Scharping, der schlaue Fuchs - doch so schlau auch wieder nicht
Der "Stern" enthüllt: "Harmlose" Spürpanzer für die Vereinigten Arabischen Emirate schwer bewaffnet
Füchse gelten in der Fabelwelt als besonders schlaue und gerissene Gesellen. Daran werden wohl auch die Militärs gedacht haben, als sie seinerzeit dem wendigen ABC-Spürpanzer den Namen "Fuchs" verliehen haben. Und schlau waren gewisse auch all jene, die mit diesem Top-Modell aus dem Hause HWK (Henschel Wehrtechnik Kassel) schon vor mehr als zehn Jahren ihr Schäfchen ins Trockene gebracht hatten: Der immer noch flüchtige Holger Pfahls ist einer von ihnen. In seiner Funktion als Staatssekretär im Verteidigungsministerium kassierte er vom Waffenmakler Schreiber satte 3,8 Millionen DM dafür, dass er den Deal mit Saudi-Arabien über 36 Fuchs-Panzer 1991 einfädelte. Mit von der Partie war Kanzler Helmut Kohl, der sich seit der Irak-Krise im Herbst 1990 für Waffenlieferungen in den Nahen Osten besonders stark gemacht hatte. Wie viel Schwarzgeld von den vermuteten rund 220 Millionen DM, die bei dem Geschäft mit Saudi-Arabien an Schmiergeldern hin und her flossen, in den Kassen der CDU landeten, ist bis heute nicht bekannt. Möglicherweise kann das Landgericht Augsburg, das zur Zeit gegen ehemalige Thyssen-Manager (Thyssen war die Mutterfirma von Henschel Kassel) ermittelt, bald mehr sagen, als den schlauen Füchsen aus dem privaten und staatlichen Rüstungsmilieu lieb ist.
Doch wir wollen nicht in alten Geschichten herum kramen. In der jüngsten Ausgabe des "Stern" (22. Februar 2001) geht es zwar auch wieder um Füchse und auch wieder um die arabische Halbinsel - doch der Deal stammt aus dem vergangenen Jahr und wurde von Verteidigungsminister Scharping ins Werk gesetzt. Mitten in die Auseinandersetzung um die umstrittene Panzeranfrage aus der Türkei platzte im März 2000 die Nachricht von einem Geschäft mit den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE). Dieser Staatenbund aus sieben Scheichtümern bestellte in Deutschland 64 gepanzerte Radfahrzeuge vom Typ "Fuchs". Scharping war Feuer und Flamme und beeilte sich in zahlreichen Stellungnahmen darauf hinzuweisen, dass es kein defensiveres Waffensystem auf der Welt gäbe als den "Fuchs". "Harmlos" bis "wehrlos" sei dieser Panzer, zumal er auch nicht mit dem ansonsten serienmäßigen Maschinengewehrturm ausgestattet werde.
Und genau dies stimmt offenbar nicht. Der "Stern" fand jetzt heraus, dass der Spürpanzer entgegen Scharpings Behauptung schwer bewaffnet werde. Vorgesehen sind nach Stern-Informationen Maschinengewehre vom Kaliber 12,7 mm, die mit Spezial-Munition panzerbrechend sind. Pikant an diesem neuen Sachstand ist nun, dass eine solche Bewaffnung von Anfang an vorgesehen war. Scharping hat also gelogen?
Man kann es so nennen, wenn die Angaben aus dem Stern zutreffend sind. Scharping hatte danach im vergangenen März behauptet, das "Lieferbegehren" der Emirate umfasse keine Maschinengewehre. Die Bewaffnung der Panzer sei "völlig offen". (Vgl. hierzu Stern vom 16.03.2000, FR vom 17.03.2000). Seine Parlamentarische Staatssekretärin Brigitte Schulte bekräftigte dies im Bundestag mit der Erklärung, die Bundeswehr sei mit der Aufrüstung nicht befasst. Schulte räumte aber ein, dass die Araber beabsichtigten, in eigener Regie die Spürpanzer zu bewaffnen.
Diese Erklärungen erfolgten laut Stern wider besseres Wissen. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung die Kasseler Henschel-Werke, die den Spürpanzer bauen, bereits um ein Angebot für die Lieferung gebeten. Unter dem Stichwort "Art der Lieferung" teilte Henschel der Scharping-Behörde zwar mit, dass die Lieferung der Spürpanzer keine "fahrzeugmontierten Waffen sowie Munition" einschließt. In dem Schreiben, das dem stern vorliegt, heißt es jedoch weiter: "Diese Waffen ... sind als Beistellteile nach der Lieferung vor Ort zu installieren." Mit der Entwicklung des Waffenturms ist die Augsburger Firma Kuka beauftragt. Die Bundeswehr will die Bewaffnung in ihrer wehrtechnischen Dienststelle in Meppen in den kommenden Monaten testen. Die Emirate selbst sind zur Bewaffnung ohne die massive Unterstützung durch die Bundeswehr nicht in der Lage, versichern BWB-Experten.
Was den ganzen Vorgang so ärgerlich macht, sind zwei Dinge:
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Einmal die Tatsache, dass das Spürpanzergeschäft in so eklatanter Weise gegen die Rüstungsexport-Richtlinie der Bundesregierung vom Januar 2000 verstößt. Vei dem Empfängerland VAE handelt es sich um ein Land, in dem die Menschenrechte herzlich wenig gelten. Die VAE haben auch wesentliche internationale Rüstungskontroll-Verträge nicht unterzeichnet, etwa das Chemiewaffen-Verbot, sodass schon aus diesem Grund eine Lieferung nicht in Frage käme. Der mögliche Einsatz des Spürpanzers im Inneren zur Repression der Bevölkerung ist wegen der Beschaffenheit des Panzers nicht auszuschließen. In der Export-Richtlinie der Bundesregierung heißt es hierzu: "Genehmigungen für Exporte von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern werden grundsätzlich nicht erteilt, wenn hinreichender Verdacht besteht, dass diese zur internen Repression im Sinne des EU-Verhaltenskodex für Waffenausfuhren oder zu sonstigen fortdauernden und systematischen Menschenrechtsverletzungen missbraucht werden. Für diese Frage spielt die Menschenrechtssituation im Empfängerland eine wichtige Rolle." (Abschnitt I, Absatz 3)
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Zum anderen empört uns die Unverfrorenheit, mit der Scharping - zum wiederholten Mal - seine Umgebung und die Öffentlichkeit mit Halb- oder Unwahrheiten belästigt. Nur gut, dass solche Lügen keine allzu langen Beine haben. Was in den letzten Wochen allein über Scharpings Kosovolügen über das öffentlich-rechtliche Fernsehen einem Millionenpublikum bekannt gemacht wurde, müsste in jedem halbwegs zivilisierten Land ausreichen, einen Minister mehrmals zum Rücktritt zu veranlassen.
Besonders schlau war auch die Geschichte mit den Füchsen nicht. Aber im Gegensatz zum schlauen Fuchs in der Fabel, der am Ende meistens doch der Gelackmeierte ist, dürfte dem Fuchs Scharping wegen dieser neuerlichen Affäre wohl wieder kein politisches Haar gekrümmt werden.
Daran dürfte auch die CDU/CSU nichts ändern, die jetzt wieder schwere Geschütze gegen Scharping in Anschlag bringt. In einer Presseerklärung des verteidigungspolitischen Sprechers deer Bundestagsfraktion, Paul Breuer, vom 21. Februar wird Scharping unterstellt, er habe mit seiner Fuchs-Lüge "etwas zu verbergen" gehabt. Der Verteidigungsminister müsse nun "mit der ganzen Wahrheit auf den Tisch". (Nur ein sprachlicher Lapsus? Nicht die Wahrheit muss nach Meinung der CDU/CSU auf den Tisch, sondern Scharping selbst. Aber was soll Scharping da? Etwa tanzen? - Wir hätten doch lieber die Wahrheit auf dem Tisch!) Weiter vermutet die CDU/CSU: "Offenbar wurde aber die von Rot-Grün öffentlich zur Schau gestellte Transparenz bei Rüstungsexporten dem Koalitionsfrieden geopfert. Man belügt sich in der Koalition gegenseitig, und lässt sich bewusst belügen, um die Öffentlichkeit zu täuschen. Man glaubte wohl, nur so den mühsam verkleisterten Konflikt in der Koalition vermeiden zu können." - Nun, wir fürchten, dass der Zusammenhalt der rot-grünen Koalition doch größer ist als von der Opposition angenommen. Zumindest gilt das für alle kriegs- und rüstungsrelevanten Entscheidungen, die das Kabinett Schröder-Fischer-Scharping bisher getroffen hat. Und was regt sich die CDU/CSU überhaupt auf? Der Beschluss der Regierung, 64 Fuchs-Panzer in die VAE zu exportieren, wird ja von den Schwarzen voll mitgetragen. Zitat aus der Presseerklärung: "Die CDU/CSU begrüßt grundsätzlich die Lieferung von Spürpanzern an die Vereinigten Arabischen Emirate. Es ist in unserem Interesse, dass die explosive Lage in der Golfregion durch verlässliche Partner weiter stabilisiert wird. Zudem handelt es sich bei einem Spürpanzer um ein grundsätzlich defensives System, das vor allem dem Schutz der eigenen Truppen und der Zivilbevölkerung dient."
Was lehrt uns das alles? Auch Regierung und CDU/CSU-Opposition sind sich in der Rüstungsexportfrage weitgehend einig. Der einzige Unterschied besteht nur darin, dass die CDU/CSU lauthals zu dem stehen, was Rot-Grün verstohlen machen (auch etwas verschämt? - das wäre der erste Schritt zur Besserung). Vielleicht merkt's ja keiner.
Peter Strutynski
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