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Schneller berichtet – und mehr geliefert

Deutscher Rüstungsexportbericht 2013: Bombengeschäfte vor allem jenseits von EU und NATO

Von René Heilig *

Deutschland hat im vergangenen Jahr abermals mehr Waffen exportiert. Das steht in dem am Mittwoch vom Kabinett gebilligten Rüstungsexportbericht.

»Noch nie hat eine Bundesregierung so offen und transparent Auskunft gegeben über den Export von Rüstungsgütern wie diese «, sagt Sigmar Gabriel.Tatsache ist: Statt wie üblich im Herbst liegen die Zahlen des Vorjahres nun im Sommer vor.

Mit dieser Art »Transparenz« hätte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) bei der Vorstellung des Rüstungsexportberichts glänzen können, doch der Termin fiel aus. Angeblich, weil die zu verkündenden Fakten von Gabriels Amtsvorgänger Philipp Rösler (FDP) zu verantworten sind. Vertrauen in die vom SPDChef versprochene Änderung der Exportpraxis schafft man anders.

Der 2013er Bericht enthält zwar vieles, was empören sollte, doch nichts Überraschendes. Durch Medienrecherchen waren besonders schwerwiegende Entscheidungen aufgedeckt worden.

Insgesamt wurden 2013 Rüstungsexporte im Wert von 8,34 Milliarden Euro genehmigt. (2012: 8,87 Milliarden Euro). Neben sogenannten Sammelausfuhrgenehmigungen gab 17 280 Einzelgenehmigungen im Wert von 5,846 Milliarden Euro. Gegenüber dem Vorjahr ist da also eine Steigerung um rund 1,14 Milliarden Euro zu errechnen. 38 Prozent der Genehmigungen entfielen auf Exporte in EU-, NATO- und NATOgleichgestellte Länder. Rund 62 Prozent betrafen Drittländer. Das ist ein Plus von sieben Prozent. Dieser hohe Anteil ergebe sich, so sagt das Wirtschaftsministerium, aus umfangreichen Genehmigungen für Exporte nach Algerien, Katar, Saudi-Arabien und Indonesien. Das sind allesamt Regime, in denen Menschenrechte wenig zählen. Auf Entwicklungsländer entfielen 9,6 Prozent der Genehmigungen, das sind sieben Prozent des Gesamtwertes.

Nun sind Genehmigungen und Exporte nicht immer identisch. Belegt sind Lieferungen in Höhe von 274,7 Millionen Euro für Südkorea, Waffen und Gerät für 102,3 Millionen Euro gingen in die Vereinigten Arabischen Emiraten, Rüstungsgüter für 59,1 Millionen Euro bekam Algerien, und in Höhe von 52,5 Millionen Euro landete Todeswerkzeug in Singapur. Auf diese vier Länder entfielen 55 Prozent des Gesamtvolumens.

Im Blickpunkt sind zumeist Fregatten, U-Boote oder Panzer. Gabriels Haus kommt aber nicht umhin, auf die »besondere Sensibilität des Exports von Kleinwaffen« hinzuweisen. Die Regierung lege da besonders »strenge Maßstäbe an«, insbesondere, wenn es um Exporte von Kleinwaffen in Drittund Entwicklungsländer gehe. Doch: Laut Bericht ist auch dieser Sektor im Aufschwung. Der Erlös aus erteilten Einzelgenehmigungen stieg 2013 auf 82,3 Millionen Euro (2012: 76,2 Millionen).

Beachtenswert ist das Geschäft mit Ersatzteilen und Munition. So ist es denkbar, dass in der Ukraine mit deutschen Kugeln getötet wird. Kiew wie Moskau wurden mit Gewehrpatronen und anderem Gerät beliefert.

* Aus: neues deutschland, Donnerstag 12. Juni 2014


Merkels Mordsgeschäfte

Bundesregierung veröffentlicht Rüstungsexportbericht. Deutsche Waffenschmieden dürfen sich über klingelnde Kassen freuen

Von Peer Heinelt **


Die deutschen Waffenschmieden und ihr politisches Personal dürfen einmal mehr stolz auf sich sein: Wie dem soeben erschienenen Rüstungsexportbericht der Bundesregierung zu entnehmen ist, wurden 2013 Ausfuhrgenehmigungen für Mordinstrumente im Gesamtwert von 8,34 Milliarden Euro erteilt. Die Summe der darin enthaltenen Einzelausfuhrgenehmigungen beläuft sich auf rund 5,85 Milliarden Euro – und erreichte damit den höchsten Stand seit Erscheinen des ersten Rüstungsexportberichts für das Jahr 1999. Bei ausländischen Abnehmern besonders beliebt waren Panzer, Militärelelektronik, Bomben, Torpedos und Raketen aus deutscher Produktion. Zu den fünf wichtigsten Empfängerländern zählten neben den USA Algerien, Katar, Saudi-Arabien und Indonesien. Dem Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI zufolge liegt Deutschland nach den USA und Rußland unverändert auf Platz 3 der Weltrangliste der Rüstungsexporteure.

Einen regelrechten Boom erlebte im vergangenen Jahr der Export von Handfeuerwaffen. Bevorzugt beliefert wurden einmal mehr die Feudaldiktaturen am Persischen Golf. So erhielten allein Saudi-Arabien und das Fürstentum Oman 21400 Sturmgewehre. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Maschinenpistolen. Hier belegen die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) mit 341 und Oman mit 250 Maschinenpistolen aus deutscher Produktion Spitzenplätze. Außerdem gingen 204 leichte Maschinengewehre an Oman und 108 Granatwerfer an die VAE.

Keine Skrupel kennt Berlin auch, wenn es darum geht, die Armutsregionen dieser Welt aufzurüsten. Ausweislich ihres Exportberichts genehmigte sie deutschen Waffenschmieden 2013, Kriegsgerät im Wert von 562,5 Millionen Euro in Entwicklungsländer auszuführen. 2012 waren es noch 328,4 Millionen Euro – was einer Steigerung von mehr als 70 Prozent binnen nur eines Jahres entspricht. Zu den wichtigsten Empfängern zählten Indonesien, das Panzer und Unterwasserortungsgeräte im Wert von 295,7 Millionen Euro orderte, gefolgt von Indien, das sich für Torpedos und Grenzsicherungssysteme im Wert von 107,8 Millionen Euro, interessierte und Pakistan, das immerhin noch 46,7 Millionen Euro für Raketen und Kommunikationsausrüstung übrig hatte. Eine geradezu groteske Steigerung erfuhren die Genehmigungen für Rüstungsexporte in die ärmsten Staaten der Welt, zu denen zahlreiche afrikanische Länder zählen. Lag der entsprechende Wert 2012 noch bei 1,92 Millionen Euro, liegt er mittlerweile bei 12,81 Millionen Euro, hat sich also binnen eines Jahres mehr als versechsfacht.

In seinem Vorwort zum Rüstungsexportbericht der Bundesregierung wendet sich der zuständige Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) ausdrücklich dagegen, »jeden Export von Rüstungsgütern per se zu skandalisieren«: »Deutsche Unternehmen werden auch in Zukunft nicht nur unsere Bündnispartner, sondern auch andere Staaten mit Rüstungsgütern und Kriegswaffen beliefern« – etwa zwecks »Schutz von Küstengewässern« oder »Terrorismusbekämpfung«. Die Empfänger deutscher Mordinstrumente dürften sich hierüber ebenso freuen wie die deutschen Waffenschmieden über die Ankündigung des Ministers, mit ihnen in »Dialog« treten zu wollen. Laut Gabriel geht es schließlich darum, »technologische Fähigkeiten am Standort Deutschland (zu) erhalten«. Und dazu war ein bißchen Totschlag immer schon ganz hilfreich.

** Aus: junge Welt, Donnerstag 12. Juni 2014


Vorwort ohne Versprechen

René Heilig über Gabriels Unwillen, Rüstungsexportrekorde vorzustellen ***

Die ersten drei Sätze, mit denen der zuständige Wirtschaftsminister Gabriel den aktuellen Rüstungsexportbericht als Vorwortschreiber in die Öffentlichkeit entließ, kann man unterschreiben. 1. »Rüstungsexporte sind kein Mittel der Wirtschaftspolitik.« 2. »Sie sind ein Instrument der Sicherheitspolitik.« 3. »Sie dürfen in einem demokratischen Land nicht aus Gründen der Geheimhaltung der öffentlichen Debatte entzogen werden.«

Wohl kaum jemand hat als vierten Satz Gabriels Versprechen erwartet, er werde sich für ein Ende aller deutschen Rüstungsexporte einsetzen. Doch ein Hinweis darauf, dass man künftig nicht über den Bündnisrahmen hinaus Militärgerät verteilen oder wenigstens den massenhaften Export von Kleinwaffen einstellen werde, hätte gezeigt: Der Mann hat Mut, der stellt Moral über Merkel, der tut, was er kann, um globales Morden einzudämmen. Doch nicht einmal zur Zusage, keine Rüstungsgüter mehr an Regimes zu genehmigen, die Menschenrechte missachten oder regionale Spannungen anheizen, ließ sich der SPD-Chef hinreißen. Weil die 2013er Exporte noch von seinem Amtsvorgänger abgenickt wurden, strich Gabriel sogar kurzerhand die Präsentation. So billig wird er im Herbst nicht mehr davonkommen, wenn erstmals der neue Halbjahresbericht ansteht. Die dann zu listenden Mordwerkzeug-Exporte hat Gabriel unterschrieben.

*** Aus: neues deutschland, Donnerstag 12. Juni 2014 (Kommentar)

Mehr genehmigt und schneller berichtet

Rüstungsexportbericht 2013 bezeugt expansive Genehmigungspolitik

Mitteilung an die Medien
Freiburg / Stuttgart / Berlin vom 11. Juni 2014
  • Einzelausfuhrgenehmigungen auf Allzeithoch
  • Fast zwei Drittel aller Einzelausfuhrgenehmigungen in Drittländer
  • Historischer Höchstwert beim Kleinwaffenexport

„Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat 2013 den Waffenhandel in den entscheidenden Segmenten auf schier unglaubliche Negativrekorde hochgeschraubt“, erläutert Jürgen Grässlin, Sprecher der Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) und Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“. „Mit keinem Argument zu rechtfertigen ist die Tatsache, dass die Einzelausfuhrgenehmigungen auf den neuen Allzeitrekord von 5,846 Mrd. Euro gesteigert wurden. Dass mit 62 Prozent fast zwei Drittel der Einzelausfuhrgenehmigungen für sogenannte ‚Drittländer‘ erteilt worden sind, belegt das ganze Desaster einer völlig enthemmten Rüstungsexportpolitik“, so Grässlin. „Toptäterin ist Bundeskanzlerin Angela Merkel, die als Vorsitzende des geheim tagenden Bundessicherheitsrats die immens hohen Waffenausfuhrgenehmigungen an Militärs kriegführender und menschenrechtsverletzender Staaten verantwortet.“

„Die humanitäre Rhetorik von Frieden, Freiheit und Sicherheit wird durch die Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung konterkariert“, kritisiert der Geschäftsführer der ökumenischen Initiative Ohne Rüstung Leben (ORL) und Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ Paul Russmann. „Zu den führenden Empfängerländern deutscher Kriegswaffen zählen menschenrechtsverletzende Regime in Algerien, Katar, Saudi-Arabien und Indonesien. Das ist ein Skandal.“ Nachdrücklich weist Russmann darauf hin, dass die „Kleinwaffenexporte von Pistolen über Maschinenpistolen bis hin zu Sturm- und Maschinengewehren mit 82,63 Millionen Euro einen neuen historischen Höchstwert erreicht haben. Es wurden Ausfuhrgenehmigungen für die besonders problemtischen Drittländer von 42,23 Millionen Euro erteilt“, so Russmann „Aufgrund langjähriger Recherchen wissen wir, dass in eben solchen Ländern mit deutschen Gewehren Massaker und Massenmord verübt werden. Zudem vereinbarte die von Angela Merkel und Philipp Rösler geführte Bundesregierung mit der algerischen Regierung unter Führung von Staatschef Bouteflika Waffenlieferungen im Wert von rund 10 Milliarden Euro, die im Rüstungsexportbericht 2013 nur ansatzweise auftauchen.“

„Die lobenswerte Schnelligkeit der Veröffentlichung des Rüstungsexportberichts der schwarz-roten Bundesregierung wiegt die drei Negativrekorde bei den Einzelausfuhrgenehmigungen, beim Export in Länder außerhalb von EU und Nato und beim Kleinwaffenexport nicht auf“, kritisiert Christine Hoffmann, pax christi-Generalsekretärin und Sprecherin der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ die heute im Rüstungsexportbericht 2013 veröffentlichte Bilanz schwarz-gelber Waffenhandelspolitik. „Die SPD hat vor der Bundestagswahl eine Wende beim Waffenhandel versprochen. Wenn die Sozialdemokraten dieses Versprechen einlösen wollen, muss Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jedwede Genehmigung und den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern an menschenrechtsverletzende Staaten sofort unterbinden. Da darf auch vor der Rücknahme bereits erteilter positiver Bescheide auf Voranfragen nicht halt gemacht werden“, fordert Hoffmann. „Die Bundesregierung täuscht die Öffentlichkeit, wenn sie vorgibt, den Waffenhandel gesenkt zu haben. De facto wurden Einzel- und Sammelausfuhren im Gesamtwert von 8,34 Milliarden Euro erteilt.“




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