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Freie Bahn für Todes-Export

Regierung erleichtert Rüstungslieferungen - Algerien ist guter Kunde

Von René Heilig *

Die Bundesregierung will den Export von Waffen und Rüstungsgütern vereinfachen. Dazu sollen das Außenwirtschaftsrecht entschlackt und Sondervorschriften aufgehoben werden. Die Neuregelungen sollen vorrangig Exporte in »Drittländer« außerhalb der EU erleichtern.

Die Lobbyarbeit trägt Früchte. Die deutschen Rüstungsexporte stiegen in den vergangenen fünf Jahren um 70 Prozent - das ist mehr als dreimal so viel wie der globale Durchschnitt. Und ganz so geheim, wie es die »Spiegel«-Meldung zu den zwei Referentenentwürfen des Wirtschaftsministeriums für eine Reform des Außenwirtschaftsrechts suggeriert, können die Pläne zumindest in Industriekreisen nicht sein.

Als Ende vergangener Woche bekannt wurde, dass die zu reformierende Bundeswehr bis 2020 statt 405 »nur« 350 Schützenpanzer »Puma« abnehmen wird, blieb der Sprecher von Hersteller Rheinmetall, Peter Rücker, gelassen. Für das Düsseldorfer Unternehmen habe die Reduzierung lediglich marginale Auswirkungen. Rücker sprach von einer Größenordnung von unter einem Prozent eines Jahresumsatzes.

Rheinmetall produziert den Kampfpanzer »Leopard 2«, auf den derzeit Saudi-Arabien und Indonesien »scharf« sind. Schon in »Sack und Tüten« für das zweite Quartal sind Rüstungsaufträge im Wert von rund 800 Millionen Euro - über 200 Millionen Euro mehr als in den Quartalen zuvor. In diesem und den nächsten Jahren will man die Rüstungsexportquote auf über 80 Prozent steigern. In nur fünf Jahren - von 2008 bis 2013 - will man von 1,8 Milliarden Euro Umsatz auf drei Milliarden Euro kommen. Dazu soll vor allem das außereuropäische Ausland beitragen.

Konzentration ist ein Weg des Profiterfolges. Rheinmetall beteiligte sich in den vergangenen Jahren an einem Dutzend Rüstungsunternehmen. Nun bündelt der Konzern seine Kraft mit dem Lastwagenbauer MAN in der »Rheinmetall MAN Military Vehicles GmbH« (RMMV). Angestrebter Jahresumsatz: eine Milliarde Euro. Der neue Panzerverbund soll größere Exportchancen für Militärlaster und Radpanzer wie »Boxer« oder »Fuchs« bringen. Den Transportpanzer »Fuchs«, der in seiner neuesten Variante vor allem in Afghanistan Werbung macht und sich für Aufstandsbekämpfungen empfiehlt, will man demnächst auch in Algerien bauen. Das Land ist einer der Wachstumsmärkte für Todesgerät. Bei Daimler gehe es um den Verkauf von Last- und Geländewagen; ThyssenKrupp exportiert zwei MEKO-Fregatten (Wert: über 400 Millionen Euro) nach Algerien und drillt die Besatzungen.

Kanzlerin Angela Merkel hatte Algeriens Präsidenten Bouteflika bei dessen Besuch im Dezember Hilfe deutscher Unternehmen beim Aufbau eines effektiven Grenzsystems angeboten, um die »Flüchtlingsströme« Richtung EU einzudämmen. Die Rüstungshersteller EADS Cassidian - mit Bundeshilfe in Saudi-Arabien aktiv - sowie Rhode & Schwarz und Carl Zeiss stehen bereit.

* Aus: neues deutschland, Montag, 16. Juli 2012


Krieg als Türöffner

Von René Heilig **

Niemand hat die Absicht, den Rüstungsexport zu vereinfachen! Die Bundesregierung dementiert Gerüchte und lässt schwammig verlauten, es bleibe bei den bewährten Grundsätzen des Außenwirtschaftsrechtes. Bewährt? Für wen?

Kaum dass man nach dem Nutzen von Rüstungsexport fragt und dessen Gefahren benennt, kommt der Einwand, man solle nicht alles so ideologisieren. Wenn Deutschland nicht liefere, würden das andere besorgen. Also rät der Ausschuss Verteidigungswirtschaft im Bundesverband der Deutschen Industrie zur Akzeptanz: »Wehrtechnisches Gerät ›Made in Germany‹ ist weltweit gefragt und die deutsche Industrie stellt sich dem Wettbewerb - wenn ihn die Politik nur zulässt!« Und das soll sie gefälligst! Die Lobbyisten erinnern Merkel & Co.: Die deutsche Sicherheits- und Verteidigungsindustrie »leistet einen strategischen Beitrag für die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit unseres Landes, der weit über seine quantifizierbare wirtschaftliche Bedeutung hinausreicht«.

So wie »die sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit« gut ist fürs Geschäft. Was sich im Krieg, den Deutschland angeblich für Freiheit und Zukunft des afghanischen Volkes führt, als tauglich zum Töten erwies, lässt sich weltweit viel besser verkaufen. Das gilt auch für die Anti-Piratenoperation »Atalanta«. Algerien kaufte gerade zwei deutsche Fregatten. Und demnächst sicher eine Grenzanlage zum Migrationsstopp dazu. Denn niemand hat die Absicht ...

** Aus: neues deutschland, Montag, 16. Juli 2012 (Kommentar)


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