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Rüstungsboom mit Delle

SIPRI: Nach 51 Prozent Wachstum seit 2002 sind die Verkäufe der größten Waffenkonzerne zuletzt leicht gesunken

Von Olaf Standke *

Erstmals seit 1994 sind die Verkäufe der 100 größten Waffenschmieden der Welt wieder zurückgegangen. Das geht aus dem jüngsten Report des Stockholmer Friedensforschungsinstituts (SIPRI) hervor, der am Montag veröffentlicht wurde.

Muss man sich Sorgen um die Rüstungskonzerne dieser Welt machen? Erstmals seit fast zwei Jahrzehnten liefen ihre Geschäfte schlechter als im Jahr zuvor, wie die Analysen des Friedensforschungsinstituts SIPRI zeigen. Die von den Wissenschaftlern erfassten 100 größten Rüstungskonzerne mussten 2011 einen Umsatzrückgang um fünf Prozent auf 410 Milliarden Dollar verzeichnen. Geschrumpfte Militäretats im Zuge der Finanzkrise haben sich nun auch auf den bisher weitgehend immunen Rüstungssektor ausgewirkt. Betrachtet man allerdings die vergangene Dekade (2002-2011), dann sind die internationalen Waffenverkäufe um nicht weniger als 51 Prozent angestiegen.

Auch für 2011 ist das Bild differenziert. »Sparprogramme, geplante und umgesetzte Kürzungen bei den Militärausgaben sowie der Aufschub bei Genehmigungen von Waffenprogrammen haben den Waffenverkauf in Nordamerika und Westeuropa zurückgehen lassen«, resümiert der Report. Hinzu kämen einmalige Effekte wie der Abzug von Truppen aus Irak und aus Afghanistan. Das Waffenembargo gegen den traditionellen Großkunden Libyen habe die Umsätze ebenfalls gedrückt. Gleichzeitig aber sind die Militärausgaben vor allem in Asien und Ländern des Nahen und Mittleren Osten angestiegen. Wegen der Stagnation auf den westlichen Märkten verstärkt die Branche dann auch ihre Bemühungen, Kriegsgüter in diese Regionen und nach Südamerika zu verkaufen. Der Waffenstrom in Spannungsgebiete ist also ungebrochen.

Deshalb sieht SIPRI-Analystin Susan Jackson den Waffenhandel auch nicht in einer grundsätzlichen Krise: »Wir gehen hier von einem kurzfristigen Trend aus, der sich maximal ein paar Jahre halten wird.« Zumal sich die Rüstungsunternehmen seit geraumer Zeit nicht nur regional neue Absatzbereiche zu erschließen versuchten. So sei u.a. eine Verkleinerung der Kernproduktion, die Spezialisierung auf Nischen und eine Ausweitung des Geschäfts auf Märkte in verwandten Branchen zu beobachten, heißt es im Bericht. Dazu gehöre auch der Cyber-Sicherheitsmarkt, so Jackson. Vor allem die großen Konzerne würden ihren Fokus immer stärker auf die digitale Kriegführung richten. Die Daten- und Netzwerksicherung sei trotz der Etatkürzungen ein »privilegierter Kostenfaktor« und eröffne die Chance, zivile Aufgaben zu übernehmen und zugleich technologische Kompetenz für die elektronische Kriegsführung weiterzuentwickeln. Raytheon etwa hat eine Software entwickelt, die es ermöglicht, soziale Netzwerke systematisch auszuspähen.

Die von SPIRI zusammengestellten Top 100 [externer Link] der weltweit bedeutendsten Rüstungsunternehmen wurden auch 2011 von nordamerikanischen (44) und westeuropäischen Konzernen (30) angeführt, die für 89 Prozent des weltweiten Umsatzes stehen. Größtes nicht aus dem NATO-Bereich stammendes Unternehmen ist die russische United Aircraft auf Rang 18 der SIPRI-Liste. Chinesische Firmen wurden wegen fehlender Daten nicht berücksichtigt. An der Spitze der Todeshändler liegen die US-amerikanischen Luftfahrt- und Elektronik-Multis Lockheed Martin und Boeing, die 78 bzw. 46 Prozent ihres Umsatzes auf dem Rüstungsmarkt machen, gefolgt von der britischen BAE Systems, deren geplante Fusion mit der europäischen EADS im Vorjahr geplatzt ist. Der deutsch-französisch-spanische Konzern liegt auf Platz sieben der Rangliste, Rheinmetall auf Platz 26. Einen deutlichen Gewinnzuwachs von über 48 Prozent konnte auf Rang 49 der Konzern ThyssenKrupp ausweisen.

Insgesamt sind fünf deutsche Waffenschmieden gelistet. In Deutschland, hinter den USA und Russland drittgrößter globaler Rüstungsexporteur, scheine es den »klaren Willen zur Lieferung größerer Rüstungsmengen zu geben«, sagt SIPRI-Experte Pieter Wezeman – selbst wenn politische Bedenken dem entgegenstünden. Auch die geplante Lieferung deutscher Patrouillenboote nach Saudi-Arabien sei dafür ein Indiz. Nach SIPRI-Erhebungen ist die autoritär regierte Öl-Monarchie das nach Israel am stärksten aufgerüstete Land in der konfliktgeladenen Region. »Sie wollen auch militärisch in der Lage sein, jeden inneren Aufruhr zu unterdrücken«, betont Wezeman.

* Aus: neues deutschland, Dienstag, 19. Februar 2013


SIPRI Top 100 arms sales decreased in 2011: companies pursue diverse strategies in response to austerity measures

(Stockholm, 18 February 2013) Sales of arms and military services by the largest arms-producing companies - the SIPRI Top 100 - totalled $410 billion in 2011 according to new data on international arms production released today by Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI).

Compared to the companies in the Top 100 for 2010, this result represents a 5 per cent decrease in constant dollar terms. Over the period since 2002, arms sales by the Top 100 have nevertheless increased by 51 per cent in real terms.

Arms-producing and military services companies headquartered in North America and Western Europe continued to dominate the Top 100 list, which does not include China-based companies due to lack of available data. Sales by the 44 US-based arms producers amounted to 60 per cent of the total arms sales of the Top 100. The 30 companies based in Western Europe made up another 29 per cent of the total.

Several factors contributed to the decrease in arms sales in 2011. Austerity policies and proposed and actual decreases in military expenditure as well as postponements in weapons programme procurement affected overall arms sales in North America and Western Europe.

Conflict—in particular the drawdowns in Iraq and Afghanistan and the sanctions on arms transfers to Libya—also played a role in the fall in arms sales.

Companies pursue a range of strategies in order to remain competitive

‘Arms producing and military services companies have been taking steps to insulate themselves against austerity measures,’ states SIPRI arms industry expert Dr Susan Jackson. ‘Companies are implementing strategies that accommodate the changes in threat perception since September 2001 while trying to maintain their bottom lines. We see this in the types of acquisitions being made and in the sectors companies are targeting.’

Uncertainties stemming from proposed austerity measures by governments in the Global North have led some companies to pursue military specialization, while others have downsized or diversified into adjacent markets.

A number of companies have also established foreign subsidiaries in order to access new revenue streams in Latin America, the Middle East and Asia.

Cybersecurity emerging as a key market

The expansion of arms producing companies into the cybersecurity market—a clear trend in the first tier of the SIPRI Top 100—is due the growing political and budgetary importance of cybersecurity as a national security issue.

Companies such as Raytheon, BAE System and EADS Cassidian are seeking alternative revenue channels from the civilian sector while maintaining ties to military spending in this market.

These companies’ cybersecurity activities are focused on data and network protection software and services; testing and simulation services; training and consulting services; and operational support.

** Source: SIPRI; http://www.sipri.org




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