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Mehr Energiesicherheit durch South Stream

Von Oleg Mitjajew, RIA Novosti

Die jüngste Gaskrise hat deutlich veranschaulicht, wie wichtig die Diversifizierung der Gaslieferungen nach Europa ist. Den meisten Prognosen zufolge wird zudem der Bedarf der europäischen Verbraucher am "blauen Brennstoff" in den kommenden zehn bis zwanzig Jahren bedeutend zunehmen. Daher schlugen der russische Energieriese Gazprom und der italienische Konzern ENI vor, eine Gasleitung zu bauen, die die russische Schwarzmeerküste mit Süd- und Mitteleuropa verbinden soll.

Das South-Stream-Projekt ist mit Blick auf den langfristigen Trend des zunehmenden Gasverbrauchs in Europa von großer Bedeutung.

Schätzungsweise sollten sich bis 2020 die Gaslieferungen nach Europa um 70 bis 100 Milliarden Kubikmeter jährlich erhöhen, um die wachsende Nachfrage zu decken. Laut dem Europäischen Verband der Gasindustrie (Eurogas) wird der EU-Gasbedarf von derzeit 440 Millionen Tonnen Erdöläquivalent auf 625 Millionen Tonnen Erdöläquivalent ansteigen. Um den wachsenden Bedarf Europas an Erdgas zu decken sowie dessen Lieferwege zu diversifizieren, beschlossen Gazprom und ENI im Juni 2007 den Bau der South-Stream-Pipeline ("Südstrom").

Das Projekt sieht einige Meeresabschnitte der Gasleitung vor: durch das Schwarze Meer (von der russischen Küste im Raum von Dschubga bis zur bulgarischen Küste bei Warna) und die Adria (vermutlich von der griechischen Küste bis Süditalien).

Die Pipeline-Abschnitte auf dem Festland sollen durch Russland (bis zur Schwarzmeerküste) und die süd- und mitteleuropäischen Länder Bulgarien, Griechenland, Serbien, Ungarn, Slowenien und Österreich verlaufen. Mit Bulgarien, Griechenland, Serbien und Ungarn sind bereits Regierungsabkommen über den Bau des jeweiligen South-Stream-Stranges unterzeichnet worden. Mit Slowenien wird eine ähnliche Vereinbarung besprochen. Geplant ist auch die Unterzeichnung eines Regierungsabkommens mit Österreich.

Die genannten Dokumente sehen Gemeinschaftsunternehmen zur Ausarbeitung von Machbarkeitsstudien zum Projekt vor. Dem soll eine zusammengefasste Investitionsbegründung folgen. Ihre künftigen Bestandteile sind: die Investitionsbegründung für den russischen Festlandabschnitt der Gasleitung, die Machbarkeitsstudie für den Schwarzmeerabschnitt und Machbarkeitsstudien für die Festlandabschnitte in Bulgarien, Serbien, Ungarn, Slowenien und Griechenland. Anhand der zusammengefassten Investitionsbegründung soll der Beschluss über den Übergang des Projekts ins Investitionsstadium gefasst werden.

Mit der Realisierung des Projekts (geplante Gesamtleistung: jährlich 31 Milliarden Kubikmeter) wird der zunehmende Energiebedarf der Europäischen Union gedeckt. Ermöglicht wird außerdem der Ausbau des EU-Gastransportnetzes, die Festigung der Wirtschaftsbeziehungen in Europa und eine größere Flexibilität des europäischen Gassystems.

South Stream ist nicht nur zur Deckung des wachsenden Gasbedarfs in Europa bestimmt. Die Pipeline wird Europa durch die Diversifizierung der Gaslieferwege mehr Energiesicherheit geben und dank der neuen, hochleistungsfähigen und sicheren Gastransportroute die Zuverlässigkeit der Gaslieferungen an die europäischen Länder erhöhen.

Vor allem sei betont, dass Gazprom und ENI sich dem Umweltschutz verschreiben haben und die neuesten Technologien nutzen, um den strengen Ökologie- und Sicherheitsstandards zu entsprechen. Gemeinsam mit ENI hat Gazprom bereits ein sehr schwieriges Projekt auf dem Grund des Schwarzen Meeres verwirklicht. Die Rede ist von der Blue-Stream-Pipeline, die Russland und die Türkei miteinander verbunden hat und seit 2003 zuverlässig und reibungslos in Betrieb ist.

Deshalb brauchen sich die Länder, durch deren Territorium und Gewässer die South-Stream-Leitung führen wird, keine Sorgen zu machen, dass deren Bau der Umwelt schadet.

Außerdem wird South Stream den süd- und mitteleuropäischen Ländern zahlreiche ökonomische Vorteile bringen: weitere Arbeitsplätze und zusätzliche Steuereinnahmen aus dem Gastransit.

In Bulgarien wird das Eigentumsrecht auf die Gesellschaft, die den Bau und Betrieb der Gaspipeline auf seinem Gebiet realisieren wird, und auch die Gasleitung selbst paritätisch zwischen dem Staatskonzern Bulgargaz und Gazprom geteilt. Das Joint Venture soll in Bulgarien eingetragen und die Steuern ebenfalls in Bulgarien entrichtet werden. Auf diese Weise verspricht die Verlegung des Pipelineabschnitts durch Bulgarien dem Haushalt des Landes Direkteinnahmen in Höhe von Hunderten Millionen Euro. Der Bau der Gasleitung wird dem Land zudem neue Arbeitsplätze und eine neue Infrastruktur, darunter die Einrichtung unterirdischer Speicher, sichern.

South Stream garantiert Bulgarien zuverlässige langfristige Gaslieferungen. Dadurch kann der EU-Neuling seinen jährlichen Gasverbrauch verdoppeln, das heißt von drei Milliarden auf sechs Milliarden Kubikmeter. Dank den Direktlieferungen aus Russland über South Stream wird Bulgariens Gasbedarf auch bei höherer Gewalt zu 100 Prozent gesichert sein.

Serbien kann aus dem South-Stream-Projekt folgende Vorteile ziehen: schätzungsweise 100 000 neue Arbeitsplätze, zwei Milliarden Euro an Direktinvestitionen aus dem Ausland, mehr als 200 Millionen Euro an Zollgebühren aus dem Transit und weitere 100 Millionen Euro für die Bedienung und Qualitätskontrolle der Pipelineabschnitte sowie für andere Tätigkeit. South Stream wird Serbiens bereits existierende Gasinfrastruktur beträchtlich ergänzen. Als Teil des Projekts ist in Serbien der Bau des unterirdischen Gasspeichers Banatski dvor geplant. Gemäß einem Abkommen zwischen Gazprom und Srbijagas soll ein Gemeinschaftsunternehmen für den Bau und Betrieb des serbischen South-Stream-Abschnitts mit einer Jahresleistung von zehn Milliarden Kubikmeter verantwortlich sein.

In Ungarn wird ein Joint Venture von Gazprom und der Ungarischen Entwicklungsbank (MFB) entstehen, das den Bau und Betrieb des South- Stream-Stranges managen soll. Für Gazprom ist Ungarn der fünftgroße Gasabnehmer in Europa (7,5 Milliarden Kubikmeter im Jahr), also ein sehr wichtiger und wertvoller Kunde.

Gegenwärtig prüft Gazprom die Möglichkeit, in Ungarn einen gemeinsamen unterirdischen Gasspeicher mit einer Nutzmenge von mehr als einer Milliarde Kubikmeter zu bauen.

Doch das South-Stream-Projekt bedeutet nicht nur für die Länder ein Vorteil, durch die die Gaspipeline führen wird. Als deren Endpunkt soll eine Gastransport-Drehscheibe in Österreich dienen. Von dort könnte der russische Brennstoff in die Transportnetze der größten europäischen Gasverbraucher Deutschland und Italien gepumpt werden.

* Mit freundlicher Genehmigung der Russischen Nachrichtenagentru RIA Novosti


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