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Zurück zu den Rohstoffen

US-Ölunternehmen setzen auf Ölschiefer und Schiefergas / Förderung belastet die Umwelt

Von John Dyer, Boston *

Die USA wollen ihre Abhängigkeit von Energieimporten verringern. Deshalb fördern sie zunehmend aus Öl- und Gasvorkommen in Schiefergestein. Doch das belastet die Umwelt.

Eben noch haben die meisten US-Amerikaner geglaubt, dass technologischer Fortschritt, Spitzenprodukte, der Finanzmarkt und Hollywood ihr Land aus der Krise ziehen könnten. Nun sollen Rohstoffe den Wohlstand zurückbringen.

Steigende Ölpreise und die Nuklearkatastrophe in Japan haben die Aufmerksamkeit wieder auf heimische Energieträger gerichtet – und zwar diejenigen, die nicht in ökologisch sensiblen Gebieten wie Alaska oder dem Golf von Mexiko gefördert werden müssen.

»Wie wäre es, wenn wir drei der größten Ölfelder der Welt der vergangenen Jahre bei uns in den USA gefunden hätten?«, fragt Aubrey McClendon eher rhetorisch. »Wir stark würde das die US-Wirtschaft verändern?« Der Chef des Energiekonzerns Chesapeake Energy gibt auch gleich die Antwort: Öl und Gas aus Schiefergestein könnte die Energieversorgung der größten Volkswirtschaft der Welt auf den Kopf stellen.

Schon jetzt fördern Unternehmen in den USA täglich eine halbe Million Fass Öl (etwa 159 Liter) aus Schiefergestein, hat die in Colorado beheimatete Energieberatungsfirma IHS CERA kürzlich mitgeteilt. Bis 2020 könnten es bis zu drei Millionen Fass täglich werden. Das Ölfeld Eagle Ford in Texas allein könnte die US-Förderung um ein Viertel erhöhen. Ähnlich sieht es bei Schiefergas aus. Vor vier Jahren trug es 14 Prozent zur Energieversorgung des Landes bei. Zwei Jahre später hatte sich der Anteil auf 28 Prozent verdoppelt.

Der Aufschwung schafft Arbeitsplätze. Bis zu zwei Millionen könnten es laut den Förderunternehmen werden, gerade in strukturschwachen Bundesstaaten wie Ohio und Michigan.

Washington fördert die Schieferbonanza. Denn gerade die Stromwirtschaft befindet sich im Umbruch. Auf der einen Seite will US-Präsident Barack Obama in den nächsten sechs Jahren bis zu einer Million Elektroautos auf die Straßen bringen. Zum anderen schreitet die US-Umweltbehörde EPA zunehmend gegen alte Kohlekraftwerke ein. Durch ihre strengen Regeln gegen die Luftverschmutzung gehen immer mehr Kraftwerke vom Netz. Laut dem Edison Electric Institute in Washington ist der Anteil der Kohle an der Stromerzeugung zwischen 2000 und 2010 von 52 auf 45 Prozent gesunken. Gleichzeitig ist der Anteil des Erdgases von 16 auf 24 Prozent gestiegen. Gas stößt pro Energieeinheit deutlich weniger Kohlendioxid aus und ist deshalb weniger klimaschädlich.

Die Energiewirtschaft träumt inzwischen sogar wieder davon, Energieträger zu exportieren. »Als klar wurde, dass genug Angebot vorhanden ist, um die heimische Nachfrage zu decken, war es ein logischer Schritt, nach Möglichkeiten des Exports zu schauen«, sagt Mukul Sharma, Professor an der Universität Texas in Austin. Dabei waren eben noch in zahlreichen Häfen des Landes Anlagen für die Aufnahme von Flüssiggas errichtet worden. Nun könnten sie teilweise für Exporte umgewidmet werden.

Doch es gibt auch Kritik. Andrew Cuomo, Gouverneur des Bundesstaates New York, ordnete eine verstärkte Überprüfung des sogenannten Frackings an. Bei diesem Verfahren werden Salz- und Chemikalienlösungen in den Untergrund gepresst, um Öl und Gas herauszuholen. Cuomo reagierte damit auf einen Unfall in Pennsylvania. Dort hatten tausende Liter dieser Lösung einen Fluss verschmutzt. Verantwortlich war ausgerechnet Chesapeake Energy. Andere Bundesstaaten folgten dem Beispiel. Selbst das ölfreundliche Texas verabschiedete ein Gesetz, nachdem die Förderunternehmen die verwendeten Chemikalien offenlegen müssen. Die EPA prüft die Möglichkeit einer entsprechenden Verordnung auf Bundesebene.

Auch die Klimafreundlichkeit des Schiefergases wird zunehmend in Zweifel gezogen. So zeigen neue Studien, dass bei der Förderung weitere schädliche Gase freigesetzt werden. Trifft das zu, wäre Schiefergas so schädlich wie Öl und womöglich Kohle. In den dünn besiedelten Bundesstaaten Utah und Wyoming erreicht das Smogniveau bereits Zustände wie in Großstädten. Das ruft auch dort die Behörden auf den Plan. »Die Leute hier waren erst besorgt, jetzt sind sie irritiert«, sagt Stephen Smith, Bürgermeister der Stadt Pinedale in Wyoming. »Ich bin nicht gegen die Wirtschaft. Aber meine Aufgabe ist es, die Sorgen der Leute zu vertreten. Und diese Sorgen sind da.«

* Aus: Neues Deutschland, 8. Juni 2011


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