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Militärausgaben auf Rekordstand

SIPRI-Bericht: 2010 weltweit 1,63 Billionen Dollar verpulvert / Finanzkrise bremste Zuwachs

Von Olaf Standke *

Auch wenn die weltweiten Rüstungsausgaben 2010 nicht mehr so stark wuchsen wie in den Vorjahren – mit 1,63 Billionen Dollar erreichten sie ein neues Rekordhoch, wie das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI am Montag (11. April) mitteilte.

Die niederländische Armee muss künftig ohne ihre 60 schweren Leopard-Gefechtspanzer auskommen. Wie 19 Kampfflugzeuge des Typs F-16, 17 Cougar-Hubschrauber und weitere Bewaffnung werden sie abgeschafft. Zudem soll die Berufsarmee des Königreichs schrittweise um 6000 Soldaten schrumpfen. Insgesamt beschloss die Regierung in Den Haag dieser Tage Kürzungen der Militärausgaben zur Konsolidierung des Staatshaushalts in Höhe von einer Milliarde Euro. Sie steht damit für einen Trend, wie die SIPRI-Wissenschaftler in ihrem jüngsten Report analysierten.

Hier geht es zu einer Übersicht über die wichtigsten Ergebnisse des SIPRI-Berichts:

Factsheet (pdf-Datei)



So sanken in Europa die Ausgaben für Rüstung und Soldaten im Vorjahr vor allem wegen des öffentlichen Spardrucks in Folge der Finanzkrise durchschnittlich um 2,8 Prozent auf insgesamt 382 Milliarden Dollar. Weltweit gab es weiter einen Zuwachs, doch lag er mit 1,3 Prozent so niedrig wie noch nie in der vergangenen Dekade (im Schnitt 5,1 Prozent). Das allerdings reichte noch immer für einen historischen Höchststand: 1,63 Billionen Dollar (1,14 Billionen Euro) wurden 2010 für Kriegsgerät und Armeen verpulvert. Zum Vergleich: Die reichen Industrienationen im Entwicklungshilfe-Ausschuss der OECD haben im selben Jahr den ärmeren Ländern dieser Welt insgesamt rund 129 Milliarden US-Dollar zur Verfügung gestellt. Das sind lediglich 0,32 Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP).

Unangefochtener Spitzenreiter bei den Militärausgaben bleiben die USA. Zwar war auch dort das Wachstum mit 2,8 Prozent geringer als in den Vorjahren, doch bedeuten die 698 Milliarden Dollar, die SIPRI in seiner Untersuchung ausweist, inzwischen schon 4,8 Prozent des BIP. 2009 betrug der Anteil noch 4,6 Prozent. Wie der SIPRI-Experte Sam Perlo-Freeman betonte, sind die USA heute für 43 Prozent der weltweiten Rüstungsaufwendungen verantwortlich. Sie hätten ihre Militärausgaben seit 2001 um sage und schreibe 81 Prozent gesteigert und »liegen damit auch etwa sechs Mal höher als der nächste Rivale China«, das bei ebenfalls deutlich abgeschwächtem Zuwachs mit geschätzten 119 Milliarden Dollar inzwischen als zweitstärkste Militärmacht gilt – nach Ansicht des Internationalen Instituts für Strategische Studien (IISS) in London allerdings trotzdem vorläufig eine »Regionalmacht mit regionalen Sorgen« bleibe.

Besorgniserregend ist auch, dass die Militärausgaben gegen den Trend gerade in Kriegs- und Konfliktgebieten überdurchschnittlich zunahmen. So stiegen sie im Nahen Osten um 2,5 Prozent auf 111 Milliarden Dollar, allen voran in Saudi-Arabien. In Afrika erhöhten sich die Militärausgaben um 5,2 Prozent, wobei die Ölförderländer Algerien, Angola und Nigeria dabei den Löwenanteil ausmachten. Den höchsten Anstieg mit 5,8 Prozent verzeichneten jedoch die Länder Lateinamerikas, auch für Carina Solmirano »eine Überraschung angesichts der fehlenden militärischen Bedrohungen für die meisten Staaten, die außerdem viel dringendere soziale Probleme haben«. Die SIPRI-Expertin für diese Region sieht das im weltweiten Maßstab überdurchschnittliche Wirtschaftswachstum dort als »Teil der Erklärung«.

Deutschland rangiert mit 45,2 Milliarden Dollar (31,2 Mrd. Euro) auf Platz acht der SIPRI-Liste. Auch die schwarz-gelbe Bundesregierung gibt mit einem Anteil von 1,3 Prozent am BIP deutlich mehr für Kriegsbeteiligungen und Militäreinsätze aus als für Entwicklungshilfe (0,38 Prozent). Und die Bundesrepublik gehört zu den größten Rüstungsexporteuren der Welt, nur die USA und Russland verkaufen mehr Waffen. Auf die vergangenen fünf Jahre gerechnet machten die deutschen Ausfuhren laut SIPRI elf Prozent der globalen Rüstungsexporte aus.

Allein mit Saudi-Arabien hat man dabei Verträge im Wert von über 470 Millionen Euro vereinbart. Auch an Ägypten und Libyen wurden Lieferungen genehmigt, von Maschinenpistolen und Gewehren bis zu gepanzerten Fahrzeugen, Abschussanlagen für Panzerabwehrraketen oder Hubschraubern. Dabei verbieten die gültigen Richtlinien Exporte in Spannungsgebiete.

Selbst mit ausgemusterten Rüstungsgütern der Bundeswehr macht Deutschland noch gute Geschäfte, wie andere NATO-Staaten ebenfalls. Und so suchen nun auch die Niederlande fleißig Käufer für ihre eingesparten Panzer und Kampfflugzeuge, für ein Transportflugzeug TD-10, vier Minensuchboote, ein Versorgungsschiff usw. usf.

* Aus: Neues Deutschland, 12. April 2011


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