Atomwaffen weniger, aber "besser" - Zu wenig "Friedensmissionen"
SIPRI-Jahrbuch 2013 veröffentlicht - Eine durchwachsene Bilanz
Das bekannte Friedensforschungsinstitut SIPRI (Stockholm International Peace Research Institute) veröffentlichte am Montag, den 3. Juni, sein Jahrbuch 2013 (SIPRI Yearbook 2013). Wie jedes Jahr wird darin Auskunft gegeben über den gegenwärtigen Zustand der internationalen Sicherheit, der R+stung und des Rüstungshandels sowie der Abrüstung. Die wichtigsten Erkenntnisse sind laut SIPRI:
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Von den fünf offiziellen Atomwaffenmächten hat allein China im vergangenen Jahr sein Atomwaffenarsenal erweitert.
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Die Zahl der an internationalen "Friedensoperationen" ("peace operations" ist der irreführende Begriff für Militäreinsätze mit UN-Mandat) beteiligten Soldaten geht rasch zurück.
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Die Bemühungen zur weltweiten Ächtung von Streubomben (cluster munitions) ist zum Stillstand gekommen.
Atomwaffen: Reduzierung und Modernisierung werden fortgesetzt
Zu Beginn des Jahres 2013 verfügten acht Staaten (die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, China, Indien, Pakistan und Israel) annähernd 4.400 einsatzbereite Atomwaffen. 2.000 davon bbefinden sich in einem Zustand hoher Einsatzbereitschaft. Insgesamt kommt man auf 17.265 nukleare Sprengköpfe; das sind gut 1.700 weniger als vor Jahresfrist (19.000)
Die zahlenmäßige Abnahme der Atomwaffen ist einmal vor allem dem START-Abkommen zwischen Russland und den USA geschuldet (START: Treaty on Measures for the Further Reduction and Limitation of Strategic Offensive Arms), wonach beide Staaten ihre strategischen Atomwaffen beiderseitig reduzieren; zum anderen wurden veraltete Atomsprengköpfe aus dem Verkehr gezogen.
Auf der anderen Seite wird darauf hingewiesen, dass alle fünf offiziellen Atommächte (USA, Russland, Großbritannien, Frankreich und China) dabei sind oder beabsichtigen, neue Trägersysteme für Atomsprengköpfe zu installieren. Trägersysteme können Flugzeuge, U-Boote sowie landgestützte Raketen sein. Alle sind zugleich entschlossen, ihre Atomwaffenarsenal unbegrenzt zu behalten. Von den fünf Staaten scheint lediglich China sein Arsenal noch erweitern zu wollen. Indien und Pakistan ("inoffizielle" Atomwaffenstaaten) vergrößern den Bestand ihrer Nuklearwaffen und ihrer entsprechenden Trägerkapazitäten.
"Wieder einmal besteht nur geringe Hoffnung, dass die Atomwaffen besitzenden Staaten gewillt sind, ihre nuklearen Arsenale aufzugeben. Die bereits eingeleiteten langfristigen Modernisierungsprogramme dieser Staaten deuten darauf hin, dass Atomwaffen immer noch als Zeichen von internationaler Größe und Macht betrachtet werden", sagte der Leiter des SIPRI-Nuklearwaffenprojekts Shannon Kile bei der Vorlage des Berichts.
Atomwaffen in der Welt Anfang 2013
Staat | Einsatzbereite Sprengköpfe | Weitere Sprengköpfe | Insgesamt 2013 | Insg. 2012 |
USA | 2150 | 5550 | 7700 | 8000 |
Russland | 1800 | 6700 | 8500 | 10000 |
Großbrit. | 160 | 65 | 225 | 225 |
Frankreich | 290 | 10 | 300 | 300 |
China | - | 250 | 250 | 240 |
Indien | - | 90-110 | 90-110 | 80-100 |
Pakistan | - | 100-120 | 100-120 | 90-110 |
Israel | - | 80 | 80 | 80 |
Insgesamt | 4400 | 12865 | 17265 | 19000 |
Quelle: SIPRI Yearbook 2013
Zahl der Peacekeepers nimmt stark ab - Krise in Syrien offenbart die Kluft zwischen Prinzipien und Tat
Nach Auffassung von SIPRI nahm im vergangenen Jahr die Zahl der in "Friedensmissionen" beteiligten Soldaten und Zivilpersonen dramatisch um 10 Prozent ab - zum größten Teil eine Folge des begonnenen Rückzugs aus Afghanistan. Dennoch: 2012 waren weltweit mit 233.642 Personen immer noch doppelt so viele Menschen in solchen Operationen tätig als 2003. Die Zahl der Operationen betrug 2012 52 (2003 waren es 53).
Auch in diesem Jahr dürfte nach Einschätzung von SIPRI die Zahl der Peacekeepers weiter fallen, zumal der Abzug von NATO-truppen aus Afghanistan fortgesetzt würde. Wie stark der Rückgang insgesamt ausfalle, hänge aber von anderen Faktoren ab, etwa der möglichen Stationierung von UN-Soldaten in Mali und der weiteren Sahel-Zone oder vielleicht sogar einer enttsprechenden Mission in Syrien. Hier macht sich SIPRI eindeutig zum Anwalt der Responsibility to Protect. Ein führender Wissenschaftler von SIPR, Dr. Jaïr van der Lijn wird mit den Worten zitiert, dass es auf den Willen der Staaten ankomme, "zu handeln, um den Schutz von Zivilisten durch Friedensoperationen und die Durchsetzung der Schutzverantwortung zu verbessern, anstatt nur die Versäumnisse zu beklagen". Hinderlich könnten auch Sparmaßnahmen der Regierungen sein, allerdings könnte das auch Ansporn sein, mehr Truppen bereit zu stellen, um zu Hause eine weitere Kürzung der Mittel für die Streitkräfte zu vermeiden.
Die Vereinten Nationen scheinen durch die Syrien-Krise wie gelähmt. So wurde das Prinzip der "Schutzverantwortung" - analog der Intervention in Libyen 2011 - nicht heraufbeschworen, als Russland und China eine entsprechende Resolution im UN-Sicherheitsrat nicht zuließen. Auch andere Staaten widersetzten sich der äußeren Einmischung in die inneren Angelegenheiten Syriens. Dies wird von SIPRI mit augenscheinlichem Bedauern kommentiert. Van der Lijn: "Das Ausbleiben einer Aktion zu Syrien wirft ein Schlaglicht auf die Schwäche der internationalen Bereitschaft zur Schutzverantwortung. Letzten Endes scheinen nationale Interessen und die tief sitzende Angst, dass die Schutzverantwortung das Prinzip der staatlichen Souveränität untergrabe, schwerer zu wiegen als die Not der Bevölkerung in Konfliktsituationen."
2012 keine Fortschritte beim Verbot von Streumunition
Enttäuschen verlief nach Auffassung von SIPRI das vergangene Jahr auf dem Gebiet der internationalen Kontrolle von Streumunition (cluster munition). Die Unterstützer der 2008 beschlossenen Streubomben-Konvention haben sich außerstande gesehen, auch nur einen neuen Staat zur Unterzeichnung der Konvention hinzuzugewinnen. Die größten Produzenten von Streumunition, die den Vertrag noch nicht unterzeichnet haben, sind Brasilien, China, Ägypten, Indien, Israel, Südkorea, Russland und die Vereinigten Staaten. Einige dieser Staaten haben in der Vergangenheit auch Streubomben eingesetzt.
Peter Strutynski, auf der Grundlage der SIPRI-Pressemitteilung
Hier geht es zum SIPRI-Jahrbuch 2013: (englisch): www.sipri.org.
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