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Zur Not zahlt Hermes

Mit aktuell 1,6 Milliarden Euro bürgt die Bundesregierung für Rüstungsprofite

Von René Heilig *

Zur Absicherung deutscher Rüstungsexporte hat die Bundesregierung aktuell vorläufige Deckungszusagen in Höhe von 1,6 Milliarden Euro beschlossen. Dabei gehe es vor allem um die Sicherung von Arbeitsplätzen. Ein Scheinargument.

Radarsystem gefällig oder ein U-Boot? Gerne. Die deutsche Industrie liefert, was gewünscht wird. Oder was sie potenziellen Käufern als Wunsch eingeredet hat. Auch wenn die Kunden nicht ganz so solvent sind. In solchen Fällen übernimmt der deutsche Staat Exportkreditgarantien, damit im Falle von Zahlungsunfähigkeit der liefernden Industrie kein Schaden entsteht. Stichwort: Hermesbürgschaften. Woher der Götterbote das Geld im Falle der Ersatzleistung nimmt? Na, von den Banken, heißt es. Doch mit der Antwort steht man in der Haftungskette erst am Anfang. Am Ende müssen die Steuerzahler dafür einstehen.

Überdeckt vom Wahlgetöse hat die Linksfraktion im Bundestag nach den Hermesbürgschaften für Rüstungslieferungen gefragt, die in der schwarz-gelben Legislaturperiode übernommen wurden. 2009 bekam Abu Dhabi Radarsysteme (156 Millionen Euro Auftragswert). Gaddafis Libyen importierte Zugmaschinen. Die waren vergleichsweise billig: acht Millionen Euro. 2010 beglückte man Pakistan mit Funkausrüstungen. Die Garantiesumme betrug 30 Millionen. Eigentlich darf in Spannungsgebiete nicht geliefert werden. Das Land zwischen Hindukusch und Kaschmir ist ohne Zweifel ein solches. Doch dieser Grundsatz aus den deutschen Rüstungsexportrichtlinien ist ohnehin nur so hart wie ein Keks, der in Milch schwimmt.

Auch 2011 belieferte man Pakistan. Peru bekam elektronische Systeme, die Türkei ist mit dem Stichwort U-Boote und dem Auftragswert von fast 2,5 Milliarden Euro vermerkt. Mit den U-Boot-Geschäften ging es 2012 weiter, Ägypten war dran, so wie Israel. 405 Millionen Euro Auftragswert sind für das Land mit dem Davidstern in der Flagge vermerkt. Gerade hat man das vierte hochmoderne außenluftunabhängige U-Boot für Israel in der Erprobung. Mit zwei weiteren, für die Optionen bestehen, wird Israel insgesamt sechs solcher atomar bestückbaren Unterwasser-Hightech-Waffen aus Deutschland bezogen haben.

Algerien steht mit 2,13 Milliarden in der Hermes-Tabelle. Es ging vor allem um Fregattengeschäfte. Auch Irak und Indonesien tauchen da auf. Beide Empfängerländer müssten eigentlich auf einer Rüstungsexport-Sperrliste stehen, weil sie die Menschenrechte in keiner Weise beachten. Das aber ist laut eigenen Vorgaben Bedingung, damit die Bundesregierung den Waffenexport überhaupt genehmigen, geschweige finanziell absichern kann. Dass es dabei um Arbeitsplätze in Deutschland geht, ist ein Märchen. Nicht einmal 80 000 Menschen sind in der Branche beschäftigt. Zulieferer inklusive. Doch mit guter Lobbyarbeit lassen sich schon mal Grundsätze und Fakten wegdebattieren. Auch Parteispenden oder – wie gerade bei Panzergeschäften offenbar geworden – Kuverts mit zählbarem Inhalt sind hilfreich.

Der Panzerexport läuft seit 2004 sogar ohne Hermes-Hilfe. Dabei ist es erstaunlich, welche militärischen Zwergstaaten mit deutscher Hilfe stählerne Heere aufbauen, als ob sie zu Panzerschlachten bei El Alamain oder Kursk eingeladen sind. Der scheinbar unmögliche Vergleich ist berechtigt, denn wer sich beispielsweise TV-Sendungen neueren Datums aus Singapur anschaut, lernt Offiziere kennen, die über »Blitzkrieg« und den Wert der deutschen Panzerwaffe dozieren. Bisweilen ist also auch Geschichte ein zugkräftiges Verkaufsargument. Wie viele »Leopard 2A4« kaufte Singapur in den vergangenen Jahren? Das ist geheim, sagt die Bundesregierung. Die Anzahl ist dennoch recherchierbar: Es sind rund 200 Stück. Weil daheim nicht genug Platz ist, schickt das asiatische Land seine Soldaten zur Ausbildung nach Deutschland und zum Üben nach Australien.

Selbst wenn man die 200 geheimen Panzer addiert, kann die Bundesregierung nur gut 2050 »Leopard 1« und »Leopard 2« Kampf-, Berge- und Pionierpanzer auflisten, die man exportiert hat. Hersteller Krauss-Maffai-Wegemann, wo gerade einmal 1500 Mitarbeiter Panzer zusammenschrauben, weiß es besser: Dort rechnet man, dass weltweit allein rund 3500 »Leopard 2« in 16 Armeen gefahren werden. Die Empfängerstaaten fangen bei »B« wie Brasilien an und reichen bis »T« wie Türkei. Die Exportzielansage für neue Panzer heißt Mittlerer Osten. Nach Katar sollen – was scheren uns Menschenrechte – unter anderem 62 Leo-Kampfpanzer und 24 Panzerhaubitzen geliefert werden.

»In« sind aber auch »Aufgemotzte«. Auf dem Gebrauchtmarkt der zu reformierenden Bundeswehr stehen derzeit 126 Leoparden samt Spezialvarianten zum Verkauf, 93 weitere sind aus den Nachbarländern Schweiz, Österreich und den Niederlanden reimportiert worden, um demnächst auf dem Gebrauchtpanzermarkt ausgepreist zu werden.

* Aus: neues deutschland, Mittwoch, 25. September 2013


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