Die kommende Krise
Brennstoff wird knapp: Internationale Energie Agentur warnt vor baldiger Verknappung des Erdöls und Preisanstieg
Von Wolfgang Pomrehn *
Daß die fossilen Brennstoffe, insbesondere das Öl, in nicht allzu ferner
Zukunft zur Neige gehen werden, hat sich langsam herumgesprochen. Nur
die Regierenden machen mit ihren Abwrackprämien und neuen
Kohlekraftwerken nicht unbedingt den Eindruck, als hätten sie den Ernst
der Lage erkannt. Aber was ist schon zu erwarten, wenn ausgerechnet der
Vattenfall-Chef Lars Göran Josefsson, der mit den Schrottreaktoren und
Braunkohlekraftwerken, zum Klimaberater der Bundeskanzlerin gemacht wird.
Ganz anders hingegen die Internationale Energie Agentur (IEA), die von
Paris aus im Auftrag des Industrieländer-Clubs OECD das Geschehen an den
einschlägigen Märkten beobachtet. Bei der IEA hat sich in den
zurückliegenden Jahren ein beachtlicher Meinungswandel vollzogen. Es ist
gar nicht so lange her, daß die Agentur ganz im Sinne der großen
Mineralöl- und Stromkonzerne das Potential von Wind & Co. kleinredete
und der Weltöffentlichkeit nahezu unerschöpfliche Brennstoffvorräte
vorgaukelte.
Gedämpfte Erwartungen
Zu ihrer Ehrenrettung war allenfalls anzuführen, daß das den Prognosen
zugrundeliegende Zahlenmaterial notorisch unzuverlässig ist.
Insbesondere die offiziellen Angaben über den Umfang der
Erdöllagerstätten, die von den beteiligten Regierungen und Unternehmen
gemacht werden, sind oft zu optimistisch, nicht zuletzt weil sie einen
direkten Einfluß auf den Börsenwert der Konzerne haben. Die IEA hat
diese Angaben lange Zeit unkritisch übernommen und ihre Prognosen auf
deren Fortschreibung aufgebaut.
Diese Politik gehört inzwischen der Vergangenheit an. Das demonstrierte
kürzlich einmal mehr Fatih Birol, der Chefökonom der Agentur, als er in
einigen großen europäischen Zeitungen vor einer Verknappung des
Erdölangebots warnte. Schon in zehn Jahren, so Birol, würde der
Höhepunkt der Ölförderung erreicht, mindestens ein Jahrzehnt früher, als
die meisten Regierungen in ihren Planungen berücksichtigen.
Dieser Punkt, in der Fachdiskussion auch Peak Oil (Ölgipfel) genannt,
ist ein Wendepunkt, weil spätestens in der Zeit danach sich das Angebot
rasch verknappen wird. Sind dann keine anderen Energieträger, wie etwa
Wind und Sonne, im ausreichenden Maß erschlossen, dann wird es zu einer
schweren globalen Energiekrise kommen. Seit mehreren Jahrzehnten wissen
Geologen und Erdölingenieure, daß die Förderung in einem beliebigen
Ölfeld immer nach dem gleichen Schema abläuft: Erst wächst sie bis zu
einer bestimmten Obergrenze, um danach trotz aller technischen
Anstrengungen mehr oder weniger rasch abzufallen. Um in einer bestimmten
Region, einem Land oder auch global die Förderung auf dem gleichen
Niveau aufrechtzuerhalten oder gar zu steigern, müssen stets neue Felder
erschlossen werden.
Das wird jedoch nicht mehr lange im ausreichenden Maße möglich sein, da
die größten Ölvorkommen längst erschlossen sind. Die neuen Felder sind
meist nur vergleichsweise klein, und entsprechend höher sind die Kosten
für ihre Lokalisierung und Erschließung. Die aktuelle Situation wird
dadurch verschlimmert, daß die Ölkonzerne offenbar vor diesen Mehrkosten
in den letzten Jahren zurückgeschreckt sind. Nach Birols Angaben zeigen
die Statistiken der IEA, daß seit Jahren zu wenig investiert wird.
Da aber der Förderhöhepunkt der aller meisten Felder, die derzeit
ausgebeutet werden, bereits erreicht ist, so Birol, wird sich die Lage,
wenn die Weltwirtschaft wieder an Fahrt aufnimmt, schon ab 2011 erneut
zuspitzen. Das Preishoch vom Sommer letzten Jahres könnte dann schnell
wieder erreicht und überboten werden. Derzeit pendelt der Ölpreis schon
seit mehreren Monaten zwischen 60 und 70 US-Dollar pro 159-Liter-Faß.
Für eine globale Rezession und damit eine Zeit niedriger Nachfrage sind
das einmalig hohe Preise.
Produktion geht zurück
Wie kritisch die Lage ist, macht eine Zahl deutlich: Die IEA schätzt,
daß in den derzeit aktiven Feldern die Produktion um 6,7 Prozent
zurückgeht. Vor zwei Jahren hatte man in Paris noch mit einer jährlichen
Abnahme um 3,7 Prozent gerechnet. Birol fürchtet daher, daß es schon in
den nächsten Jahren zu einer Verknappung kommen wird, die die Preise
»sehr viel höher« treibt. Die Erholung der Weltwirtschaft werde daher
»zerbrechlich« und bestenfalls langsam sein. Genauso könne ein
Aufschwung aber auch durch den hohen Ölpreies erstickt werden.
Wer meint, daß die nahende Ölknappheit zumindest ein Segen für die
Umwelt ist, täuscht sich allerdings. Mit dem steigenden Ölpreis werden
auch Optionen ökonomisch attraktiv, die besonders schädlich für die
Umwelt sind. In Kanada und Venezuela liegen große Vorkommen von Ölsand.
In der kanadischen Provinz Alberta wurde bereits mit der Förderung
begonnen, die im Tagebau erfolgt. Landwirtschaften werden großflächig
zerstört, außerdem muß der Sand erhitzt und zentrifugiert werden, um aus
der zähen Substanz Öl zu extrahieren. Der Energieaufwand ist enorm.
Während im Irak ein Faß Öl aufgewendet werden muß, um 100 Fässer zu
produzieren, sind es in Kanada 33 bis 40 Fässer. Entsprechend groß sind
die Treibhausgasemissionen, die noch durch die mit dem Abbau
einhergehende Zerstörung der Wälder verstärkt werden.
Dabei können Projekte wie dieses oder auch die ebenfalls besonders
klimaschädliche Kohleverflüssigung, die in Australien derzeit heiß
diskutiert wird, das Problem der Verknappung letztlich nicht lösen,
sondern bestenfalls für einige wenige Jahre nach hinten verschieben.
Wenn sie außerdem als Ausrede genutzt werden, die Bemühungen zum Ausbau
der erneuerbaren Energieträger zu behindern, dann werden sie die
kommende Energiekrise sogar noch verstärken.
* Aus: junge Welt, 10. August 2009
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