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Steigflug für die Rüstungsindustrie

Deutsche Konzerne pfeifen auf Menschenrechte

Von René Heilig *

Der globale Waffenhandel boomt, belegt das Friedensforschungsinstitut SIPRI. In den vergangenen fünf Jahren erhöhte sich das Volumen im Vergleich zum Zeitraum 2002 bis 2006 um 24 Prozent. Deutschlands Export wuchs um 37 Prozent. Damit liegt das Land mit 9 Prozent Weltmarktanteil weiter auf Platz drei hinter den USA (30) und Russland (24).

Christoph Müller ist Sprecher von Krauss-Maffei-Wegmann (KMW). Sprecher müssen gut reden über die Produkte ihrer Firma. Müller hat damit keine Schwierigkeiten, denn seine Firma stellt Spitzenprodukte her. Kein anderer Panzer in der Welt kann dem »Leopard 2« das Wasser reichen. Er ist eine nahezu perfekte Tötungsmaschine. Die Bundeswehr lobt ihn in den höchsten Tönen - und gliedert immer mehr aus. In Europa sind sie Ungetüme einer längst überholten militärischen Strategie. Zudem: Von der Bundeswehr allein könne man sich nicht ernähren, sagt KMW-Sprecher Müller. Deswegen habe der Konzern »schon vor sehr langer Zeit begonnen, eine sogenannte Internationalisierungsstrategie einzuleiten«.

Saudi-Arabien hat Interesse an bis zu 270 »Leoparden«. Und dass der Bundessicherheitsrat - ihm gehören die Kanzlerin und mehrere Fachminister an - grünes Licht zum Export gegeben hat, ist vor rund einem Jahr schon durchgesickert. Doch, so hörte man noch vor einigen Tagen von den neben KMW beteiligten Unternehmen - dazu gehören Rheinmetall, Diehl, MTU und Carl-Zeiss -, gibt es keinen Vertrag für das rund drei Milliarden Euro schwere Geschäft.

Wer bremst? Saudi-Arabien nicht, dessen Interesse an dem Panzerdeal ist groß. So groß, dass Außenminister Prinz Saud al-Faisal jüngst seinem deutschen Kollegen Guido Westerwelle klarmachte: »Deutschland ist eines der Länder, mit denen wir bei der Rüstung zusammenarbeiten wollen.« Westerwelle wird den drängenden Unterton im Folgesatz seines Gastgebers wohl bemerkt haben: »Ich glaube, das Zögern kommt eher von der deutschen Seite.« Doch öffentlich äußerte sich Westerwelle nicht.

Klar, denn der Vorwurf von Rüstungsgegnern sticht. Die deutsche Regierung weicht immer mehr vom Grundsatz ab, keine Waffen in Spannungsgebiete zu liefern. Neun Prozent Weltmarktanteil am Waffenhandel - deutlicher kann man den bereits unter Rot-Grün begonnenen Ausverkauf jeglicher Rüstungsexportkontrolle nicht darstellen. Artikel 26 des Grundgesetzes wird ins Absurde verkehrt. Da nämlich ist festgelegt: »Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten, sind verfassungswidrig. Sie sind unter Strafe zu stellen.« Im schwarz-gelben Lager selbst gibt es Kritik. Denn dass in Saudi-Arabien Menschenrechte wenig gelten, ist mehrfach dokumentiert.

»Es gibt natürlich immer Missbrauch, aber das gibt es in allen Fragen. Wir verbieten ja nun auch nicht das Autofahren, weil sich nicht jeder an die Straßenverkehrsordnung hält.« Den Satz sprach unlängst Joachim Pfeiffer im Deutschlandfunk. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag und wünscht sich eine Lockerung der Exportrichtlinien zugunsten deutscher Geschäftemacher. Denn da ist noch so einiges zu verscherbeln, das Profit bringt. Beispielsweise will Algerien eine eigene Produktionslinie für einen Transportpanzer aufbauen. Der deutsche »Fuchs« wäre dem Regime sehr willkommen. Und sofort rotiert die Lobbymaschinerie. Zu der gehört der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn. Der versteht etwas von Panzern, schließlich war er früher Öffentlichkeitsarbeiter beim Münchner Panzerbauer Krauss-Maffei-Wegmann.

Er ist - man staunt - ein sehr sozial denkender und argumentativ äußerst kreativer Mensch. Gerade auf entwicklungspolitischem Gebiet. Man wisse ja, so erklärt er, dass die große Instabilität in Nordafrika unter anderem durch die hohe Arbeitslosigkeit in diesen Ländern hervorgerufen wird. Und nun kommt's: Eine deutsche Panzerfabrik in Algerien bringt Arbeitsplätze. Ergo: Allein mit dem Bau von Panzern sinkt die Notwendigkeit, dass sie gegen innere Unruhen eingesetzt werden. Der erste Auftrag für den Transportpanzer sicherte aber erst einmal Jobs in Deutschland. 2011 war vereinbart worden 54 Stück zu liefern. Quasi zur Anfütterung.

Gnadenlos liefert Deutschland verbotenerweise in zahlreiche Spannungsgebiete. »Patriot«-Raketen nach Südkorea, U-Boote nach Israel. Wie bei den vorherigen beiden »Dolfin«-Booten übernimmt die Bundesregierung, also der Steuerzahler, ein Drittel der Kosten. Zu gerne hätte man »Eurofighter« - an deren Bau ist Deutschland neben drei anderen EU-Staaten maßgeblich beteiligt - auch nach Indien, dem Importeur mit die größten Zuwächsen, geliefert. In einem Brief an den indischen Premier Manmohan Singh besorgte die Kanzlerin höchstselbst das Geschäft von Hersteller EADS. Sie lobte die Vorzüge des Kampfflugzeuges sowie die »Chancen für eine vertiefte technologische und wirtschaftliche Partnerschaft mit vier Ländern der Europäischen Union«. Den Zuschlag erhielt dennoch Frankreich mit seiner »Rafale«. Aber auch dieser Jet kommt nicht ohne Raketen aus, an deren Produktion deutsche Firmen mitverdienen.

* Aus: neues deutschland, 20. März 2012


Kapital-Verbrechen

Von Olaf Standke **

Der Waffenhandel bleibt eine Wachstumsbranche - Wirtschaftskrise hin, Finanzkrise her. Auch in den vergangenen fünf Jahren boomte das Bombengeschäft mit der Gewalt, wie das Friedensforschungsinstitut SIPRI errechnet hat. Und die deutschen Waffenschmieden verdienten als weltweit drittgrößter Exporteur kräftig mit. Ein Weltmarktanteil von neun Prozent macht auch den Ausverkauf jeglicher Rüstungsexportkontrolle deutlich. Welche Dimension der florierende Handel mit Kriegsgütern inzwischen erreicht hat, zeigen die Ergebnisse der Branchenriesen, die ihre Umsätze nach Ausrufung des Anti-Terrorkriegs durch Washington um 60 Prozent steigern konnten. Die vom US-amerikanischen Multi Lockheed Martin angeführten 100 größten Rüstungskonzerne verkauften allein 2010 Waffen im Wert von rund 411 Milliarden Dollar. Es gibt nicht einmal 30 Staaten, die ein größeres Bruttoinlandsprodukt erwirtschaften.

Das besonders Perverse: Im Interesse des Profits und der geostrategischen Interessen der Mächtigen dieser Welt werden zwei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Kriegs ganze Konfliktregionen hochgerüstet. Kein Wunder also, dass zuletzt die Zahl der Kriege und bewaffneten Auseinandersetzungen auf einen neuen Rekordstand angestiegen ist. 38 hochgewaltsame Konflikte haben Friedensforscher im vergangenen Jahr erfasst, so viele wie noch nie seit 1945. Auch deshalb ist es höchste Zeit für ein grundsätzliches Exportverbot von Kriegswaffen.

** Aus: neues deutschland, 20. März 2012 (Kommentar)


Indien ist auch nur ein Irrweg

Konversion wäre Weg in sichere Zukunft

Von René Heilig ***


Indien hätte d i e Lösung sein können – zumindest laut EADS und für die kommenden zehn Jahre. Doch Ende Januar war das Dilemma für das westeuropäische Vier-Länder-High-Tech- Konsortium perfekt. Indien kauft nicht 126 »Eurofighter«, sondern gab dem Konkurrenzprodukt des französischen Herstellers Dassault den Vorzug.

Die – aus EADS-Sicht – abermalige Exportpleite offenbart grundlegende Probleme der Rüstungsindustrie. Da die nationalen Armeen zwar als Referenzpartner gebraucht werden, doch nicht genügend Waffen abnehmen, besteht gerade auf dem (west-)europäischen Markt eine permanente Überproduktion. Die Lösung sucht die Rüstungswirtschaft in fernen Ländern. Doch Waffenexporte sind immer auch von sicherheitspolitischen Interessen geprägt. Zudem sinken die Budgets der meisten Importeure. Wettbewerbsverzerrungen durch diverse staatliche Subventionen tun ein Übriges.

Helfen würde aus rein wirtschaftlicher Sicht eine weitere Konzentration bei den Herstellern wie auch eine gemeinsame Planung, Ausstattung und ein koordinierter Betrieb der EUStreitkräfte. Doch von so viel Solidarität sind die EU-Staaten, die zwar von einer abgestimmten Außen- und Verteidigungspolitik reden, sie jedoch permanent hintertreiben, weit entfernt.

Vernünftig ist nur ein Weg – der konsequente Umbau der Rüstungsindustrie hin zu Konversions- und Umwelttechnologien. Die Politik hätte das Zeug dazu, die Industrie in richtige Bahnen zu weisen. Statt beim Rüstungsexport zu helfen, müssten sich Regierung und Parlament »nur« für die Einhaltung der gesetzlichen Beschränkungen stark machen.

*** Aus: neues deutschland, 20. März 2012


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