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Gabriel in der Glaubwürdigkeitsfalle

Der Minister fühlt sich Absprachen der Vorgängerregierung verpflichtet, die Opposition widerspricht heftig

Von Uwe Kalbe *

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) hat von Januar bis Ende April Rüstungsexport-Einzelgenehmigungen im Gesamtwert von fast 1,2 Milliarden Euro bewilligt. Die Opposition ist empört.

Nach dem Bekanntwerden der Genehmigung »umfangreicher Rüstungsexporte« durch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in den ersten Monaten seiner Amtszeit ist die Empörung groß. »Das ist effektiver Wahlbetrug«, warf Riexinger dem Bundeswirtschaftsminister im Sozialen Netzwerk Facebook vor.

Riexinger bezeichnete Gabriel als »Heuchler«. Der wehrt sich gegen die Vorwürfe der Opposition mit dem Hinweis auf Entscheidungen der schwarz-gelben Vorgängerregierung. Er könne diese nicht rückgängig machen, erklärt Gabriel, aber er werde »für alle neuen Entscheidungen, die ich zu verantworten habe, dafür sorgen, dass Deutschland damit deutlich vorsichtiger umgeht«. Umgehend warnte die Rüstungslobby vor großen Problemen. »Meine vielleicht größte Befürchtung sind erhebliche Einbußen aufgrund einer verschärften Exportpolitik«, sagte der Chef der Rüstungssparte Airbus Defence and Space, Bernhard Gerwert. Abgesehen von den unmittelbaren Auswirkungen würden deutsche Konzerne auch als Partner bei multinationalen Projekten ins Aus geraten. Bernhard Gerwert ist Chef der Rüstungssparte Airbus Defence and Space sowie Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Er warnt, die französischen oder britischen Partner aus der Rüstungsbranche würden kaum eine Kooperation eingehen, wenn die Gefahr bestehe, dass sie ein gemeinsames Produkt wegen eines verschärften deutschen Ausfuhrregimes nicht exportieren könnten.

Die Opposition hat für derlei Klagen kein Verständnis. Der Rüstungsexperte der Linksfraktion im Bundestag, Jan van Aken, weist wie auch der Grünen-Politiker Hans-Christian Ströbele zudem auf widersprüchliche Angaben der Bundesregierung hin, was die Rechtsverbindlichkeit von Absprachen nach Voranfragen der Rüstungsindustrie betrifft. Muss die Regierung, erst recht eine Nachfolgeregierung, sich nach den einmal gegebenen Zusagen richten? Am 15. April hatte Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ganz anders argumentiert als Sigmar Gabriel heute: Die Antwort der Bundesregierung auf Voranfragen der Industrie zu Waffenexporten schüfen keine Rechtsverbindlichkeit. Der Minister hatte mit dieser Position der Forderung von Grünen-Abgeordneten nach Transparenz entgegenzutreten versucht. Diese, unter ihnen Ströbele, warfen der Regierung vor, über den geplanten Export von Panzern nach Saudi-Arabien nicht ausreichend informiert zu haben. Zwar hat nach dieser Klage in Karlsruhe die Bundesregierung nunmehr eine Regelung über kürzere Informationsfristen auf den Weg gebracht. Gleichwohl steht de Maizières Auffassung im Raum, dass Informationen »mindestens bis zu einer politischen abschließenden positiven Entscheidung« zurückzuhalten sein müssten. Und diese abschließende Entscheidung sei noch nicht die Stellungnahme auf eine Voranfrage.

Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, sagte im Kurznachrichtendienst Twitter, entweder »belügt« Gabriel die Öffentlichkeit oder er belege eine »Lüge der Bundesregierung« vor dem Bundesverfassungsgericht. Beides sei »inakzeptabel«, so der Linkenpolitiker.

Aktuelle Meldungen über angebliche Bestechungsgelder an zwei SPD-Abgeordnete im Zusammenhang mit Panzergeschäften belasten den Leumund der Sozialdemokraten zusätzlich. Danach sollen Dagmar Luuk und Heinz-Alfred Steiner vom Rüstungskonzern Krauss-Maffai Wegmann (KMW) mehr als fünf Millionen Euro an Honoraren erhalten haben – Schmiergeldzahlungen im Zusammenhang mit Geschäften in Griechenland, wie die »Süddeutsche Zeitung« berichtete. Luuk saß von 1980 bis 1990 im Bundestag. Steiner gehörte dem Parlament von 1980 bis 1994 an und war zeitweise Vizechef des Verteidigungsausschusses. Das Geld soll demnach heimlich von 2000 bis 2005 an die Beratungsgesellschaft der beiden früheren Abgeordneten geflossen sein. KMW hatte dem Bericht zufolge im vergangenen Jahrzehnt für fast zwei Milliarden Euro Leopard-2-Panzer und Panzerhaubitzen nach Athen verkauft.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 20. Mai 2014


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