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Kein billiges Öl mehr

Spekulation hin, schleppender Pkw-Absatz her: Trotz Wirtschaftskrise bleibt der Preis für den fossilen Energieträger hoch. Hinweis auf beginnende Verknappung

Von Wolfgang Pomrehn *

Was ist eigentlich mit dem Ölpreis los? Noch vor einem Jahr, als er schwindelerregende Höhen von fast 150 US-Dollar pro Faß (159 Liter) erklomm, sprach alle Welt von ihm. Auch die großen Medien entdeckten auf einmal ein Thema, das zuvor nur in einer relativ kleinen Schar interessierter Fachleute und Laien diskutiert worden war: Peak Oil, die absolute Obergrenze der globalen Förderrate. Ist diese bereits erreicht oder wird es demnächst sein, lautet die entscheidende Frage? Danach ginge es nämlich, so viel ist unstrittig, mit der Förderung unweigerlich ab- und mit dem Preis aufwärts, weil die Lagerstätten sich schneller erschöpfen, als neue gefunden oder erschlossen werden könnten. Bei ähnlichem oder nur leicht sinkendem Ölkonsum, versteht sich.

Inzwischen ist der Medienzirkus weitergezogen und das Thema aus der öffentlichen Wahrnehmung wieder verschwunden. Vollkommen zu Unrecht, denn der Preis für das Schmiermittel der Weltwirtschaft zeigt immer noch ein ziemlich unnormales Verhalten. Gemessen an der Stimmung in der Wirtschaft und bei den Verbrauchern der Industriestaaten ist er einfach viel zu hoch.

Für gewöhnlich gibt es ein einfaches Verhältnis zwischen dem Preis des schwarzen Goldes und dem Auf und Ab der Weltwirtschaft. Geht letztere auf Talfahrt, dann folgen ihr die Rohstoffpreise, weil diese von der sinkenden Nachfrage gedrückt werden. So hat es sich in den Krisen der 1970er und 1980er Jahre verhalten. Auch während der Asienkrise 1997/98 war ein Faß der umstrittenen US-Referenzsorte West Texas Intermediate (WTI) kurzzeitig für weniger als zehn Dollar zu haben. Der Duchschnittspreis aller Sorten lag damals für ein gutes halbes Jahr unter 20 US-Dollar pro Faß, womit das Rohöl inflationsbereinigt sogar noch billiger als in der Ära vor 1973 war. Das Jahr gilt in gewisser Weise als Wendepunkt, weil damals erstmalig zahlreiche in der OPEC organisierte Ölförderländer ihre Marktmacht entdeckten und nutzten.

Doch 2009 ist alles anders. Obwohl inzwischen – im Gegensatz zu 1997/98, als im wesentlichen die Schwellenländer unter der Krise zu leiden hatten – fast alle Industriestaaten in einer tiefen Rezession stecken, zeigt der Ölpreis wenig Neigung, weiter nachzugeben. Von seinem extremen Gipfel ist er zwar längst abgestürzt, doch die Talsohle lag offenbar mehr als doppelt so hoch wie noch vor elf Jahren. Im Dezember und Februar war ein Faß WTI jeweils einige Tage lang für etwas weniger als 40 US-Dollar zu haben, aber schon ab Mitte März schwankte der Preis wieder um die 50 US-Dollar. In den letzten knapp drei Wochen ging es sogar, trotz neuer negativer Nachrichten über schrumpfende Wirtschaftsleistung im Euro-Raum, weiter aufwärts. Zeitweilig notierte das Faß an den Börsen mit 60 US-Dollar, derzeit pendelt sein Preis etwas darunter leicht hin und her.

Ein Teil dieser Entwicklung ist sicherlich Spekulationen geschuldet. Es gibt Berichte, wonach Fonds versuchen, den Markt für Lieferkontrakte aufzukaufen, um die Preise zu manipulieren. An den Börsen, namentlich in Schanghai, Hongkong und Taipeh wurde in den zurückliegenden Wochen so getan, als hätten sie nie von einer Krise gehört. In Mumbai legten sie am gestrigen Montag gar um 17 Prozent zu, aber das ist sicherlich ein lokales Ereignis bedingt durch die Bekanntgabe des Ergebnisses der indischen Parlamentswahlen. Der Anstieg war so stark, daß der Handel ausgesetzt werden mußte. Diese rational nicht zu begründende Euphorie der Aktienmärkte hat sicherlich auch die Rohstoffbörsen beflügelt.

Nach den neuesten Zahlen der Internationalen Energieagentur (IEA) in Paris vom Donnerstag letzter Woche gibt es in der Realwirtschaft für die Hochstimmung wenig Anlaß. Die Nachfrage nach Öl, so die Agentur in ihrem monatlichen Marktbericht, werde in diesem Jahr mit 83,2 Millionen Faß pro Tag um drei Prozent unter dem durchschnittlichen Bedarf des Vorjahres liegen. Die Statistiker hatten damit ihre Vorhersage für das laufende Jahr noch einmal leicht nach unten revidiert. Interessanterweise quittierten die Börsen die Nachricht aus Paris nur mit einer leichten Delle. Auch die Meldung, daß die OPEC-Staaten ihre Produktion im April erstmals seit sieben Monaten wieder leicht gesteigert hatten, ließ die Ölhändler offensichtlich unbeeindruckt. Der Aufwärtstrend des Ölpreises scheint ungebrochen.

Bleibt also die Frage nach den Ursachen. Unter den üblichen Verdächtigen ist zunächst die OPEC, die in den zurückliegenden Monaten, mit der erwähnten Ausnahme, das Angebot verknappt hatte. Tatsächlich entsprechen die etwa 2,6 Millionen Faß pro Tag, um die die OPEC-Förderung gegenüber dem dritten Quartal 2008 abgenommen hat, ziemlich genau dem von der IEA erwarteten Nachfragerückgang für 2009. Allerdings liefert die OPEC nur noch 33 Prozent des derzeitigen globalen Absatzes. Angesichts der finanziellen Nöte einiger Nicht-OPEC-Ölländer wie Rußland, ist es sogar erstaunlich, daß diese nicht mit höherer Förderung versuchen, ihren Marktanteil zu vergrößern. Das bestätigt die Annahmen einiger Fachleute, daß Rußland und die meisten anderen Nicht-OPEC-Staaten ihren Förderhöhepunkt bereits überschritten haben. Mit anderen Worten: Sie sind gar nicht in der Lage, die Förderung weiter zu erhöhen. Die Zeiten billigen Öls sind also endgültig perdu.

* Aus: junge Welt, 19. Mai 2009


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