11.9. - Ein Jahr danach: Solidarität statt Krieg!
Für Frieden und globale Gerechtigkeit. Eine Erklärung aus der Friedensbewegung
Im Folgenden dokumentieren wir einen Aufruf des Bundesausschusses Friedensratscchlag zum ersten Jahrestag der Terroranschläge von New York und Washington vom 11. September 2001 im Wortlaut.
In die Bestürzung über die monströsen Terroranschläge des 11. September
2001 und in die Trauer um die Todesopfer mischten sich sogleich Stimmen,
die den Urheber des Verbrechens genau zu kennen meinten und versprachen,
ihn und seine Helfershelfer zur Strecke bringen zu wollen. Der
US-Präsident kündigte einen lang dauernden "Krieg gegen den Terror" an,
der nach damaliger Kenntnis rund 60 Länder der Erde ins Visier nehmen
könnte. Die "erste Phase" dieses Feldzugs begann knapp einen Monat nach
den Anschlägen von New York und Washington mit dem Krieg gegen
Afghanistan, dessen Taliban-Regierung dem Terroristennetzwerk Al Qaida
Unterschlupf gewährte. Der Krieg dauert bis zum heutigen Tag an und hat
außer dem nebenbei erzielten und auf die Hauptstadt Kabul beschränkten
"Kollateralnutzen" (z.B. Wiederöffnung von Schulen für Mädchen) die
selbst gesteckten Ziele nicht erreicht: die Verhaftung des mutmaßlichen
Drahtziehers der Anschläge, Ossama bin Laden, und die Zerschlagung des
internationalen Terrornetzwerks. Stattdessen wurden nach vorsichtigen
Schätzungen mehrere Tausend Zivilisten getötet und die nach 20
Kriegsjahren noch übrig gebliebene dürftige Infrastruktur restlos
zerstört.
Es gab vor einem Jahr aber auch Stimmen, die aus den Terroranschlägen
andere Schlussfolgerungen gezogen haben. Terror, so formulierte damals
die Friedens- und globalisierungskritische Bewegung, könne nicht mit
Krieg bekämpft werden. Zur Verbrechensbekämpfung - und Terror ist nichts
anderes als ein Verbrechen - müssen zivile Mittel, das heißt
polizeiliche, juristische und politische Maßnahmen auf nationaler und
internationaler Ebene eingesetzt werden. Und eine langfristige Politik,
die den Terrorismus nachhaltig bekämpfen und eindämmen will, muss ihm
den sozialen, politischen und ideologischen Nährboden entziehen, in dem
er gedeiht. Ein Klima des Hasses und der Intoleranz und eine Politik,
die Gewalt mit Gegengewalt und Gegengewalt mit neuer Gewalt beantwortet,
bereitet auch den Boden für neue Terrorakte.
Die Regierenden der führenden Staaten dieser Welt haben den Weg des
Krieges beschritten. Dieser Weg führt in Sackgassen und Katastrophen.
Was den USA und ihren Verbündeten in Afghanistan recht ist, muss auch
Russland im Krieg gegen die tschetschenische Minderheit billig sein,
kann auch von China in der Unterdrückung zentralasiatischer Minderheiten
wie der Uiguren beansprucht werden, führte beinahe zu einem heißen Krieg
zwischen den beiden Atomwaffenstaaten Indien und Pakistan, liefert der
philippinischen Regierung zusätzliche Legitimation in ihrem Kampf gegen
aufständische Volksgruppen auf Mindanao, entfachte aufs Neue den
Bürgerkrieg in Kolumbien und ermunterte die israelische Regierung zu
einem noch schärferen militärischen Vorgehen gegen die Palästinenser.
Unter dem Vorwand, die Bevölkerung besser gegen den Terror schützen zu
wollen, haben sehr viele Staaten - auch die Bundesrepublik Deutschland -
Bürger- und Freiheitsrechte beschnitten, die Bewegungsfreiheit
ausländischer Mitbürger/innen eingeschränkt und die staatlichen
Überwachungs- und Kontrollinstrumente über die Bürger perfektioniert.
Der Militarisierung der Weltpolitik entspricht die Entdemokratisierung
der Innenpolitik.
Immer bedrohlichere Formen nehmen die Kriegsvorbereitungen der USA gegen
den Irak an. Der Krieg gegen Irak gehört zur nächsten "Phase" des
weltweiten US-Feldzuges gegen den Terror. Dabei gibt es keinerlei
Anhaltspunkte für die Behauptung Washingtons, der Irak unterhalte
Beziehungen zum Terrornetz Al Qaida, es gibt auch keine schlüssigen
Hinweise darauf, dass der Irak in nennenswertem Umfang über einsetzbare
Massenvernichtungswaffen verfügt. Den USA geht es in Wirklichkeit auch
um etwas ganz anderes: Saddam Hussein soll ausgeschaltet und eine
willfährige, den USA wohl gesonnene neue Regierung soll mit Waffengewalt
installiert werden. Dahinter steht das strategische Ziel, die Ressourcen
des Nahen Ostens vollständig unter US-Kontrolle zu bringen. Der
Irakkrieg würde unermesslichen Schaden anrichten und großes Leid unter
die Menschen bringen. Die Zivilbevölkerung leidet schon seit 12 Jahren
unter dem unmenschlichen, harten UN-Wirtschaftsembargo, an dessen Folgen
bereits Hunderttausende von Kindern und alten Menschen gestorben sind.
Eine andere Folge des Krieges wäre die weitere Destabilisierung des
ganzen Nahen Ostens. Israel hat bereits angekündigt, im Fall eines
irakischen Angriffs mit Massenvernichtungswaffen die eigenen Atomwaffen
einzusetzen. Der Weltfrieden steht auf dem Spiel.
In dieser Situation lassen die vielen skeptischen Stimmen aus den USA
Hoffnung aufkeimen, dass der Krieg doch noch zu verhindern sei. Die
Bevölkerung der wichtigsten Bündnispartner der USA lehnt den Irak-Krieg
mehrheitlich ab. Auch die EU und die meisten Regierungen in Europa sind
zur Zeit nicht bereit, den USA in den Krieg zu folgen. Die deutsche
Bundesregierung hat wiederholt eindeutig erklärt, dass sie sich an dem
US-Krieg nicht beteiligen werde, auch dann nicht, wenn ein Mandat des
UN-Sicherheitsrats vorläge (was indes ohnehin nicht zu erwarten ist).
Bundestagspräsident Thierse hat darauf aufmerksam gemacht, dass der
Krieg gegen Irak ein Angriffskrieg und von daher mit Artikel 26 des
Grundgesetzes nicht vereinbar sei und darüber hinaus gegen das
Völkerrecht verstoße.
Dieser Einschätzung müssen Taten folgen. Die Friedensbewegung appelliert
daher an die Bundesregierung,
-
sofort alle deutschen Truppen aus der Krisenregion zurückzuziehen,
insbesondere die ABC-Spürpanzer aus Kuwait und die Marineverbände aus
der Golfregion und vor Afrika, und
- die Nutzung der militärischen Infrastruktur in Deutschland
einschließlich der US-Basen wie Spangdahlem, Ramstein und Frankfurt
Airport zu verweigern.
Spätestens jetzt, ein Jahr nach dem 11. September 2001, zeigt sich, dass
es ein folgenschwerer Fehler war, dem US-Präsidenten Bush die
"uneingeschränkte Solidarität" der Bundesregierung zuzusichern.
Wir sagen:
Solidarität ja - mit den Hinterbliebenen der Opfer des
Terrors, mit zwei Dritteln der Weltbevölkerung, die in bitterer Armut
leben und keine Entwicklungsperspektive besitzen und in deren Umfeld der
Nährboden entsteht, in dem Hass, Gewalt, Terror und Krieg gedeihen.
Wir sagen Nein zum Krieg. X-tausendX Nein zum Irak-Krieg.
Terror und Krieg können langfristig nur durch eine globale Politik der
sozialen Gerechtigkeit des Friedens und der Abrüstung überwunden werden.
Dafür demonstriert die Friedensbewegung am 11. September 2002 im ganzen
Land. Dafür geht die Friedensbewegung zusammen mit Attac und der
Gewerkschaftsjugend am 14. September in Köln auf die Straße.
Bundesausschuss Friedensratschlag
Kassel, den 5. September 2002
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