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Mehr Transparenz bei Waffenlieferungen - Ohne Folgen für Rüstungsexportpraxis?

Ein Beitrag von Andreas Flocken in der NDR-Sendereihe "Streitkräfte und Strategien" *

Deutschland ist inzwischen der drittgrößte Rüstungsexporteur der Welt. Und das trotz offiziell restriktiver Rüstungsexportrichtlinien. Beides passt nur schwer zusammen. Es gibt einen Trend zur Ausweitung deutscher Waffenlieferungen. So wurde kürzlich u.a. auch der Export von Leopard-Kampfpanzern in den Nahen Osten genehmigt - vor einigen Jahren undenkbar, weil diese Region bis heute als Spannungsgebiet gilt.

Dass es zu dieser Entwicklung kommen konnte, liegt nicht zuletzt daran, dass die Genehmigung von Rüstungsexporten im Verborgenen erfolgt. Denn Rüstungsunternehmen müssen sich Waffenlieferungen vom Bundesicherheitsrat genehmigen lassen. Der Bundessicherheitsrat - das ist ein geheim tagender Kabinettsausschuss. Die Öffentlichkeit erfährt also nichts über die jeweiligen Entscheidungen. Lediglich im Rüstungsexportbericht werden die im Vorjahr erteilten Ausfuhrgenehmigungen erfasst – allerdings ohne Begründung. SPD und Unionsparteien haben sich jetzt bei ihren Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass solche Genehmigungen künftig bekannt gemacht werden. Verteidigungsminister Thomas de Maizière:

O-Ton de Maiziére:
„Die Transparenz, die gefordert wurde, können wir jetzt, da, wo es möglich ist, herstellen. Ich bin sehr zufrieden über diesen weitreichenden Kompromiss. Beide Seiten sind kräftig aufeinander zugegangen.“

Künftig sollen die Genehmigungs-Entscheidungen des Bundessicherheitsrates dem Bundestag und damit auch der Öffentlichkeit sofort mitgeteilt werden. Außerdem soll es demnächst zweimal im Jahr einen Rüstungsexportbericht geben. Ein Fortschritt gegenüber der jetzigen Praxis. Allerdings nur ein kleiner. Denn die Entscheidungen über die sogenannten Voranfragen bleiben weiter geheim. Dabei hatte die SPD im Wahlkampf noch gefordert, diese dem Bundestag ebenfalls mitzuteilen. Doch davon wollen die Sozialdemokraten jetzt nichts mehr wissen. SPD-Fraktionschef Steinmeier:

O-Ton Steinmeier:
„Nach unserer Vorstellung wäre das Gremium, ein Geheimgremium gewesen, in das die Entscheidung des Bundessicherheitsrates dann eingegangen wären, dort informiert worden wäre. Wir haben uns im Verlauf des Diskussionsprozesses dazu entschlossen, kein weiteres Geheimgremium vorzuschlagen, sondern haben eine Formulierung gewählt, die im Grunde genommen noch größere Transparenz zur Folge haben wird.“

Dabei ist für Waffenlieferungen gerade die Voranfrage von entscheidender Bedeutung. Gibt der Bundessicherheitsrat hier grünes Licht, dann können die Rüstungsunternehmen mit den potenziellen Käufern Verhandlungen aufnehmen, Verkaufsgespräche führen und die Produktion der Kriegswaffen vorbereiten. Will der Bundessicherheitsrat später die offizielle Export-Anfrage des Rüstungsherstellers dann doch ablehnen, muss das Gremium schon sehr gewichtige Gründe haben, um das Waffengeschäft doch noch zu verhindern. Andernfalls könnte die Bundesregierung regresspflichtig werden. Der Rüstungsexperte Michael Brzoska vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik:

O-Ton Brzoska:
„Durch die Voranfragen wird in der Regel eigentlich entschieden, ob es zu einem Rüstungsexport kommen kann oder nicht. Insofern kann es auch weiterhin passieren, dass Dinge schon sehr lange eingetütet sind, bevor der Bundestag dann darüber tatsächlich offiziell erfährt. Das ist eine offene Flanke dieser ganzen neuen Regelung, die auch durch die Transparenz, die jetzt versprochen ist, in keiner Weise verbessert wird.“

So ist es ein offenes Geheimnis, dass der Bundessicherheitsrat dem Rüstungskonzern Krauss-Maffai Wegmann im Sommer 2011 offenbar einen positiven Vorbescheid für die Lieferung von mehr als 200 Leopard-Panzern nach Saudi-Arabien erteilt hat. Beste Aussichten, dass das Geschäft auch bei der eigentlichen Anfrage abgenickt wird. Die Linkspartei hält daher die bei den Koalitionsverhandlungen vereinbarten Transparenz-Regeln für eine Mogelpackung. Der Außenpolitiker der Linken, Wolfgang Gehrcke:

O-Ton Gehrcke:
„Was habe ich davon, wenn ich früher weiß, dass mit Hilfe der deutschen Waffen die Leute in verschiedenen Teilen der Welt totgeschossen werden. Das kann mich darüber nicht hinwegtrösten.“

Etwas optimistischer ist der Rüstungsforscher Michael Brzoska:

O-Ton Brzoska:
„Ich erwarte, dass es eine Reihe von kontroversen Debatten geben wird, die möglicherweise dazu führen, dass die besonders problematischen Länder im Mittleren Osten vielleicht nicht mehr ganz so viel an Rüstung erhalten. Vielleicht werden die Spitzen dessen, was wir in den letzten Jahren an Problemen im Rüstungsexport hatten, jetzt etwas abgeschliffen werden.“

Vielleicht. Denn im Augenblick sieht es nicht danach aus, dass Deutschland den dritten Platz in der Rangfolge der weltweit größten Rüstungsexporteure abgeben wird.

* Aus: NDR Info: Das Forum STREITKRÄFTE UND STRATEGIEN, 16. November 2013; www.ndr.de/info

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