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South Stream belebt EU

Washington und Brüssel wollen »Erdgasleitung ohne Ukraine« gerne stoppen. Italien, Österreich, Griechenland stemmen sich dagegen und schaffen vertragliche Fakten

Von Rainer Rupp *

Für Italien sei das South-Stream-Projekt »schon immer sehr wichtig« gewesen und werde »das auch bleiben«. Das sagte Italiens Staatssekretär für europäische Angelegenheiten, Sandro Gozi, am 30. Juni – einen Tag vor Übernahme der halbjährlich wechselnden EU-Ratspräsidentschaft durch sein Land. South Stream ist die Süd-Version eines großangelegten Infrastrukturvorhabens (durch die Ostsee verläuft das Pendant »North Stream«) und soll russisches Gas an der Ukraine vorbei – und damit frei von Störungen und Diebstahl – durch das Schwarze Meer auf EU-Territorium transportieren. Geplant ist, daß die Pipeline von der Küste Bulgariens über Serbien zum Verteilerknotenpunkt ins österreichische Baumgarten führt, von wo aus Italien, Österreich und auch Deutschland über kleinere Rohre versorgt werden. Unterwegs gibt es Abzweigungen nach Griechenland und Serbien.

Italiens Regierung messe South Stream strategische Bedeutung bei. Man sei »überzeugt, daß wir die Beziehungen zu Rußland weiter verstärken« und zugleich »unsere Bemühungen um eine strategische Partnerschaft« wiederbeleben müssen, erklärte Gozi am Montag in einem exklusiven Interview mit der russischen Nachrichtenagentur Itar-Tass. Er unterstrich, daß Italien die Umsetzung des Projekts während seiner EU-Präsidentschaft »so leicht wie möglich« machen werde. Dabei können sich die Italiener der resoluten Unterstützung der österreichischen und der griechischen Regierung sicher sein. Diese ist auch dringend nötig. Denn im Zusammenhang mit dem Konflikt in der Ukraine hat die für South Stream zuständige Abteilung der EU-Kommission bereits dicke Knüppel in das Räderwerk des Projekts geworfen. Dazu gehört, daß Brüssel dem ärmsten EU-Land – und somit schwächsten Glied der Pipelinekette – auf die Pelle gerückt ist: Bulgarien wurde verboten, mit dem Bau der Pipeline auf seinem Territorium fortzufahren.

Die fadenscheinige Begründung des Befehls: South Stream verstoße gegen EU-Wettbewerbsvorschriften. Demnach müßten auch andere, konkurrierende Lieferanten die Pipeline benutzen dürfen. Deren Eigentümer, Rußlands Gasprom und der österreichische Energiegigant OMV, sehen darin eine politische Schikane russophober Kräfte in der EU. Denn seit der Verschrottung des überteuerten Nabucco-Projekts im Juni 2013, das aserbaidschanisches und turkmenisches Gas an Rußland vorbei über die Türkei nach Südeuropa bringen sollte, ist ein anderer Lieferant als Gasprom nicht in Sicht. Auch gibt es bisher keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshof, der den von Brüssel ergangenen Baustopp in Bulgarien legalisieren würde. Laut Ben Aris von Business New Europe scheint das auch keine Rolle zu spielen. Wichtig sei, daß »diese Sache mit South Stream nicht in die Politik der aktuellen Situation paßt«, sagte der Redakteur Anfang Juni gegenüber dem Moskauer Nachrichtensender Russia Today.

Im Ukraine-Konflik stößt man indes auf Schritt und Tritt auf Anzeichen massiver und hinterhältiger Einmischung politischer Abenteurer aus Washington. Das ist auch in »der Sache mit South Stream« der Fall. Als der bulgarische Ministerpräsident Plamen Orescharski am 8. Juni dieses Jahres vor die Presse trat, um den Baustopp an South Stream zu verkünden, hatte er sich noch Stunden zuvor mit drei US-Senatoren getroffen. John McCain, Chris Murphy und Ron Johnson hatten für diesen ungeplanten Abstecher extra eine gemeinsame Reise nach Polen und Rumänien unterbrochen, auf der sie schon fleißig antirussische Emotionen geschürt hatten. McCain sagte anschließend gegenüber der Presse, daß Amerika »in der aktuellen Situation weniger russische Beteiligung« an dem Projekt wolle.

Schon vorher hatte Washington die bulgarische Regierung imVisier. Die hatte nämlich den Vertrag für den Bau des bulgarischen Abschnitts von South Stream an das russische Konsortium Strojtransgas vergeben, ein Unternehmen, das Washington auf seine Sanktionsliste gesetzt hatte. Prompt hatte die US-Botschafterin Marcie B. Ries ihre »tiefe Besorgnis« über diese Entscheidung zum Ausdruck gebracht. »Wir haben der bulgarischen Wirtschaft geraten, besser nicht mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, die auf der US-Sanktionsliste stehen«, sagte Ries und unterstrich, »jetzt sei nicht die Zeit für Business as usual mit Rußland«. Ganz anders sehen das neben den Italienern, Griechen und Serben auch die Österreicher. Der vorläufige Höhepunkt im politischen Kampf um das Pipelineprojekt fand am 25. Juni in Wien statt. Dort gab die österreichische Regierung trotz des massiven Drucks aus Washington und Brüssel ihre endgültige und unwiderrufliche Zustimmung – und hieß in einer Feierstunde zur Unterzeichnung des Abkommens Präsident Wladimir Putin herzlich willkommen.

* Aus: junge Welt, Samstag 5. Juli 2014


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