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Bundessicherheitsrat segnet neue Rüstungsexporte ab

Panzerfäuste für die Saudis

Der "Stern" berichtet in seiner Ausgabe vom 6. Juli, dass der Bundessicherheitsrat am 28. Juni 2000 neue Rüstungsexporte genehmigt hat. In der wie üblich geheim gehaltenen Sitzung - der Bundessicherheitsrat scheut aus guten Gründen die Öffentlichkeit - sei die Lieferung von 1.200 Panzerfäusten nach Saudi-Arabien genehmigt worden. Die Entscheidung fiel mit drei zu zwei Stiommen. Dafür waren - wie üblich - Kanzler Schröder (SPD), sein Verteidigungsminister Scharping (SPD) sowie der den Interessen der Wirtschaft verpflichtete Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). Dagegen plädierten der grüne Außenminister Joseph Fischer sowie die Entwicklungshilfeministerin Heidi Wieczorek-Zeul (SPD).

Nun gehört Saudi-Arabien zwar zu den engeren Verbündeten des "Westens" und hat sich v.a. während des Golfkriegs als Kriegspartei an der Seite der US-Alliierten ausgezeichnet, auch dient das große und (öl-)reiche Land heute noch als natürlicher Flugzeugträger und Aufmarschgebiet für die US-Streitkräfte in ihrem ständigen Krieg gegen den Irak, doch in Sachen Menschenrechte und Demokratie dürfte mit dem Königreich auch heute noch kein Staat zu machen sein. Amnesty international berichtet regelmäßig über willkürliche Verhaftungen politisch unliebsamer Bürger, über unfaire Gerichtsverfahren, Folterungen und Misshandlungen an Häftlingen. Im Land gelten die Scharia (das islamische Recht) und die Todesstrafe. Die Einhaltung der Menschenrechte war ein hervorgehobenes Kriterium, das nach den am 29. Januar 2000 verabschiedeten neuen Rüstungsexportrichtlinien die Bundesregierung bei ihren Entscheidungen über die Vergabe von Exportgenehmigungen angewendet werden sollte. Es scheint, als fechte das die Mehrheit des Bundessicherheitsrats im konkreten Fall nicht an.

Nach dem Bericht des "Stern" sei in der Sitzung ein Antrag auf Export militärischer Instrumente an Taiwan abgelehnt worden. Weitere Entscheidungen wurden vertagt. So z.B. die Entscheidung über die Lieferung von Fuchs-Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate. Hier, so verlautete aus Regierungskreisen, herrsche Einigkeit darüber, dass eine Genehmigung wohl einstimmig erteilt werde. Auch in diesem Fall interessiert also die Rüstungsexportrichtlinie nicht. Offenbar sind auch Fischer und Wieczorek-Zeul den "Argumenten" von Scharping auf den Leim gegangen, bei den Fuchs-Spürpanzern handle es sich um rein defensive Rüstungsgüter. Eine Unterscheidung zwischen Offensiv- und Defensiv-Waffen macht aber die Rüstungsexoportrichtlinie nicht und auch im wirklichen militärischen Alltag dürfte eine solche Unterscheidung wenig hilfreich sein.

Die zweite aufgeschobene Entscheidung betrifft die Türkei. Hier ging es diesmal nicht um die Panzerlieferung, sondern um den Export von Computersoftware. Angaben hierzu waren in Berlin aber nicht zu erhalten. Die Regierung schweigt sich auch über die Lieferung der von der Türkei verlangten 1.000 Leopard-Panzer aus. Möglicherweise ist bei der Sitzung des Bundessicherheitsrats nicht darüber gesprochen worden - vielleicht aus Furcht vor einer neuerlichen öffentlichen Auseinandersetzung ähnlich dem Streit im Oktober 1999, als das Gremium mit drei zu zwei Stimmen die Lieferung eines Testpanzers zugesagt hatte. Traut man den Zeitungsmeldungen dieser Tage (2. bis 6. Juli, verschiedene Zeitungen, die sich zum Teil aber auf den Stern-Bericht beziehen), so könnte eine endgültige Entscheidung über den Panzerdeal im September fallen.

Die Befürworter der Panzerlieferung werden sich bis dahin bestimmt etwas einfallen lassen, um Fortschritte bei den Menschenrechten in der Türkei diagnostizieren zu können. Ein paar Gesten des guten Willens - hier eine Begnadigung, dort ein paar Tage Zurückhaltung an der "Kurdistan-Front" - werden der türkischen Regierung nicht schwer fallen. Sie wollen die Panzer unbedingt haben, weil sie sie für ihren Kampf gegen Irak und evtl. gegen Armenien brauchen. Da kann man - vorübergehend - an der Menschenrechtsfront gutes Wetter machen und der Bundesregierung aus der innenpolitischen Patsche helfen.

Damit es nicht so glatt geht, heißt es also: Verstärken wir unsere Bemühungen, das Panzergeschäft mit der Türkei zu Fall zu bringen. Sammeln wir weiter Unterschriften und bereiten wir uns auf die geplante öffentliche Aktion der Friedensbewegung am 23. September in Berlin vor. Keine Panzer in die Türkei!

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