EU stoppt Galileo-Projekt
Steuerzahler müssen Milliardenkosten für Missmanagement tragen
Von Holger Elias, Brüssel *
Das aus acht europäischen Unternehmen bestehende private Industriekonsortium wird keine
Konzession für den Aufbau und den Betrieb des mit reichlich Vorschusslorbeeren bedachten
Satellitennavigationssystems Galileo erhalten. Nunmehr soll die Europäische Weltraumagentur ESA
für die Positionierung der geplanten 30 Satelliten verantwortlich zeichnen.
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee hatte am Montag (7. Mai) in seiner Rolle als Vorsitzender des
EU-Verkehrsministerrates die nahende Bruchlandung des milliardenschweren Vorzeigeprojekts in
Brüssel gestoppt. Und er nannte gleich mehrere Gründe für seine Initiative. Ein Auslöser ist die
Tatsache, dass sich die acht Weltraumfirmen, die dem Konsortium angehörten, bislang nicht über
die Führungsrolle einigen konnten.
Dabei war Galileo einst mit einem gewaltigen medialen Getöse gestartet, denn es sollte die
Abhängigkeit der EU-Staaten zum hauptsächlich militärisch genutzten US-amerikanischen
Satellitennavigationssystem GPS beenden. Übrig blieben Luftblasen. Der Luftfahrtkonzern EADS,
die italienische Finmeccanica, die französischen Unternehmen Alcatel und Thales, die britische
Inmarsat, Aena und Hispasat aus Spanien sowie die deutsche Teleop – mit Beteiligung der
Deutschen Telekom – gründeten weder die geforderte Betreibergesellschaft, noch erzielten sie
Einigung über eine Aufgabenverteilung. Außerdem unterzeichneten sie bis zum heutigen Tag nicht
den von der EU vorgelegten Konzessionsvertrag. Stattdessen ignorierten sie bislang das von
Verkehrskommissar Jacques Barrot verhängte Ultimatum, das am 10. Mai auslaufen wird.
Galileo war von Beginn an als ein ziviles Projekt konzipiert. Mit dem Stopp beginnen nun allerdings
erneut die Diskussionen darüber, ob nicht auch eine militärische oder polizeiliche Nutzung des
Navigationssystems sinnvoll wäre. Frankreich hatte eine solche Variante ohnehin immer bevorzugt,
Deutschland sich dagegen gesträubt. Inzwischen hat sich allerdings auch der stellvertretende
CDU/CSU-Fraktionschef im Deutschen Bundestag, Hans-Peter Friedrich, in einem Zeitungsinterview
für eine militärische Nutzung ausgesprochen, »weil dies ein Schritt zu einer gemeinsamen
europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik wäre«.
Dagegen lehnt der Europaabgeordnete der Linkspartei.PDS, Helmuth Markov, nach wie vor eine
militärische Nutzung ab, unter anderem deshalb, weil dadurch die »viel gepriesene höhere
Zuverlässigkeit von Galileo gegenüber GPS hinfällig« würde. Es bestehe die Gefahr, dass im
militärischen Ernstfall »alle zivilen Anwendungen von Galileo mit einem Schlag unbrauchbar
gemacht würden«, weil die Frequenzen blockiert wären, argumentierte Markov.
Die finanziellen Lasten des Galileo-Projekts in Höhe von rund vier Milliarden Euro werden nunmehr
den Steuerzahlern aufgebürdet – ursprünglich war eine rein private Finanzierung durch die
beteiligten Unternehmen vorgesehen.
Ob und inwieweit private Konzessionäre nun künftig in das Prestigeprojekt Galileo eingebunden
werden, wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.
Endgültig beschlossen werden soll das weitere Vorgehen im Fall Galileo im Juni im
Verkehrsministerrat, kündigte Tiefensee an. Er schloss allerdings aus, dass das Projekt ganz
aufgegeben werden könnte.
* Aus: neues Deutschland, 8. Mai 2007
Zu weiteren Beiträgen über Rüstung, Militärausgaben und Rüstungsexport
Zur EU-Seite
Zurück zur Homepage