"Höhepunkt an fehlender Information, Transparenz und mangelnder Beteiligung"
Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) kritisiert Bundesregierung und legt eigenen Rüstungsexportbericht vor. Statements von Moltmann, Felmberg und Jüsten
Am 13. Dezember stellte die GKKE auf einer Pressekonferenz ihren
Rüstungsexportbericht 2010 vor. Im Folgenden dokumentieren wir hierzu:
Statement von Dr. Bernhard Moltmann *
1. Konturen des Weltrüstungshandels im Zeichen der Weltfinanzkrise
Die Turbulenzen der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise lassen die Profile im Weltrüstungshandel
schärfer hervortreten.
-
(1)Die Rangfolge der großen Waffenverkäufer bleibt stabil. Die Studie des USCongressionial
Research Service vom September 2010 bestätigt die SIPRIDaten:
Deutschland folgt mit einem Anteil von knapp 8% am Weltrüstungshandel
im Jahr 2009 auf die USA (41%) und Russland (10.5%)
-
(2)Veränderungen gibt es unter den Abnehmern. Nach SIPRI waren zwischen
2005 und 2009 die größten Importeure China (9,4%), Indien (7,2%), Südkorea
(6,1%), die Vereinigten Arabischen Emirate (5,6%), Griechenland (4,9%),
Israel (3,4%) und Singapur (3,3%).
Im Vergleich zum Zeitraum zwischen 2000 und 2004 sind der Anteil südamerikanischer Staaten um 150% und der des Nahen/ Mittleren Ostens um 22%
gestiegen.
Die Daten lassen sich folgendermaßen interpretieren:
-
Große Waffenmengen fließen weiterhin in Weltregionen mit hohem Spannungspotential
oder offenen Gewaltkonflikten (Naher/ Mittlerer Osten – Phänomen
der „Stellvertreteraufrüstung“, Ostasien)
- Aufstrebende Industriestaaten unterstreichen mit Rüstungskäufen ihre Machtansprüche.
(Indien, Brasilien, China)
- Post-Konflikt-Staaten mit labilen Sicherheitsverhältnissen wie Irak rüsten auf.
- Die Mehrzahl der Staaten verzichtet auf spektakuläre Neuanschaffungen und
setzt auf die Modernisierung vorhandener Arsenale.
2. Der Fall von Griechenland
Griechenland hat mit der internationalen Finanzkrise einen tiefen Sturz erlebt. Vor
Ausbruch der Schuldenkrise hat das Land mehr als 3% seines BSP für Militärzwecke
ausgegeben (Deutschland: 1,4%). Der Anteil der Militärausgaben je Einwohner hat
680 € betragen, in Deutschland 375 €. Zwischen 2005 und 2009 zählte das Land zu
den fünf größten Waffenkäufern weltweit. 31% der Rüstungsimporte stammten aus
Deutschland. Noch 2010 hat Griechenland 223 Panzerhaubitzen aus Bundeswehrbeständen
im Wert von 10 Mio. € übernommen. (Stückpreis ca. 45.500 €).
Deutsche Exporte von Panzern, Artillerie, Munition und U-Boote stützten den griechischen
Rüstungswettlauf mit der Türkei. Auch der Konkurrent profitierte von umfangreichen
deutschen Rüstungslieferungen, der Überlassung von Alt-Material und Lizenzvergaben.
Der Fall Griechenland lehrt, dass das Auseinanderklaffen von exzessiven Militärausgaben
und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht nur bei Entwicklungsländern auftritt.
Deshalb sollte die Bundesregierung auch bei Rüstungsgeschäften mit Bündnispartnern
deren wirtschaftliche und politische Folgen in Rechnung stellen.
3. Neue Impulse für deutsche Rüstungsexporte
1: Rüstungsexportpolitische Folgen des Umbaus der Bundeswehr
Die Bundeswehr befindet sich seit zwei Jahrzehnten in einem permanenten Umbau.
Er macht vorhandene Waffenbestände überflüssig. Schon zwischen 2005 und 2009
hat SIPRI die Weitergabe von 1.100 gebrauchten Panzern registriert. Auch wurden
Schiffe, Artillerie und Munition weiterverkauft. Zunächst waren viele Rüstungsgüter in
neue NATO-Staaten und in die Türkei und Griechenland gewandert. Heute fließen die
Panzerausfuhren vor allem an Drittstaaten, prominent an Brasilien, Chile oder Singapur.
Werden die Empfehlungen der Bundeswehr-Strukturkommission vom Oktober 2010
umgesetzt, gibt es noch mehr überzählige Waffen. So sollen drei ältere U-Boote zum
Verkauf angeboten werden. Die Ausmusterung weiterer Schiffe, Panzer, Flugzeuge
und Munition steht an. Die Bundeswehr wird in Zukunft nicht mehr Hauptabnehmer
deutscher Rüstungsprodukte sein. Deshalb drängt die Strukturkommission die Rüstungsindustrie,
mit standardisierten Angeboten externe Abnehmer zu finden. Käufe
der Bundeswehr sollen als Türöffner auf dem internationalen Rüstungsmarkt dienen.
Außerdem fordert die Kommission, auf die Zurückhaltung bei der Genehmigungspraxis
zu verzichten und sich ermäßigten Kriterien europäischer Konkurrenten anzupassen.
2: Der Druck der Rüstungsbranche
Die Empfehlungen der Strukturkommission treffen bei Rüstungsherstellern auf offene
Ohren. Angesichts bevorstehender Einschnitte in der Rüstungsbeschaffung pochen
sie zumindest auf den Erhalt von „Kernkapazitäten“ und die Wahrung von „Systemführerschaft“
bei Waffensystemen, in denen sie führend sind. Dem sollen Referenzbestellungen
der Bundeswehr ebenso dienen wie die Möglichkeit, bei eigenen Beschaffungen
auch Exportaussichten einzukalkulieren. Deshalb sind in der Perspektive
der Rüstungsbranche auch Rüstungsausfuhren zu erleichtern.
Dem Druck der Rüstungsbranche steht allerdings entgegen, dass Rüstungsausfuhren
nur 1% des deutschen Außenhandels ausmachen. Beugt sich die Bundesregierung
der Rüstungsbranche, verzichtet sie darauf, die Neuausrichtung der Bundeswehr als Mittel zur Abrüstung zu nutzen. In diesem Sinne sollten Entwicklung und Produktion von Rüstungsgütern für die Bundeswehr nicht im Blick auf Exporterlöse geplant und entsprechend Rüstungsgeschäfte nicht gefördert werden. Einmal mehr ist an das Diktum des ehemaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt von 2008 zu erinnern: „Unsere Volkswirtschaft und Zahlungsbilanz sind nicht auf Waffenexporte angewiesen.
* Dr. Bernhard Moltmann, Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
Vorsitzender der GKKE Fachgruppe Rüstungsexporte.
Statement von Prälat Dr. Bernhard Felmberg **
Sehr geehrte Damen und Herren,
mein Vorredner hat sich bereits zur Problematik der schwachen Datenbasis für unseren
aktuellen Rüstungsexportbericht geäußert. Aus dem VN-Waffenregister kennen
wir die Zahlen der in 2009 von der Bundesregierung genehmigten Ausfuhranträge für
kleine und leichte Waffen: sie bewegen sich in etwa auf dem hohen Niveau des Vorjahres.
So wurde die Ausfuhr von 34.401 Kleinwaffen genehmigt. Davon gingen
8.363 an Staaten, die nicht der NATO oder der EU angehören bzw. diesen gleichgestellt
sind. Wichtigste Abnehmerstaaten waren Saudi-Arabien, wohin 2.500 Sturmgewehre
geliefert wurden, Indien, Ägypten, Chile, Serbien, Indonesien und Kuwait. Außerdem
wurde der Export von 9.174 leichten Waffen gebilligt. Davon gingen 4.177
an sogenannte „Drittstaaten“. Die größten Abnehmer waren davon Südkorea, Singapur,
Kuwait und Jordanien. Wir kennen die destabilisierende und entwicklungshemmende
Wirkung dieser Waffen, sie gehören nicht in Konfliktregionen und nicht in
Entwicklungsländer, wohin sie legal gelangen- wie wir der Empfängerliste leider entnehmen
müssen - und illegal, wie unsere Projektpartner in der kirchlichen Entwicklungszusammenarbeit,
etwa aus der DR Kongo oder dem Sudan immer wieder beklagen.
Auch sie fordern uns auf, helft uns die Kleinwaffenplage einzudämmen!
Angesichts des hohen Niveaus deutscher Lieferungen von kleinen und leichten Waffen,
von Munition und Fertigungsanlagen sollten derartige Exporte nur an Staaten
genehmigt werden, die das VN-Aktionsprogramm zur Bekämpfung der (illegalen)
Verbreitung dieser Waffen konstruktiv begleiten. Die GKKE erwartet von der Bundesregierung,
bei der Genehmigung von Exporten dieser Kategorien die Kriterien des
Gemeinsamen Standpunktes der EU zur Ausfuhr von Militärtechnologie und Militärgütern
vom 8. Dezember 2008 in besonderem Maße zu beachten, um den verhängnisvollen
Folgen der Verbreitung bewaffneter Gewalt entgegenzutreten.
Dass die Bundesregierung auch auf Parlamentarische Anfragen hin keine Angaben
über den Umgang mit Lizenzen zum Nachbau deutscher Waffen, vor allem von kleinen
und leichten Waffen, macht halten wir für nicht akzeptabel. Zumindest sollten
die Genehmigungsbehörden präzise Auskünfte über den Sachstand und über die
Endverbleibskontrolle geben können.
Außerdem regt die GKKE an, Exportgenehmigungen von kleinen und leichten Waffen
mit der Auflage an das Empfängerland zu versehen, sich ebenfalls am VN-Waffenregister
zu beteiligen. Das Gleiche hätte auch für die Vergabe von Lizenzen zu
gelten. Relevante Abnehmer von kleinen und leichten Waffen aus deutscher Fertigung
wie Ägypten oder Saudi-Arabien wirken derzeit nicht am Waffenregister mit. Sie
gehören auch zu den Ländern, die dem VN-Aktionsprogramm distanziert, wenn nicht
ablehnend gegenüberstehen.
Erfreulich sind die Fortschritte, die im letzten Jahr auf der Ebene der Vereinten Nationen bei der Ausarbeitung eines weltweiten Vertrags zur Kontrolle des Waffenhandels (Arms Trade Treaty, ATT) gemacht wurden. Das für 2012 angestrebte Vertragswerk soll die rechtlichen und sozio-ökonomischen Auswirkungen von Rüstungstransfers ebenso berücksichtigen wie Folgen für regionale Sicherheit und Stabilität.
Hier geht es darum, „ein gerechtes System von Richtlinien und Beschränkungen für
Waffenexporte zu entwickeln, das auf Zusammenarbeit von Empfänger- und Lieferländern
basiert“, wie es bereits 1982 die Palme-Kommission formuliert hatte. Die
GKKE begrüßt das bisherige Engagement der Bundesregierung für einen möglichst
starken und umfassenden ATT und erwartet, dass sie auch in Zukunft ihr ganzes diplomatisches
Geschick und ihr politisches Gewicht dafür in die Waagschale wirft.
In eigener Sache gibt es noch eine andere erfreuliche Entwicklung: Unsere GKKE-Fachgruppe
Rüstungsexporte ist zum Träger des Göttinger Friedenspreises für das
Jahr 2011 gewählt worden zusammen mit der ökumenischen Kampagne „Ohne Rüstung
Leben“. Wir freuen uns über diese Auszeichnung und sehen uns als Kirchen in
unserem friedenspolitischen Engagement in ökumenischer Verbundenheit bestätigt.
Dieser Preis ehrt in besonderer Weise auch den Vorsitzenden der Fachgruppe Dr.
Bernhard Moltmann von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
(HSFK). Er ist Motor und Ideengeber des jährlichen Rüstungsexportberichtes und hat darüber hinaus zahlreiche Initiativen zum politischen Dialog, aber auch zur Kooperation
mit Kampagnen und Aktionsbündnissen ergriffen.
** Prälat Dr. Bernhard Felmberg, Evangelischer Vorsitzender der GKKE
Statement von Prälat Dr. Karl Jüsten ***
Sehr geehrte Damen und Herren,
wie in jedem Jahr stellt die GKKE in den Wochen vor Weihnachten ihren Rüstungsexportbericht
der Bundespressekonferenz vor. Es ist der 14. Bericht, den die GKKE FG
Rüstungsexporte unter Leitung von Dr. Bernhard Moltmann erstellt hat. Es wurden
öffentlich verfügbare Informationen über die deutschen Ausfuhren von Kriegswaffen
und Rüstungsgütern des Vorjahres zusammenstellt und diese bewertet im Zusammenhang
der Friedens-, Sicherheits- und Entwicklungspolitik.
Aber in diesem Jahr sieht es mit den „öffentlich verfügbaren Informationen“ sehr
schlecht aus: wir haben keine zusammengefassten amtlichen Zahlen über Rüstungsexportgenehmigungen
und Kriegswaffenausfuhren in 2009. Weder die Bundesregierung
noch das Generalsekretariat des Europäischen Rates hat die Zahlen und Werte
für 2009 zur Verfügung gestellt. Die Bundesregierung hatte zwar auch in den Vorjahren
ihre Berichte zum Ende des nachfolgenden Jahres noch nicht veröffentlicht. Aber
wir konnten uns behelfen: die Zahlen, die die Regierung an die EU abgegeben hat,
standen früher zur Verfügung, da die EU sie mit den Daten anderer Mitgliedsstaaten
in der Regel im November veröffentlichte. Damit haben wir heute, im Dezember
2010, einen vorläufigen Höhepunkt an fehlender Information, Transparenz und mangelnder
Beteiligung erreicht, den sich die Bundesregierung in diesem sensiblen Politikfeld
leistet. Wir finden das unannehmbar und skandalös!
Es gab einige Parlamentarische Fragen und „Kleine Anfragen“ im vergangenen Jahr,
aus den - wenn auch spärlich gehaltenen - Antworten der Bundesregierung gehen
immerhin einige Hinweise hervor. Die Zahl der Ausfuhrgenehmigungen in 2009
(16.318 einschl. Sammelausfuhrgenehmigungen) hat sich leicht erhöht. Die Einzelausfuhrgenehmigungen
stiegen an auf 16.201 von 15.458 (in 2008), die Sammelausfuhrgenehmigungen
gingen zurück und erreichten einen Wert von knapp 2 Mrd. €.
Die renommierte US-amerikanische Studie „Conventional Arms Transfers to Developing
Nations, 2002-2009“ beziffert die deutschen Rüstungstransfers im Jahr 2009 auf
2,8 Mrd. US-Dollar; für 2008 lag der Wert bei 2,9 Mrd. US-Dollar. Zugleich registrierte
sie Neuverträge deutscher Hersteller für 2009 in Höhe von 3,7 Mrd. US-Dollar;
dieser Wert lag für 2008 bei 1 Mrd. US-Dollar. Demnach erwarten wir für das Berichtsjahr
2009 ein anhaltend hohes Niveau an Rüstungsexportgenehmigungen und
für das nächste bzw. die nächsten Jahre eine weitere Steigerung aufgrund der hohen
Zahl abgeschlossener Neuverträge. Ebenfalls aus einer Antwort auf eine Parlamentarische
Anfrage wissen wir, dass Hermes-Kredite im Jahr 2009 in Höhe von rund 1,92
Mrd. € gewährt wurden. Ein rasanter Anstieg gegenüber 21 Mio. € in 2008! Diese
staatlichen Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers bezogen sich auf Liefergenehmigungen
an Abu Dhabi, Bangladesch, Indien, Irak, Südkorea, Libyen, Pakistan
und Saudi Arabien. Unter den Empfängern sind Länder wie Pakistan.Bei kritischen
Beobachtern klingeln die Alarmglocken: Konfliktregion, Entwicklungsland und
nicht gerade menschenrechtskonforme Politik. Dieser enorme Anstieg an staatlichen
Ausfallbürgschaften für deutsche Rüstungstransfers erstaunt gerade auf dem Hintergrund
der Wirtschafts- und Finanzkrise. Einmal mehr wiederholt die GKKE den Appell
an die Bundesregierung, Rüstungsausfuhren nicht durch staatliche Ausfallbürgschaften
abzusichern. Denn damit wird das Geschäftsrisiko von rüstungsexportierenden
Firmen zu Lasten des Steuerzahlers reduziert: Dies kommt einer indirekten Subvention
von Rüstungsausfuhren gleich!
Die von uns regelmäßig beklagten Transparenzdefizite hat die Bundesregierung nicht
nur nicht ausgeräumt, sondern sie scheinen sich auszuwachsen, zumindest was die
Zeitabstände zum Geschehen betrifft. Und noch immer erfahren wir nichts über tatsächliche
Exporte von Rüstungsgütern. Weitere Probleme in der Praxis der amtlichen
Regierungsberichterstattung sind unter Punkt (5.04) des Berichtes zusammengestellt.
Vordringlich scheint uns, Voraussetzungen für parlamentarische Kontrolle zu
schaffen, denn die Missachtung des Parlaments diskreditiert die Funktion der Legislative,
das Regierungshandeln zu kontrollieren.
Der Bundestag, sollte ähnlich wie dies in Großbritannien oder Schweden geschieht,
stärker an rüstungsexportpolitischen Entscheidungen beteiligt werden und zwar so,
dass das Parlament nicht nur nachträglich rüstungsexportpolitische Entscheidungen
legitimiert, die die Exekutive bereits getroffen und umgesetzt hat
*** Prälat Dr. Karl Jüsten, Katholischer Vorsitzender der GKKE
Quelle: Website der GKKE; www3.gkke.org
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