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Supermesse für Knall und Fall

ILA als Begleitmusik zu Debatten über Rüstungsexporte und neue Drohnenpläne *

Keine ILA ohne Rüstungsprotzen: Die an diesem Dienstag öffnende Internationale Luft- und Raumfahrtausstellung ist immer auch eine moderne Heerschau – wenn man »Heer« nicht auf Landstreitkräfte beschränkt. Eine volltönende Begleitmusik zur aktuellen Debatte über Rüstungsexporte im Wert von knapp 1,2 Milliarden Euro, die die Bundesregierung in den ersten Monaten ihrer Amtszeit genehmigt hat. Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) als der zuständige Ressortchef befindet sich danach nun plötzlich in Turbulenzen. Denn er erklärt, er habe sich bei der Zustimmung zu den Exportgeschäften an Zusagen der Vorgängerregierung halten müssen und damit praktisch keine Wahl gehabt. Die Opposition erinnert sich derweil an gegenteilige Aussagen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière im April vor dem Bundesverfassungsgericht. Dabei ging es um von der Opposition geforderte Transparenz über Rüstungsexportzusagen der Bundesregierung. Nicht notwendig, weil nicht rechtsverbindlich, lautete knapp zusammengefasst die juristische Position de Maizières.

Nicht zufällig einen Tag vor Eröffnung der ILA in Berlin-Schönefeld boten sich der Airbus-Konzern, das französische Unternehmen Dassault Aviation und Alenia Aermacchi aus Italien als Hersteller einer westeuropäischen Drohne an. Sie sind auf Steuermilliarden für die Entwicklung des unbemannten Luftfahrzeuges aus, das für Aufklärungs- wie für Kampfeinsätze genutzt werden kann.

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten sich im Dezember ganz allgemein für ein solches Projekt ausgesprochen. Auch die Bundesregierung und die Bundeswehrführung sind durchaus dafür zu haben – schon um nicht abermals dem Angebot von US-Firmen ausgeliefert zu sein. Doch mit dieser Art von Überfall stoßen die Konzernchefs bei der deutschen Verteidigungsministerin auf taube Ohren. Ursula von der Leyen (CDU) sagte am Montag in Berlin, das Angebot der drei Unternehmen »hat mir gegenüber in Gesprächsform nicht stattgefunden«. Bestätigen konnte sie nur, dass am Freitag auf Arbeitsebene ein Brief eines Rüstungsunternehmens mit einem Angebot eingegangen sei. Doch sie sehe derzeit »keinen Entscheidungsdruck«. Das Thema müsse zunächst in einer »breiten gesellschaftlichen Debatte« und auch im Bundestag erörtert werden. Die Ministerin hat bereits 18 Großrüstungsprojekte zu verantworten, die nach ihrer Ansicht nicht ordentlich bilanziert sind.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Mai 2014


Profitable Militärtechnik

In Berlin-Schönefeld öffnet die Luft- und Raumfahrtmesse ILA 2014

Von René Heilig**


Die deutsche Luft- und Raumfahrtindustrie boomt. 2013 erreichte sie ein Umsatzwachstum von 7,8 Prozent. 30,6 Milliarden Euro rechnen die Firmen ab und sprechen von einem »Allzeithoch«.

Alle zwei Jahre findet in Berlin-Schönefeld die Internationale Luft- und Raumfahrtmesse ILA statt. Während des Jahrgangs 2012 entschuldigte sich die Messeleitung bei Ausstellern und Fachbesuchern noch, dass es nichts wurde mit der »Messe der kurzen Wege«. Sie landen quasi auf dem Ausstellungs- und Kongressgelände, hatte es zuvor geheißen. In diesem Jahr nimmt man es als gegeben, dass der Hauptstadtflughafen BER noch immer als Bauruine da steht. Immerhin taugt seine südliche Start- und Landebahn als Anlauf, um neue wirtschaftliche Höhenflüge anzustreben.

Die Eröffnung der ILA am heutigen Dienstag ist ein feststehender Termin im Kalender der Kanzlerin. Ihre Gastgeber werden darauf verweisen, dass die Betriebe im vergangenen Jahr ein Beschäftigtenplus von 4,8 Prozent erreicht haben. 105 500 Menschen haben dank der Luft- und Raumfahrt einen halbwegs sicheren und oft auch anspruchsvollen Job. Beim anschließenden Messerundgang wird sich die Kanzlerin womöglich auch lobend darüber äußern, dass rund 15 Prozent des Branchenumsatzes in Forschung und Entwicklung gesteckt werden.

Was sich, so werden ihre Begleiter vom Bundesverband der Luft- und Raumfahrt (BDLI) einwenden, leider nur in der Zivilluftfahrt auszahlt. Die bringt den Mammutgewinn der Branche, 2013 verbuchte man 21,4 Milliarden Euro Umsatz. Das ist gegenüber dem Vorjahr eine fast zehnprozentige Steigerung.

Die Auftragsbücher der westeuropäischen Hersteller, die zumeist unter dem Dach von Airbus agieren, sind voll. Über 5500 Airbus-Maschinen sind bestellt oder als Option geplant. Das entspricht einer sieben- oder gar achtjährigen Auslastung des MultiKonzerns. Zudem sagen globale Marktanalysen, dass sich der Bedarf an Fluggerät bis 2030 verdoppeln wird. Hoch die Tassen! Bessere Gewinnperspektiven kann es nicht geben.

Eigentlich dürfte auch der militärische Sektor nicht klagen – er tut es aber dennoch. Die deutsche Industrie setzte hier im vergangenen Jahr fast sieben Milliarden Euro um und errechnete so ein Plus von knapp acht Prozent. Doch da ist noch mehr rauszuholen, meint BDLI-Präsident Bernhard Gerwert. Die für die Industrie positiven Zahlen von 2013 dürften nicht darüber hinwegtäuschen, dass dieser strategische Industriezweig ein »Sorgenkind bleibt«. Angesichts ausbleibender Entwicklungsprogramme sieht Gewert »die Zukunftsfähigkeit der militärischen Luftfahrt in Deutschland gefährdet«.

Eine jüngst durchgeführte Blitzumfrage des BDLI bei den Mitgliedsunternehmen ergab, dass zwei Drittel die langfristige Zukunft dieser Teilbranche »als mäßig oder gar als schlecht« einstufen. Sinkende, bestenfalls stagnierende Verteidigungshaushalte in Europa und die Folgen der Bundeswehrreform sind Gründe für den Pessimismus, der aus Sicht von deutschen Steuerzahlern und in Kriegs- und Krisengebieten von deutschen High-Tech-Waffen Heimgesuchten durchaus anders bewertet werden kann.

Doch für die Industrie naht Hilfe. Das Verteidigungsministerium wird, so beschloss das Kabinett unlängst, noch bis Ende des Jahres eine militärische Luftfahrtstrategie erarbeiten. Und was von der NATO angesichts der sogenannten Ukraine-Krise zu hören ist, lässt auch einige Aufträge erwarten.

Hoch hinaus will man auch in der Raumfahrt. Zwar erwirtschaftet man damit nur rund acht Prozent Umsatzanteil, doch hier lässt sich einiges aus staatlichen Fördertöpfen saugen. Und so heißt es denn auf der ILA in diesem Jahr: Die High-Tech-Initiative der Bundesregierung greift, Deutschland gehört – auch hier natürlich im europäischen ESA-Verbund – zu den führenden Raumfahrtnationen. Nur wenige Stunden nachdem die Kanzlerin der Raumfahrthalle ihre Aufwartung gemacht haben wird, ist im Space Pavilion der Rundgang von Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) geplant.

Vermutlich sind es nur protokollarische Zeitprobleme, wenn weder Merkel noch Gabriel mal bei Roskosmos vorbeischauen. Aber womöglich macht ja doch der eine oder andere Offizielle einen Abstecher zu der russischen Raumfahrtagentur. Roskosmos ist mit seinen Unternehmen recht stark auf der ILA 2014 vertreten. Obwohl oder gerade weil die aktuellen Zeichen nicht gerade auf mehr Kooperation und damit auf Vernunft deuten? Immerhin steht als Werbespruch unter der wehenden russischen Flagge: »Road to success«.

Weg zum Erfolg? Ursprünglich hatte die ILA mal die Aufgabe, eine Ost-West-Brücke zu sein. Das war einmal. Dank der westlichen Sanktionspolitik gegenüber Moskau hat der Kreml offiziell erklärt, ab 2020, also nach dem Auslaufen der aktuellen Verträge, kein Interesse mehr an der Internationalen Raumstation ISS zu haben. Auf die Frage von Journalisten, wie man denn dann ohne Sojus-Raketen und -Kapseln Menschen in den Orbit transportieren soll, sagte Putins für Raumfahrt zuständiger Vizepremier Dimitri Rogosin nur lakonisch: »Sollen die Amerikaner doch ihre Astronauten mit einen Trampolin zur ISS schicken.«

** Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Mai 2014


Druck für den Bau von Drohnen

Industrie will Steuergeld für multilaterale Entwicklung ***

Daran, dass die Bundesregierung für das deutsche Militär unbemannte Fluggeräte beschaffen will, die rund um den Globus auch bewaffnete Einsätze fliegen können, gibt es längst keinen Zweifel mehr. Bis zum vergangenen Jahr war Airbus (damals noch EADS-Cassidian) quasi in Vorleistung gegangen, hatte Entwicklungen aus eigener Tasche bezahlt. Doch nach dem politischen Absturz der nicht zulassungsfähigen Euro-Hawk-Aufklärungsdrohne stoppte Konzernchef Thomas (Tom) Enders alle Roboterprojekte. Was Firmen in den USA sehr gefiel. Eiligst erklärten sich die USA bereit, »Reaper«-Drohnen zu liefern, die auch eine deutsche Zulassung bekommen könnten. Hersteller General Atomics lud sogar Bundeswehrpiloten zum Probefliegen ein – was wiederum die europäischen Konkurrenten vor Wut in die Höhe schnellen ließ.

Nun soll am Rande der ILA ein neuer Anlauf genommen werden. Das deutsch-französische Rüstungsunternehmen Airbus Defence, die französische Dassault-Gruppe sowie Alenia Aermacchi aus Italien werben gemeinsam für eine Drohne mit der Bezeichnung MALE2020. Deren Entwicklung soll diesmal der Steuerzahler stützen. Die drei Konzerne haben den Verteidigungsministerien Frankreichs, Deutschlands und Italiens ein Angebot für Typen mittlerer Flughöhe und lange Flugdauer (MALE) vorgelegt. Und sind bei der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) abgeblitzt. Die ist angesichts zahlreicher Rüstungspleiten gewarnt und hasst Erpressungen.

Vor allem das Thema Bewaffnung bietet öffentliches Streitpotenzial. Denn die rücksichtslose Art, mit der die USA ihre Drohnen als Killermaschinen einsetzen, sorgt weltweit für Empörung. So sehr man sich im Hause von der Leyen auch bemüht klar zu machen, dass die Bundeswehr ihre Drohnen nie für gezielte Mordanschläge starten lassen wird – den Argwohn in der Bevölkerung kann man nicht wegdebattieren.

Derzeit verfügt die Bundeswehr nur über Aufklärungsdrohnen der Typen »Mikado«, »Aladin«, »KZO« und die von Israel geleaste »Heron 1«. Bis Ende April, so hat das Verteidigungsministerium auf Anfrage der Linksfraktion addiert, gab es 11 952 Einsätze in Kosovo, Afghanistan, in Mazedonien und Kongo.

In Afghanistan holte man sich zumindest zweimal bewaffnete Roboterunterstützung von Verbündeten. Dabei sind am 11. November 2010 vermutlich vier Aufständische getötet worden. hei

*** Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Mai 2014


Rüstungskonzerne beharren auf Kampfdrohne

Nach der »Euro Hawk«-Pleite sollen neue Steuermilliarden für unbemannte Waffensysteme fließen ****

Die führenden europäischen Luftfahrtkonzerne machen Druck in bezug auf ein militärisches Drohnenprojekt. Bei dem vorgesehenen Programm gehe es um Maschinen für mittlere Flughöhe und lange Flugdauer (MALE), teilten die Unternehmen Airbus, Dassault Aviation und Alenia Aermacchi am Montag mit. Von den Verteidigungsministerien in Deutschland, Frankreich und Italien forderten sie Gespräche ein. Auf industrieller Ebene habe man bereits eine Kooperationsvereinbarung geschlossen.

Über die Entwicklung einer europäischen Drohne wird seit Jahren diskutiert. Die drei Länder sollen zunächst mit Militärs und Industrie ihre Anforderungen an ein europäisches Entwicklungsprogramm formulieren. Diese Phase diene auch dazu, »kostspielige Zusatzentwicklungen während der späteren Produktionsphase zu vermeiden und Entwicklungs- und Finanzrisiken auf ein Minimum zu begrenzen«. Nach Angaben des Industriekonsortiums könnte eine »kostengünstige und zulassungsfähige« Drohne im Jahr 2020 zur Verfügung stehen. Probleme mit Kosten und Zulassung hatten dem deutschen Verteidigungsministerium zuletzt ein Debakel mit dem Drohnenprojekt »Euro Hawk« beschert. Grundsätzlich ist die Bundesregierung aber weiter an den Waffensystemen interessiert.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gab sich am Montag demonstrativ gelassen. »Es gibt zur Zeit keinen Entscheidungsdruck«, erklärte sie in Berlin. Zunächst müsse die für den Sommer geplante parlamentarische Debatte über die Drohnenbeschaffung abgewartet werden. Christine Buchholz, verteidigungspolitische Sprecherin der Linke-Fraktion, sieht das anders. Das Ministerium habe »im Hintergrund bereits den Auftrag für eine Musterprüfung zur Beschaffung ausländischer Kampfdrohnen erteilt«, sagte sie. »Die Bundeswehr braucht weder amerikanische noch europäische Kampfdrohnen.« Der Einsatz dieser Waffensysteme sei kriminell.

**** Aus: junge Welt, Dienstag, 20. Mai 2014


Fliegen nur mit Otoplastik!

Bundeswehr ist der größte Aussteller – und kaschiert allzu viel Pfusch der Industrie *****

Wer sich Ohropax einsteckt, kann als ILA-Besucher nichts falsch machen. Insbesondere die Militärs setzen ihre Kraft in Lautstärke um.

Ohrstöpsel helfen sicher den Zuschauern. Doch was hilft, wenn man beispielsweise in einem NH90-Hubschrauber fliegen muss? Vor rund einhundert Jahren, als aus Hüpfen und Gleiten motorgetriebene Flüge wurden, hörten die tollkühnen Männer (Frauen kamen erst später auf den Pilotensitz) in ihren leinwandbespannten Holzrahmen nur das Rauschen des Flugwindes. Der wurde allenfalls ab und zu übertönt durch eine Fehlzündung des Motorchens.

Heute dagegen wird Kraft auch in Lautstärke umgewandelt. Jede der beiden Turbinen des modernste militärischen Transporthubschraubers NH90 – hergestellt vom westeuropäischen Konsortium NHIndustries – bringt 1253 kW auf den Rotor. Und die Piloten zum Ohrenarzt. Der stellte, so bestätigte das Verteidigungsministerium gegenüber dem Haushaltexperten Michael Leutert von der Linksfraktion, bereits mehrfach bleibende Schäden fest. Also begrenzte die Luftwaffe »die wöchentlichen Realflugstunden für die Luftfahrzeugführer mit dem Basishelm TopOWL ... auf vier Stunden«. Und man entwickelte einen besonderen Gehörschutz – Otoplastik genannt . Der gestattet die Einsatzzeit »auf zwölf Realflugstunden pro Woche« anzuheben.

Fachleute im ILA-Tower, die den Flug des Super-Helis beschreiben, reden davon freilich nicht. Auch nicht davon, dass der Hubschrauber Jahre zu spät ausgeliefert wird, dass er beim ersten Einsatz in Afghanistan Fahrwerkbruch erlitt, dass die Navigation ausfiel, dass ein modern ausgerüsteter Infanterist und der für ihn konstruierte Sitz nicht zusammenpassen, dass der Heli für bestimmte Einsätze der KSK-Elite ungeeignet ist.

Die Marineversion »Sea Lion«, von denen die Deutsche Marine wider Willen 18 Stück beschaffen muss, schleppt ebenfalls diverse Probleme mit sich herum. Aus der niederländischen Marine kommen massive Klagen vor allem über Rost.

Problemhaftes lässt sich auch über andere Waffensysteme sagen, die von der Indutrie und dem Militär auf der ILA vorgeführt werden. Jüngst beklagte sich der Bundesrechnungshof darüber, dass niemand wisse, wie viel die Eurofighter der Luftwaffe wirklich kosten. 1997 wollte man 180 Stück für 11,8 Milliarden Euro kaufen. Inzwischen ist die Bestellung auf 140 Jets reduziert. Die 11,8 Milliarden Euro sind aber so gut wie ausgegeben, obwohl noch lange nicht alle Maschinen ausgeliefert sind.

Wer die Herstellung des Airbus-Militärtransporters A400M als schleppend bezeichnet, wird ausgelacht. Über vier Jahre ist man hinter dem Zeitplan zurück. Und Exportküller sind weder der Eurofighter noch der A400M-Transporter.

Als die ILA 1990 an ihren angestammten Messeplatz Berlin heimkehrte, gab es zum Teil kräftige Proteste gegen den Auftritt des Militärs, vor allem der Bundeswehr. Inzwischen hat man sich offenbar daran gewöhnt. So wie an den Pfusch, der wie selbstverständlich bezahlt wird. hei

***** Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Mai 2014


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