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Wettlauf um Pipelines

Von Oleg Mitjajew, RIA Novosti *

Am 13. Juli kam in Ankara ein wichtiges Regierungsabkommen über den Bau der Nabucco-Pipeline zustande.

Das Rohr soll unter Umgehung Russlands Gas nach Europa liefern. Wenn umgesetzt, könnte Nabucco eine ernstzunehmende Alternative zum South-Stream-Projekt werden, laut dem Gas aus Russland nach Süd- und Mitteleuropa kommen soll. Bulgarien, das sich an beiden Projekten beteiligt, versucht schon, bei Russland in Bezug auf die Energieabkommen günstigere Bedingungen für sich auszuhandeln.

Am Montag (13. Juli) wurde in der türkischen Hauptstadt das Regierungsabkommen über das Nabucco-Projekt von den Regierungen von fünf Transitländern - Türkei, Österreich, Ungarn, Bulgarien und Rumänien - unterzeichnet.

Das Nabucco-Rohr (Länge: 3300 Kilometer, Leistung: 31 Milliarden Kubikmeter Gas im Jahr) soll laut Plan aus der osttürkischen Stadt Ersurum über Bulgarien, Rumänien und Ungarn nach Österreich führen, wo in Baumgarten eine große europäische Gasverteilungszentrale liegt. Das Projekt wird auf 7,9 Milliarden Euro geschätzt, die Inbetriebnahme von Nabucco ist für 2015 oder 2016 vorgesehen.

Die Unterzeichnung des Nabucco-Abkommens wurde wegen der Position der Türkei mehrmals aufgeschoben. Sie forderte, dass 15 Prozent der ganzen Gasmenge, die durch die Pipeline gepumpt werden soll, ihr zu niedrigeren Preisen verkauft würden. Doch diese Forderung machte das wichtigste EU-Gasprojekt unrentabel. Letzten Endes konnte die Europäische Union Ankara zum Verzicht auf diese Forderung bewegen.

Ein weiteres und wichtigeres Problem war und bleibt die vollständige Auslastung des Rohrs mit Gas. Vieles weist darauf hin, dass die Initiatoren des Projekts gegenwärtig ihre Möglichkeiten realer einschätzen. Ihnen zufolge werde der Betrieb von Nabucco in der ersten Etappe mit jährlich acht bis zehn Milliarden Kubikmeter Gas begonnen werden, um dann die Leistung allmählich zu heben.

Es ist klar, dass zuerst die größten Gasmengen für Nabucco aus Aserbaidschan kommen werden. Die Pipeline-Route Baku - Tiflis - Ersurum ist schon gebaut und in Betrieb gesetzt worden.

Nach Meinung der Projekturheber werde es möglich sein, gegen 2015 bei Aserbaidschan sieben bis acht Milliarden Kubikmeter Gas, ebensoviel bei Iran und bis zu zwei Milliarden Kubikmeter bei Ägypten zu kaufen. Doch kurz vor Unterzeichnung des Abkommens erklärte der Vertreter Irans, sein Land habe kein überschüssiges Gas für Nabucco und werde es auf dem Inlandsmarkt absetzen.

Dafür kam am vergangenen Freitag aus Turkmenien Unterstützung für Nabucco. Präsident Gurbanguly Berdymuchammedow stellt eindeutig Gaslieferungen für das Projekt in Aussicht. Er erklärte, Turkmenien, das um die Diversifizierung seiner Energieverkäufe bemüht sei, wolle seine Möglichkeiten für die Teilnahme an internationalen Großprojekten - "solchen wie Nabucco" - nutzen.

Der Anschluss Turkmeniens an die Nabucco-Pipeline über die Transkaspische Gasleitung, die Turkmenien und Aserbaidschan über das Kaspische Meer verbinden soll, war schon immer der sehnlichste Wunsch der Nabucco-Urheber.

Aber laut einem Abkommen von 2003 hat der russische Gasriese Gazprom das Monopolrecht auf den Kauf von turkmenischem Gas in einem Umfang bis zu jährlich 50 Milliarden Kubikmeter im Laufe von 25 Jahren. Seit dem Frühjahr hat der russische Konzern allerdings wegen des Nachfragerückgangs bei Gas den Gaskauf in Turkmenien eingestellt - und dieses so Nabucco in die Arme getrieben.

Übrigens wurden die Europäer in Turkmenien von den Chinesen überholt. Schon in diesem Herbst soll das erste Gas über die neue Pipeline von Turkmenien nach China gepumpt werden. Ihre maximale Leistung wird mit jährlich 40 Milliarden Kubikmeter Gas angegeben.

Ohne turkmenisches Gas entstehen Probleme mit der Auslastung des russisch-italienischen Projektes South Stream. Die auf dem Schwarzmeergrund zu verlegende Gasleitung soll Russland mit Bulgarien verbinden. Die Kosten dieses Abschnitts allein werden auf zehn Milliarden Dollar veranschlagt. Im Anschluss soll South Stream in zwei Richtungen verlaufen: über Griechenland nach Süditalien sowie über Serbien und Ungarn nach Österreich.

In Bulgarien stößt South Stream bereits auf Schwierigkeiten. Nach den dort am 5. Juli abgehaltenen Parlamentswahlen wird eine neue Regierung gebildet werden. Der Vorsitzende der siegreichen GERB-Partei Boiko Borissow hat schon erklärt, die Verhandlungen über alle mit Russland gemeinsamen Energieprojekte, darunter über den Bau des bulgarischen Abschnitts von South Stream, seien auszusetzen.

Am ehesten werden die neuen bulgarischen Behörden, das unterzeichnete Nabucco-Abkommen in der Hand, um günstigere Bedingungen Abmachungen feilschen.

Die Meinung des Verfassers muss nicht mit der von RIA Novosti übereinstimmen.

* Aus: Russische Nachrichtenagentur RIA Novosti, 14. Juli 2009; http://de.rian.ru



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