkschaften, Parteien, Menschenrechtsverbände, antifaschistische Gruppen, Eine-Welt-Initiativen und KünstlerInnen. Das Motto: "Nein zum Irak-Krieg!" Über 7.000 Menschen waren zu Kundgebung, Demonstration und Lichterkette gekommen. Mehr als 1000 Teilnehmer hatten zuvor ein Ökumenisches Friedensgebet besucht. Für Düsseldorf darf das bei einer Mobiliserung von weniger als 10 Tagen und im Blick auf die eisige Kälte des Tages als wahres Wunder bezeichnet werden.

Die Künstlerin Elisabeth Abs, das von Friedensgruppen und attac in erprobter Kooperation gut bestellte Friedensfeld in der Stadt, sowie eine hervorragende Vernetzungsinitiative der Evangelischen Kirche haben dieses Wunder ermöglicht. Vertreter des Interreligiösen Dialog-Netzwerkes ließen unter vielsprachigem Friedensgruß eine weiße Taube fliegen: Salaam-Shalom-Peace. Obdachlose der Stadt solidarisierten sich auf ihrem Transparent mit allen obdachlosen Kriegsopfern. Schauspieler, Pantomime und Musiker gestalteten das Rahmenprogramm. Ein irakischer Musiker bestritt das gesamte Vorprogramm mit orientalischer Musik auf dem Syntheziser. (Er ist blind, weil durch Embargo-Beschränkungen in seiner irakischen Heimat medizinische Behandlungsmöglichkeiten fehlten.)

Die Mehzahl der Transparente forderte "Kein Blut für Öl", weltweite Gerechtigkeit und eine Völkerwelt des gewaltfreien Dialoges. Besonderen Protest richteten Transparente und Redner auch gegen die US-amerikanische Ankündigung, sogar der Einsatz von Mini-Atombomben sei nicht ausgeschlossen. Immer wieder wurde die Mißachtung des Völkerrechts als Bedrohung der gesamten Zivilisation hervorgehoben.

Anders als vergleichbare Bündnisse in anderen Großstädten zeigte sich diese Friedensbewegung ganz deutlich als Nicht-Regierungs-Bündnis. Die aktiv mitveranstaltenden Parteien hatten bereits im Vorfeld auf eigene Redebeiträge verzichtet. Es sollte nicht der Eindruck entstehen, die Friedenskundgebung werde für parteipolitische Intentionen instrumentalisiert. Auf Plakaten und allen Medien des Friedenstages wurde zur Teilnahme an der Berliner Demonstration am 15. Februar aufgerufen.

Der kath. Stadtdechant Msgr. Rolf Steinhäuser machte unmißverständlich deutlich, dass ein "präventiver" Angriffskrieg mit der katholischen Friedensethik unvereinbar sei. Alle Beiträge stellten die Solidarität mit den irakischen Menschen in den Vordergrund. Der Sprecher des Ökumenischen Friedensnetzes: "Es mag um Öl, Interessen der Rüstungsindustrie oder geopolitische Vorherrschaft gehen. Wir kennen die Lügen und die wirklichen Interessen. Uns geht es allein um unschuldige Menschen, deren Tod als so genannte Kollateralschäden schon Monate im Voraus angekündigt wird!" (Den Beitrag von Peter Bürger lesen Sie hier!)

Der 1. Februar war bewußt gewählt worden, weil Deutschland an diesem Tag den Vorsitz im UN-Sicherheitsrat übernimmt. Die Teilnehmer des Friedenstages erwarten von der Bundesregierung ein klares "Nein" zum Angriffskrieg auf den Irak und europäische Initiativen für eine friedliche Lösung der ungeklärten Fragen. Es gäbe keine Beweise für die angeführten Kriegsgründe. Würde die Argumentation der USA (Massenvernichtungswaffen, Menschenrechtslage) zutreffen, so müßte Krieg gegen viele duzend Länder dieser Erde folgen.

Übereinstimmend verlangten Jörg Angenfort, Nina Bartz (beide Vertreter der Schülerschaft), Joachim Graßmann (Gewerkschaftsmitglied), Irene Wollenberg (attac) und Peter Bürger (Sprecher für die Friedensgruppen) von der Bundesregierung überprüfbare Konsequenzen aus dem Votum gegen einen Irak-Krieg. Alle bereits vollzogenen oder angekündigten Unterstützungen (u.a. Awacs-Einsätze, Spezialpanzer, Flotten, Flughäfen, Überflugsrechte und Ersatzsoldaten vor US-Kasernen) seien verfassungswidrig und müßten zurückgezogen werden. Auch Beihilfe zu einem angekündigten Massenmord durch Angriffskrieg sei verfassungswidrig und strafbar.

Zur Sprache kamen auch die skandalösen bundesdeutschen Rüstungsexporte in den Nahen und Mittleren Osten. Monika Lent-Ötztürk (Interreligiöses Dialognetzwerk) nannte die Unterscheidung von westlichen und muslimischen Terror- und Kriegsopfern eine "rassistische Sünde". Irene Wollenberg (attac) forderte OB Joachim Erwin auf, nach dem Beispiel des Berliner Oberbürgermeisters die Initiative europäischer Städte gegen den Krieg zu unterzeichnen. Das sei angesichts der breiten Düsseldorfer Stadtwerbung für Olympia-Völkerverständigung eigentlich selbstverständlich.

Das Ende des Friedenstages bildete ein Lichtermeer auf der Königsallee mit Kerzen und zahlreichen kreativen Lichtobjekten. Alle Kirchenglocken der Innenstadt läuteten dazu um 18.00 Uhr.

Innerhalb der Düsseldorfer Friedensgruppen hatte es anfänglich Skepsis gegeben, ob ein breites Düsseldorfer Bündnis unter Einschluß von Regierungsparteien die klaren Forderungen der Friedensbewegung unter den Tisch kehre. So etwa war es auf einer Aachener Großveranstaltung - unter Ausschluß kritischer Gruppen - geschehen. Nach Ende des Friedenstages sind die Düsseldorfer Friedensgruppen jedoch rundherum mit der Gestaltung dieser größten Friedensdemonstration der Stadt seit 12 Jahren zufrieden. Hier haben die Menschen von unten gezeigt, dass sie ihre Stimme gegen einen verbrecherischen Krieg erheben. Wenn das auch zur glaubwürdigen Friedens-Resozialisierung von Menschen und Organisationen führt, die in der Vergangenheit militaristische Wege beschritten haben, würde die Friedensbewegung vor Ort sich freuen.

Eine Pressemitteilung des Ökumenischen Friedensnetzes Düsseldorfer Christinnen und Christen

Siehe auch: Friedensbewegung im Spiegel der Medien


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