Die USA treiben weltweite Rüstungsausgaben in die Höhe
Die Wende zum Schlechteren setzte aber schon vor dem 11. September 2001 ein
Seit 1998 verzeichnet das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI
wieder einen Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben. Von 1998 bis zum
Jahr 2000 seien sie real um fünf Prozent gestiegen. Auch wenn das
konservative Londoner International Institute for Strategic Studies
(IISS) diesen Trend nicht bestätigt und von einer nahezu unveränderten
Gesamtsumme ausgeht, muss doch in den nächsten Jahren mit einem rapiden
Anstieg der weltweiten Rüstungsausgaben gerechnet werden.
Auf der Grundlage der Zahlen des IISS liegen die weltweiten
Rüstungsausgaben des Jahres 2000 bei 811 Mrd. Dollar (in Preisen von
1999). Davon gaben die NATO-Staaten zusammen 464 Mrd. Dollar aus (57,2
%). Den Löwenanteil davon tätigten die USA im Jahr 2000 mit 294,7 Mrd.
Dollar (Preise von 1999). Die europäischen NATO-Staaten gaben demnach
161,5 Mrd. Dollar (das sind real 6,25 % weniger als 1999) aus.
Das IISS legt für seine Berechnungen der Haushalte der
Nicht-NATO-Staaten nicht die offiziellen Umrechnungskurse zu Grunde,
sondern fügt traditionell eigene Abschätzungen sowohl über die in
anderen Ressorts versteckten Rüstungsausgaben als auch über Kosten auf
der Basis von Weltmarktpreisen hinzu, um eine internationale
Vergleichbarkeit zu erleichtern. Im Jahr 2000 gab Russland demnach 58,8
Mrd. Dollar (+ 3,5 %), Japan 44 Mrd. (+ 10 %) und Indien 14,5 Mrd. (+ 4
%) für die Rüstung aus. Obwohl der offizielle Militärhaushalt Chinas von
1999 auf 2000 auf Basis des offiziellen Dollarumrechnungskurses um 15
Prozent (von 12,6 auf 14,5 Mrd. Dollar) anwuchs, schätzt das
konservative Londoner Institut lediglich ein Wachstum von 3,2 Prozent
von 39,9 auf 41,2 Mrd. Dollar. Im Jahr 2001 ist der offizielle
chinesische Militärhaushalt wiederum um 17 Prozent gewachsen (von 14,5
auf 17 Mrd. Dollar), jedoch sagt dies wenig über die militärischen
Absichten aus, denn es finden Umschichtungen im chinesischen
Staatshaushalt statt, die eine Entflechtung der immensen
wirtschaftlichen Tätigkeiten des chinesischen Militärs widerspiegeln und
zu einer transparenteren Haushaltspolitik führen sollen. Allerdings ist
unverkennbar, dass die VR China, ausgelöst durch den
völkerrechtswidrigen NATO-Krieg gegen Jugoslawien, ihre militärischen
Anstrengungen verstärkt hat.
Diese sind verglichen mit denen der Vereinigten Staaten jedoch als
geradezu marginal zu bewerten. Die Militärausgaben der USA sind unter
Clinton von 292,1 (1999) auf nominal 300,6 Mrd. Dollar im Jahr 2000
angestiegen (+ 2,9 %). Das Budget für 2001 belief sich auf 310,5 Mrd.
Dollar (+ 3,3 %). Ende Juni 2001 beantragte die neue Bush-Administration
für 2002 zunächst einen Anstieg von 18,5 Mrd. (+ 6 %) auf 330 Mrd.
Dollar. Für Verteidigungsminister Rumsfeld war diese Erhöhung
enttäuschend. Er rechnete gar mit einer Erhöhung um 40 Mrd. Dollar. Der
Chefplaner Paul Wolfowitz, stellvertretender Verteidigungsminister,
plädierte wenig später dafür, dass der US-Militärhaushalt, der etwa 3
Prozent des Bruttosozialprodukts ausmacht, "in den kommenden Jahren ohne
Schmerzen noch um einen halben Prozentpunkt erhöht" werde. (FAZ vom
20.7.2001) Nach den verheerenden Anschlägen des 11. September war es ein
Leichtes, diesen exorbitanten Forderungen mehr als zu entsprechen. Ende
September/Anfang Oktober wurde dann der Betrag von 343,3 Mrd. Dollar für
den US-Militärhaushalt 2002 beschlossen. Die Steigerung von 10,6 Prozent
binnen eines Jahres ist die höchste Steigerung seit den Zeiten Reagans.
Darin verzeichnet das Budget für die Forschung und Entwicklung des
Raketenabwehrsystems (NMD) den höchsten prozentualen Anstieg. Der
ursprüngliche Ansatz unter Clinton in Höhe von 5,2 Mrd. Dollar schnellt
um 60 Prozent auf 8,3 Mrd. Dollar hoch. Die Steigerungen von 2001 nach
2002 resultieren aus einem Zuwachs bei den Personalkosten (+ 6,9 Mrd.),
aktuellen Kriegskosten (+17,9 Mrd.) und Forschung & Entwicklung (+ 6,6
Mrd. Dollar).
Anfang Januar 2002 forderte das US-Verteidigungsministerium für das
Haushaltsjahr 2003 (es beginnt am 1.10.02) eine weitere Steigerung des
Verteidigungsbudgets um 20 Mrd. Dollar. Und nur wenige Tage später
kündigte Präsident Bush an beim Kongress für das Jahr 2003 zu
beantragen, den Verteidigungsetat sogar um satte 48 Mrd. Dollar
anzuheben. Das wäre der höchste nominale Anstieg seit einer Generation
und entsräche etwa den Verteidigungsbudgets von Deutschland und Italien
im Jahr 2000 zusammen. 38 der 48 Mrd. Dollar sollen für neue
Präzisionswaffen, unbemannte Flugzeuge, Kriegsschiffe, Panzer und
Kampfflugzeuge sowie für die Erhöhung der Einsatzbereitschaft, höheren
Sold und bessere Wohnungen für die Soldaten ausgegeben werden. 10 Mrd.
Dollar sollen als operative Reserve für Kriegskosten (in 2002: 17 Mrd.
Dollar) beantragt werden. Der Haushalt des Verteidigungsministeriums
würde dann 379 Mrd. Dollar betragen, zusammen mit den
verteidigungsbezogenen Ausgaben des US-Energieministeriums und anderer
Ministerien, die zur Berechnung des Gesamtsverteidigungsetats bei der
NATO relevant sind, wird der US-Rüstungshaushalt 2003 jedoch bei 394
Mrd. Dollar liegen. Bushs Ankündigung, die Militärausgaben in den fünf
Jahren von 2002 bis 2007 um 120 Mrd. auf 451 Mrd. Dollar zu steigern,
bezieht wiederum nicht die verteidigungsbezogenen Ausgaben der anderen
Ministerien mit ein. Der rüstungsrelevante US-Haushalt beträgt in fünf
Jahren also 465 Mrd. Dollar. Inflationsbereinigt wird damit die
Dimension Mitte der achtziger Jahre zum Höhepunkt des Kalten Krieges
überschritten.
Im Jahre 1997 hat das US-Space-Command eine "Vision für das Jahr 2020"
entwickelt, aus der - kurz gefasst - hervorgeht, dass die USA im Jahr
2020 über die Fähigkeit verfügen sollen, "ohne zeitliche Verzögerung
weltweit hochwertige Ziele aus dem All angreifen zu können". (Der
Spiegel vom 20.8.01). Und als Endziel formuliert das US-Space-Command:
"Im 21. Jahrhundert werden die Raumstreitkräfte militärische Operationen
im All durchführen. Die sich herausbildende Weltraum-Überlegenheit -
ähnlich der zu Wasser, auf dem Land und in der Luft - wird uns in die
Lage versetzen, eine umfassende Vorherrschaft zu erreichen." Die
Administration Bush steht dafür, in die Militarisierung des Weltraums
über die Entwicklung des NMD einzusteigen. Die Planungen aus der
Clintonzeit sahen dafür schon 60 Mrd. Dollar bis 2012 vor.
Zur Perfektionierung der Kriegsführungsfähigkeit zu Lande, zu Wasser und
in der Luft werden ehrgeizige Projekte umgesetzt. Der spektakulärste
Auftrag ging an die in Texas ansässige Firma Lockheed Martin für die
Herstellung von 2.852 F-35-Kampfflugzeugen zum Schätzpreis von 200 Mrd.
Dollar. Er gilt als größter konventioneller Rüstungsauftrag aller
Zeiten. Die Joint Strike Fighter sollen ab 2008 ausgeliefert werden.
Andere Projekte sind bereits in der Fertigung oder befinden sich in der
Entwicklung: 333 Kampfflugzeuge F-22 (63 Mrd. Dollar), 1.292
Kampfhubschrauber Comanche (34 Mrd. Dollar, ab 2007), die
Digitalisierung im Heer (20 Mrd. Dollar, ab 2000 bis 2005), 19 Zerstörer
DDG-51 (ca. 20 Mrd. Dollar, seit 1998 bis 2004) und mindestens 548
F/A-18 Kampfjets für die Marine (47 Mrd. Dollar). Darüber hinaus wünscht
sich die US-Navy 30 neue Atom-U-Boote zum Preis von 64 Mrd. Dollar.
Allein diese Großprojekte zeugen vom US-Anspruch, auf der Erde eine
umfassende Vorherrschaft ("Full Spectrum Dominance") sichern zu wollen.
US-Präsident Bush sorgt für die entsprechende Kriegsrhetorik, indem er
Zehntausenden potenziellen Terroristen den Kampf ansagt und wegen des
angeblichen Griffs nach biologischen, chemischen und atomaren Waffen
konkret den Irak, Iran und Nordkorea warnt. Diese Staaten als "Achse des
Bösen" öffentlich zu brandmarken, ohne einen Beweis vorlegen zu können,
wiederholt die von Reagan favorisierte Rhetorik, als jener die
Sowjetunion als "Reich des Bösen" verteufelte. Diese sprachliche
Parallele macht die Dimension des doktrinären modernen US-Militarismus
deutlich. Auch fast vier Monate nach Beginn des Krieges gegen
Afghanistan sah sich Bush erst am Anfang des "Krieges gegen den Terror",
der auf Jahre angelegt ist. In einer "zweiten Phase des
Anti-Terror-Krieges" geraten über "die Achse des Bösen" hinaus weitere
Länder ins Visier der Krieger im Weißen Haus: Somalia, Jemen,
Philippinen, Syrien und der Sudan, Gruppen im Libanon und in Palästina
werden genannt.
Lühr Henken
Der Beitrag erscheint demnächst im Friedens-Memorandum 2002, hrsg. vom Bundesausschuss Friedensratschlag.
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