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Abrüsten sollen die anderen

Linke und SPD kritisieren Zickzackkurs der Regierung und Waffenexporte

Von Inge Höger *

Wir müssen konkrete Abrüstungsschritte gehen, aber auch im Rahmen der Bundeswehrreform für glaubwürdige militärische Fähigkeiten sorgen.« Der CDU-Abgeordnete Roderich Kiesewetter machte in der Bundestagsdebatte am Freitag zum Jahresabrüstungsbericht keinen Hehl daraus, daß Abrüstungspolitik den Interessen der NATO-Partner nicht in die Quere kommen darf. »Bündissolidarität erleichtert unsere außenpolitische Handlungsfähigkeit«, so Kiesewetter.

Die »konkreten abrüstungspolitischen Schritte«, die die Redner der Regierungsfraktionen anmahnten, beziehen sich folgerichtig fast ausschließlich auf internationale Verträge, die die deutsche Rüstung nicht betreffen. An konkreten Aufrüstungsschritten wie dem NATO-Raketenabwehrsystem, den EU-Battle-Groups und dem Umbau der Bundeswehr zu einer Armee im Einsatz will die Bundesregierung festhalten.

»Sie machen aus einer Verteidigungsarmee eine Kriegsarmee. Da sind sich alle Bundestagsparteien einig – außer die Linke«, stellte deren Fraktionsvorsitzender Gregor Gysi fest. Er kritisierte die deutschen Rüstungsexporte und forderte deren Verbot als Lehre aus dem Zweiten Weltkrieg. Das Mindeste sei aber ein Stopp aller Rüstungsexporte in den Nahen Osten. Dort habe die BRD bislang Diktaturen mit Waffen unterstützt und Konflikte angeheizt. Außerdem müßten deutsche Rüstungsgüter markiert werden, so daß man nachvollziehen könne, in welchen Konflikten deutsche Waffen im Einsatz sind, foderte Gysi.

Er stellte darüber hinaus fest, daß Rot-Grün noch mehr Kriegsgerät verkauft hat als die Kohl-Regierung. 2001 wurden Rüstungsexporte im Wert von 7,5 Milliarden Euro genehmigt. Dies kann nur die aktuelle schwarz-gelbe Regierung mit 8,7 Milliarden im Jahr 2010 überbieten. Dennoch spricht die Bundesregierung von »abrüstungspolitischen Bollwerken« (Kiesewetter).

Der SPD-Verteidigungspolitiker Michael Groschek kritisierte das Bundeskabinett für seine Inkonsequenz – nicht nur in der Libyen-Frage. Zum Beispiel sollte die Koalition erklären, warum es immer noch US-Atomwaffen in Rheinland-Pfalz gibt. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) hatte sich im vergangenen Jahr für einen Abzug dieser Waffen ausgesprochen, was aber ohne Folgen blieb. Groschek kritisierte dies als »Vollmundigkeit in der Ankündigung und Zwergenhaftigkeit in der Durchsetzung«. Der Abgeordnete, der auch Generalsekretär der NRW-SPD ist, stellte zudem die Funktionsfähigkeit der Bundesregierung aufgrund der FDP-Krise in Frage. »Der Offenbarungseid der FDP darf nicht zum Offenbarungseid der deutschen Außenpolitik werden.« Rainer Stinner (FDP) war irritiert. Er wies darauf hin, daß man solch fundamentale Kritik von der SPD sonst nicht gewohnt sei.

* Inge Höger ist abrüstungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag

Aus: junge Welt, 9. April 2011



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